Ich würde sagen: vielleicht ein bisschen was von beidem. Das WM-Qualifikationsspiel gegen Wales, welches gestern Abend in Mönchengladbach ausgetragen wurde, ist eines dieser Spiele, wo du als Fan nicht weißt, was passiert. Wirst du nach deinem Tipp gefragt, antwortest du “Sieg!”, aber was ist von defensiv stehenden Walisern zu erwarten, die wir bereits in der EM-Qualfikation hatten? Im Gedächtnis sind das 2:0 aus dem Hinspiel und das unrühmliche 0:0 zum Abschluss der erfolgreichen Qualifikation in Richtung EM 2008.

Gerade so noch erholt vom Russlandspiel am letzten Samstag, was 2:1 und mit ganz viel Herzklopfen zu Ende ging, ging es im fast schon gewohnten Samstag-Mittwoch-Rhythmus weiter. Im Vornherein war klar, dass Wales nur hinten drin schießen wird und das eigene Tor verteidigen würde, als ginge es um Leben und Tod, auf Kosten des Offensivspiels. Anders als die Finnen, von denen wir dies ebenfalls erwarteten und die uns überraschten, bestätigten die Waliser unsere Erwartungen.

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Das Spiel begann so wie das gegen Russland: schönes Kurzpassspiel, geringe Fehlpassquote und gut rausgespielte Torchancen, leider mit ein bisschen fehlendem Glück. Die Minuten verrannen und es wollte einfach nicht klappen, das 1:0. Geduldig schaute ich dabei zu, wie Jogis Jungs in der 1. Halbzeit permanent auf das Tor der Waliser zustürmten, ohne Torerfolg. Distanzschüsse, Ecken, Freistöße und hineingetragene Bälle, es hat nicht sollen sein, so schien es mir.

Doch im Gegensatz zum Russlandspiel legten wir in 2. Halbzeit sogar noch eine Schippe drauf. Auch die Waliser, die schon vor der Partie zugaben, mit einem 0:0 zufrieden zu sein, wurden etwas mutiger. Schon eine Stunde gespielt und immernoch 0:0, das kann doch nicht wahr sein. Mein Vater, mit dem ich wieder geschaut habe, meinte nur: “Wenn du 90 Minuten auf ein Tor zurennst und die Bude nicht machst, ist das…?” – “Unvermögen?” – “Genau!”. Wie Recht er doch hatte.

Nur noch 20 Minuten – auch wenn er eben noch Recht hatte, dass dieses Spiel 0:0 ausgehen würde, wollte ich nicht hören, ich wollte es nicht wahr haben, immerhin siegte Russland, unser stärkster Qualifikationsgegner und Konkurrent ums WM-Ticket, am selben Tag 3:0 gegen Finnland, ein Sieg gegen Wales musste also unbedingt her. Die Zuschauer wurden schon längst ergriffen von ihrer Ungeduld, von guter Stimmung im Stadion anscheinend keine Spur.

Nach einer erneut weggeköpften Ecke  folgte die nächste Ecke – mal nicht direkt in den Strafraum geflankt, sondern eine andere Variante. “Das wird nie was!” kam von rechts hinter mir, der scheinbar unaufhörlich lange und erleichternd laute Jubelschrei übertönte alles und auch mein Vater freute sich sichtlich mit, dieser Pessimist. Das 1:0 von Piotr Trochowski, Marke Traumtor, landete in der 72. Minute endlich im Netz und erlöste die Deutschen von ihrer unendlichen Ungeduld – und jetzt war auch endlich Stimmung in den Borussiapark gekommen.

Lange, lange, lange hat es gedauert – endlich das Tor in Richtung Sieg, es sollte das einzige bleiben. Doch warum taten wir uns so schwer? Bei jedem Schuss war entweder noch ein Bein oder ein Kopf dazwischen, es hätte unter Umständen schon längst 3:0 stehen können, doch die Waliser verteidigten sehr gut und standen brutal tief hinten drin, es gab lange Zeit kein Durchkommen beim walisischen Abwehrriegel. Doch nur alleine eine gute walisische Abwehr? Nein, das nicht. Unvermögen, den Ball ins Tor zu bekommen, wenn man schonmal davor stand, kam dazu – erschreckend zu sehen, dass das Kurzpassspiel bis kurz vor den Strafraum prima klappt, aber dann die letzten entscheidenden Millimeter fehlen.

Nahezu bezeichnend war die Situation wenige Minuten danach, als unser Kapitano Michael Ballack, der sich trotz schmerzender Wade einsatzbereit meldete und beim Aufwärmen von den Fans gefeiert wurde, bei einem Freistoß, Marke Deutschland gegen Österreich, nur den Pfosten traf. Wieder einmal schlug ich die Hände über meinem Kopf zusammen.

Über alle Maße amüsiert haben wir, vor allem mein Vater, uns darüber amüsiert, das nicht nur wir den Ball nicht ins Tor bekamen weil immer wieder ein Fuß oder ein Kopf dazwischen war, sondern das es anders herum genauso passierte. Ein Waliser mit viel Platz (wo war die Abwehr?) schießt aus knapp 20 Metern völlig frei in Richtung Tor – er traf nicht das Netz sondern die Knie unseres Abwehrriesen Per Mertesacker, der bei mir und meinem Vater jetzt nur noch “Per Gagel-Knie” heißt, denn wer völlig frei nur die Knie des dürren Verteidigers trifft, hat unser Schmunzeln wahrlich verdient.

Und wieder eine Geduldsprobe für mein in letzter Zeit so mit Adrenalin durchpumptes Fußball-Herz – aber wie gesagt: auf mich hört ja eh keiner. Am Samstag, wenn es nach Berlin zum VfB-Auswärtsspiel geht, kann ich mich wieder darauf gefasst machen, vor Nervosität beinahe umzufallen. Man darf gespannt sein. Das nächste Länderspiel im November gegen England erlebe ich live und melde mich nationalmannschaftstechnisch zurück mit einigen GigaByte Datenmaterial aus unserer Hauptstadt Berlin.

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