“Der VfB, der VfB, der VfB ist wieder da!” – selten klangen diese Worte so wunderschön in meinen Ohren als am Samstag Nachmittag. Um etwa halb 6 war es überstanden, die Schießbude aus Gladbach wurde von der Angst weiterer Gegentreffer erlöst und die Party in der Untertürkheimer Kurve, die bereits um 15:32 Uhr begonnen hatte, ging nahtlos weiter.

Spiele wie diese zu beschreiben, erfüllt mich mit ganz besonders viel Freude. Am Donnerstag, als der VfB im ersten Gruppenspiel der Europa League gegen Young Boys Bern mit 3:0 gewann, hoffte jeder, es sei nun endlich der Knoten geplatzt, der VfB war ja doch noch in der Lage, ein Spiel zu gewinnen. Nur 41 Stunden später das nächste Bundesliga-Spiel, ob das gut geht?

Es gab keinerlei Grund zur Sorge, kaum war das Spiel angepfiffen durften wir nach nur wenigen Sekunden jubeln, das 1:0 in der 2. Minute, na das nenne ich mal ein echt guten Start in die Partie. Wir sahen weitere hochkarätige Chancen, die allesamt begleitet von einem kollektiven Raunen vergeben wurde. Herrschaftszeiten, warum macht ihr die Hundertprozentigen nicht?

Etwa 20 Minuten nach dem 1:0 köpfte der zuletzt (und auch zurecht) geschundene Georg Niedermeier in schönster Wembley-Manier das 2:0 an die Unterkante der Latte, der Ball schlug hinter der Linie auf, kurzes Warten, ein Blick zu Schieds- und Linienrichter und erst dann brach der Jubel erneut aus. Eine gute Ausgangsposition, Leute! Doch was bringt ein 2:0, wenn man am Ende mit 2:3 verliert? Dass auch diese Sorge unbegründet war, erfuhr ich in der 2. Halbzeit, doch erst einmal Halbzeittreffen mit meinem Schatz.

Nach Wiederanpfiff dauerte es keine 10 Minuten, bis erneut die Tormelodie “Bro Hymn” von Pennywise abgespielt wurde. Wieder war es Pavel Pogrebnyak, unser Russenkampfpanzer. Ja, was ist denn hier los? Ein Katastrophen-Start in der Bundesliga und jetzt auf einmal trifft sogar der Russe? Uns solls recht sein?

Euphorisiert von dem guten Spiel des VfB, und dennoch unwissend, ob es beim 3:0 bleiben würde. Spätestens jetzt dachte ich, dass die Torfabrik für diesen Tag genug hatte, hatte man doch schon 3 Kisten gegen Bern erzielt. Fredi Bobic hatte Recht: der Knoten musste platzen, dann läuft die Sache auch wieder.

Vor wenigen Tagen war die Angst vor weiteren Niederlagen noch allgegenwertig, nicht nur in Cannstatt bei den Treuesten der Treuen, sondern auch darüber hinaus. Wo auch immer Menschen den Brustring auf dem Trikot und im Herzen haben, weder konnte man sich erklären, warum der VfB alle jahre wieder Geduld und Zugeständnisse von seinen leidenschaftlichen Fans einfordert, weder warum es nun Schlag auf Schlag kommt. Nun waren beim Stand von 3:0 alle wieder bester Laune, wie zu unseren schönen Zeiten im Mai.

Offenbar begnügte sich der VfB nicht mit einem 3:0, richtig so, das Torverhältnis könnte bei einer derart schwachen Mannschaft, wie Gladbach es gestern war, doch noch etwas korrigiert werden. Gesagt getan, 6 Minuten später fiel ich den Beutelsbachern erneut um den Hals. Mein Strahlen hätte um den ganzen Kopf herumgehen können, wären die Ohren nicht im Weg gewesen. Pavel Pogrebnyak machte sein bisher bestes Spiel für den VfB und schenkte uns das 4:0. Da brauch sich die Borussia auch gar nicht aufregen, und der Torwart Bailly, der den Ball unachtsam nach vorne hat abklatschen lassen, bekam ruck-zuck und ohne Rückfragen das Tor eingeschenkt.

Es wurde zum wahren Schützenfest, denn beim 4:0 blieb es erfreulicherweise aus VfB-Sicht nicht. Nach einem Frustoul von Dante gegen den eingewechselten Timo Gebhart gab Schiedsrichter einen Freistoß, 20 Meter vom Gladbacher Tor entfernt, der VfB spielte in der 2. Halbzeit in Richtung der Untertürkheimer Kurve. Zdravko Kuzmanovic, der Mann für Freistöße, trat an. Er erzielte letzte Saison aus ähnlicher Entfernung das 2:0 gegen Dortmund (Endstand: 4:1), ähnlich wie dieses Mal galt der VfB damals nach jener Partie als rehabilitiert, der Titel “Der VfB ist wieder da” war damit schon vergeben und ich musste für dieses Spiel neu überlegen.

