4 Tage in Stuttgart:
Teil 1: Weiter auf Talfahrt
Teil 2: Autogramme beim Mannschaftstraining
Teil 3: Eisbär, Flusspferd, Känguruh
Teil 4: Wenn alles steht und keiner lacht

Wie sehr sehne ich mich nach glücklicheren Tagen zurück, in denen die beruhigende Gewissheit in Fleisch und Blut überging, in der Rückrunde der vergangenen Saison erlebte ich ein tolles Spiel nach dem anderen, euphorische Siege, wo man aus dem Jubeln kaum mehr heraus kam. Einst schwor ich, der VfB wäre meine Liebe, für die ich durch dick und dünn gehen würde. Und in diesen Wochen erneut: durch ganz, ganz, ganz dünn.

Für jedes Heimspiel fast 500 Kilometer hin, 500 Kilometer zurück, an sich kein Problem. Die Motivation leidet nur allmählich und die Vorfreude auf jedes Spiel, was man live erleben darf, für das man sich die Dauerkarte schließlich geholt hat, sie weicht mehr und mehr der Tristesse. Und nach Heimpleiten gegen Köln und Bremen sollte nun endlich die Reißleine gezogen werden.

Besagte letzte Heimspiele waren eine Zumutung für den Stadiongänger, sei es der Dauerkartenbesitzer oder der Gelegenheitzuschauer – umso erfreulicher, dass dieses Spiel gegen die ungeliebten Schalker auf den ersten Blick leicht besser aussah als zuvor. Doch der erste Blick war dann nach 24 Minuten auch nichts mehr wert, als wir erneut in Rückstand gerieten. Wieder einmal.

Das Spiel schleppte sich hin, wieder Pfiffe zur Halbzeit, wieder die geschundene Seele des VfB-Fans, aufgekratzt mit rasierklingenscharfen Aktionen des Gegners. Stück für Stück sah man die Mannschaft in sich zusammenfallen. Auch die Hoffnung auf laute Halbzeitansprachen unseres Trainers Markus Babbel ist eine andere als noch in der Rückrunde, als ich selbst nach einem Rückstand zweifellos glaubte, dass auch solche Spiele noch zu unseren Gunsten gedreht werden konnten. Ich gebe zu, man fühlte sich pudelwohl in dem Wissen, dass man weiter marschiert, immer weiter. Doch diese Zeiten waren vorbei.

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In einer dieser unsäglich tristen und emotional unterkühlten Halbzeiten, wie es sie in letzter Zeit so oft gegeben hat, schwelgte man doch schon in Erinnerungen. Doch was nützt das, wenn man weiß, dass man gerade eine echte Pechsträhne hat? Der Wiederanpfiff riss mich aus meinen Tagträumen vergangener Tage, die noch gar nicht so weit zurücklagen, und brachte mich wieder hinein in die Gegenwart: die zweite Halbzeit im Heimspiel gegen Schalke.

Von meinem Sitznachbarn und Kumpel Micha kann man immer wieder erstaunt und amüsiert zugleich sein. Er war sich seiner Sache ziemlich sicher, dass wir zumindest noch den Ausgleich erzielen würden. Man hoffte es, selbstverständlich hoffte man es mit jeder Faser des Herzens – nach langen 73 Minuten wurde es wahr, das Stadion bejubelte den 1:1-Ausgleich.

Doch steckst du einmal unten drin und leistest dir auch nur eine Sekunde der Unaufmerksamkeit, kann das eiskalt bestraft werden. So überschwänglich die Freude über das 1:1 auch war, so markerschütternd und schockieren folgte nur wenige Minuten darauf der tödliche Messerstoß ins Herz: ausgerechnet Kevin Kuranyi, lange Zeit Stuttgarter Spieler, stellte den alten Torabstand wieder her.

Und erneut setzte die Massenwanderung ein. Viele werden vermutlich noch an den Ausgängen gelauert haben, denn es gab dann doch noch eine Szene, von der jeder, der zusah, hoffte, es würde gelingen: Quasi mit dem Abpfiff brach erneut der kollektive Jubel aus. Doch, um es mit den Worten eines bekannte Werbespots zu sagen: Dauerkarte: 270 Euro. Fahrtkosten: 40 Euro. Bier: 2,50 Euro. Wurst: 2 Euro. Merken, dass der erlösende Ausgleich abgepfiffen wurde: Unbezahlbar.

“Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß” – das weiß jeder Fußballfan, dessen Verein über eine Phase hinweg keine Ergebnisse geliefert hat. Mit hängendem Kopf verließ ich wieder das Stadion, was mir derzeit mehr Schmerz als Freude bereitet. Doch die Hoffnung auf bessere Zeiten, sie lebt in mir weiter.

Vor dem am Stadion befindlichen Fanshop wurde ich von meiner Übernachtungsmöglichkeit eingesammelt und im U-Bahn-Gespräch nach nur 5 Minuten als waschechte Sächsin entlarvt, am Abend statte man einer Fankneipe noch einen Besuch ab. Ich schlief ein, irgendwo zwischen grenzenloser Erschöpfung und der Angst, im Traum die letzten Wochen noch einmal durchleben zu müssen.

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