Sie kann elendig lang werden, und je mehr man mit Leidenschaft für diese Sache lebt, desto länger und länger kommt sie einem vor: die Sommerpause. Jedes Jahr aufs Neue tritt sie auf den Plan, wir können sie nicht aufhalten und das Füllen des Sommerlochs ist auch nicht immer das, was man gerne hören, sehen und lesen möchte. Nach (zu) vielen Wochen fußballfreier Zeit konnte sie aber endlich beginnen, die Bundesligasaison 2009/2010. Meine offiziell erste Saison als Dauerkartenbesitzerin des VfB Stuttgart 1893 e.V. – allein das geht schon runter wie Öl.

Noch bevor ich das erste Mal voller Stolz die eigene Dauerkarte an den Scanner der Mercedes-Benz Arena in Stuttgart halten konnte, sollte mich mein Weg zunächst an einen weniger geliebten Ort führen: Auswärtsspiel in Wolfsburg zum Bundesliga-Auftakt, eines von 3 Paarungen die ich flehentlich nicht als Auftaktspiel wollte – aber auf mich hört ja keiner.

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Den Weg nach Wolfsburg kenne ich mittlerweile schon ganz gut. Theoretisch gesehen kommt man über die A14 bis Magdeburg und fährt dann auf die A2 bis man nach knapp 2 Stunden Fahrt an der Volkswagen Arena in Wolfsburg ankommt. Praktisch gesehen fährt man mit zittrigen Knien hin und hofft, man möge nicht wieder abgeschlachtet werden wie die letzten beiden Male im Mai und November 2008.

Ungeachtet dessen, was einen wohlmöglich erwartet, fährt man frohen Mutes hin und stellt sich der Herausforderung. Das Spiel sollte in 181 Ländern der Erde live übertragen werden, ausverkauftes Stadion, das erste Bundesligaspiel nach der Sommerpause, die beste Mannschaft der letzten Saison empfängt die drittbeste Mannschaft, Meister 2009 trifft auf den Meister 2007, der VfB-Ex-Trainer stellt sich dem Duell mit seiner Ex-Mannschaft, es sprach viel für einen heißen Fußballabend.

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Umso nervöser wurde ich, als sich ein Stau bemerkbar machte und wir später als erwartet am Stadion ankamen. Noch in der Warteschlange am Gästeblock traf ich Pascal wieder, den ich einst bei einem Mannschaftstraining in Stuttgart kennengelernt hatte, wir hatten uns verabredet für dieses Spiel, und bei der wenigen Zeit, die noch bis zum Anpfiff blieb, war ich froh über jede Minute, die man noch schwatzen konnte, und das sind wahrlich nicht viele Minuten gewesen.

Nicht nur der Weg nach Wolfsburg, auch der Weg zu meinem Platz war mir nicht neu, schon beim Auswärtsspiel im November nannte ich eine Stehplatzkarte für Block 29 im Gästebereich mein eigen. Auch wenn ich wusste, dass der Stimmungskern der mitgereisten VfB-Fans diesmal woanders sein würde, ich entschied mich aus finanziellen Gründen für eine Investition von “nur” 15 Euro. Hauptsache dabei, oder?

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Kaum war ich Treppenstufen hochgestiegen, bekam ich bereits einen Schreck: Block 29 war schon pickepacke voll, keine Chance mehr, hinein zu kommen. Um überhaupt etwas zu sehen, stellte ich mich hinten auf die letzte Reihe der Stehränge, während die ersten Minuten der traditionellen Eröffnungsfeier von Statten gingen wusste ich sofort: das wird morgen erst richtig weh tun. Die Stimmung des Gästeblocks zu genießen war jedoch das allerwichtigste an diesem Abend – oder das zweitwichtigste, ein gutes Spiel mit entsprechend gutem Ergebnis wären nicht weniger wichtig gewesen.

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Nachdem uns der Unaussprechliche in Richtung München verlassen hat, dachte jeder, wir würden jetzt einbrechen – doch wir haben und im letzten Moment gut verstärkt, haben Alex Hleb nach Hause geholt und den russischen Nationalstürmer Pogrebnyak verpflichtet, zumindest ein sehr guter Anfang. Und siehe da, die erste Halbzeit des Spiels war sensationell, 2 Mannschaften auf Augenhöhe, es war eine Augenweide. Beide Mannschaften schenkten sich nichts, es machte wirklich Spaß, dabei zu sein. So konnte es weiter gehen, das 0:0 zur Halbzeitpause nur eine Momentaufnahme, da waren sich die Fans beider Mannschaften unzweifelhaft sicher.

Es dauerte ganze 71 Minuten, bis gejubelt werden durfte – man mag von Pessimismus und Angst im Voraus halten was man will, aber “Ich habs befürchtet” trifft es wie der Nagel auf den Kopf. Mit einem Sonntags- oder vielmehr Freitagsschuss schlug der Schuss von Wolfsburgs Spielmacher Zvjezdan Misimovic unhaltbar für Jens Lehmann im Gehäuse ein. Und wieder war sie da, die Schockstarre. In diesem Stadion kannte ich sie nur zu gut.

Die Abwehr unseres Vereins für Bewegungsspiele wackelte letztendlich immer mehr, eine schnelle Stabilisierung schien nicht in Sicht. Nur 6 Minuten nach dem Führungstreffer der Wölfe bekam ich nur halb mit, wie einer unserer Spieler in der Nähe des Tores, auf der gegenüberliegenden Seite des Spielfelds lag und nicht wieder aufstehen konnte, bis er nach einigen Minuten mit der Hilfe von 2 Betreuern vom Platz musste. Da wir zu diesem Zeitpunkt schon 3 Mal gewechselt hatten, mussten wir ab ca. der 77. Minute zu zehnt weiterspielen. Christian Träsch blieb nach seiner Verletzung draußen, wie schlimm diese ist, erfuhr ich erst auf dem Heimweg.

Die Wolfsburger Meistermannschaft spielte sich in einen Rausch, wusste, dass sie jetzt nachlegen konnten, bereits in Führung und in Überzahl. Gesagt getan, 4 Minuten später machte der Fußballer des Jahres 2009, Grafite, den Deckel drauf und ließ beim 2:0 für Wolfsburg die Volkswagen Arena beben – eine unsäglich schmerzhafte Geräuschkulisse. Nach dem Abpfiff traf ich noch einen Bekannten vom tooor.de-Forum, plauschte noch kurz und machte mich dann mit meinem Stammfahrer Reinhart auf den 2-stündigen Heimweg, wo mir mein Vater noch währenddessen telefonisch mitteilte, Christian Träsch hätte sich bei seiner Verletzung ernsthaft verletzt, eine gebrochene Hand wird ihn für mehrere Wochen außer Gefecht setzen.

Was bleibt ist – anders als bei meinen ersten und letzten beiden Erfahrungen in der Autostadt – ein halbwegs gutes Gefühl, das Wissen, sich gut geschlagen zu haben und durch einen unhaltbaren Schuss, eine Unterzahl durch Verletzung und letztenendes das Glück des Tüchtigen nicht alles schwarz sehen zu müssen, denn unsere Jungs haben gut gekämpft. Gerade die Neuzugänge Pogrebnyak und Alex Hleb zeigten gute Ansätze und lassen mich bereits jetzt auf die Zeit freuen, wenn beide richtig fit und eingespielt sind.

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