Da stand er, der Serbe, mit beiden Armen in der Luft, wo er sonst immer nur einen der beiden hebt. Vor ihm postierte sich die Mauer, in den Gesichtern der Gladbacher konnte man auch von der Kurve aus die Angst in den Augen aufblitzen sehen. Nützte alles nichts, clever schoss er den Ball um die Mauer herum und drin war er zum unglaublichen 5:0.

Die Wahrscheinlichkeit weiterer Tore war vorprogrammiert, begünstigt von Gladbacher Auflösungserscheinungen. Nachdem der Ball per Bogenlampe nur knapp am Tor vorbeisegelte, gab es die nächste Ecke für die Roten. Nicht direkt hineingezogen, Timo Gebhart passte von der Eckfahne zurück auf Christian Träsch, der die Flanke vors Tor brauchte. Zum ersten Mal nach Verletzungspause in dieser Saison dabei, unser Kapitän Matthieu Delpierre, kein Gladbacher fühlt sich zuständig, der Franzose geht hoch und köpft aus kurzer Distanz ein – das 6:0.

Spätestens jetzt wurde das Stadion zum Tollhaus. Zur überragenden Vorstellung unserer Jungs kamem auch noch Glück bringende Fangesänge hinzu. “Einer geht noch, einer geht noch rein” funktionierte unmittelbar vor dem 6:0 tatsächlich. Träum ich oder wach ich? Wird gleich der Wecker klingeln um mich aus diesem wunderschönen Traum zu reißen? Das Mitleid für die zahlreich mitgereisten Gladbacher Fans hielt sich allerdings in Grenzen, noch waren ja fast 20 Minuten zu spielen.

Nach dem 3:0 durch Pogrebnyak fielen die Tore alle 2 bis 8 Minuten, man konnte die Uhr danach stellen. So war es naheliegend, dass die Wahrscheinlichkeit eines 7:0 doch recht hoch war. Und weil die Schußbude namens Gladbach immer noch herzlich zum Tore schießen einlud, durfte auch Ciprian Marica mal ran. Nur 7 Minuten nach seiner Einwechslung markierte er nach toller Hereingabe von Jungspund Daniel Didavi Treffer Nummer 7 und stellte damit den bisherigen VfB-Rekord ein. Grund genug für ein kleines Tänzchen mit Zdravko Kuzmanovic. Von unserer Kurve tönte es “Wo ist eure Abwehr?” – zurecht.

Offiziell waren 39.500 Zuschauer im Stadion, inoffiziell plus 11 – Gladbach hatte 11 Stehplatzkarten und durfte dem munteren Scheibenschießen aus nächster Nähe beiwohnen. Es gibt keinen, der über die Höhe dieses deutlichen Sieges nicht erstaunt war. Ein Sieg ist immer etwas schönes, jedoch war alles, was nach dem 3:0 kam, mehr Überraschung als Vorhersehung. Wer hätte das gedacht.

“Nur noch drei!” sangen wir jedoch vergeblich, ein 8. Treffer fiel nicht. Doch wen interessierte das, wenn auf der Anzeigetafel 7:0 steht? Eines muss man den Gladbacher Fans lassen, sie waren an diesem Tag sehr leidensfähig. Bis zum bitteren Ende war der Gästeblock gut gefüllt, wo viele schon nach dem 4:0 gegangen wären. Unterdessen stimmten wir ein fettes “Sieg!” an und veranstalteten feierlich ein U-M-B-A, die Grüße in Richtung Nachbarschaft war natürlich auch wieder inbegriffen.

Video folgt.

Ohne Nachspielzeit endete das Spiel und erlöste die Borussen. In der Untertürkheimer Kurve jedoch, dort war die Party noch voll im Gange. Wer sich eine bessere Sicht auf die Helden dieses historischen Sieges erarbeiten wollte, stieg auf die Sitzschalen, so wie ich auch. Mit tosendem Applaus wurden unsere Jungs gefeiert. DANKE für dieses Spiel.

Spiele wie diese sind einfach perfekt. Ein tolles Gefühl, dass der VfB außerordentlich gut gespielt hat, tolles Wetter und die tollsten Leute der Welt in der tollsten Stadt der Welt. Dies wird zurecht mein neues Zuhause. Nicht nur wegen des Kantersiegs war das Wochenende perfekt, auch wegen der finalen Unterzeichnung meines Mietvertrags. Ich zieh nach Stuttgart, Bad Cannstatt und nicht nach Deeeegerloch!

Weitere Bilder in meiner Fotogalerie.

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