Ein Schelm, wer Hoffnung in sich trägt. Vor gar nicht allzu langer Zeit sangen wir in der Kurve “Der VfB ist wieder da” – um wenige Wochen später erneut die rote Laterne zu übernehmen. Ernüchternde Zeiten für jeden stolzen Brustringträger. Statt Erfolgserlebnisse und Stabilität gibts nur den letzten Tabellenplatz und die nächste Trainerentlassung. Quo vadis, VfB?

Anders als mein überaus geschätzter Blogger-Kollege Marcel vom Brusting-Blog werde ich darauf verzichten, die kürzliche Entlassung von Christian Gross groß zu kommentieren. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte der Vorstand gefeuert werden müss, nicht der Trainer, der zweifelsohne gute Arbeit leistete in seinen 10 Monaten Amtszeit. Aber nach mir gehts ja leider nicht. Doch Augen nach vorne, in der Bundesliga wieder nach oben kommen und in der Europa League die Tabellenführung verteidigen, das galt auch für das Spiel gegen Getafe.

Aufgrund anderweitiger Prioritäten fasse ich mich diesmal leider kürzer als sonst. Als Neu-Cannstatterin beträgt mein Anfahrtsweg zum Stadion 5 Stunden weniger, doch nie war ich so spät vor Ort wie an jenem kühlen Donnerstag Abend. Doch das war eher den Umständen des Umzugs geschuldet.

Optimisten, Pessimisten und Realisten durften sich jeweils ihr eigenes rausziehen. Optimisten glaubten an den in der Europa League bisher ungeschlagenen VfB, Realisten erfreuen sich an allem was keine Niederlage ist und Pessimisten gruben Statistiken aus, das der letzte internationale Sieg gegen eine spanische Mannschaft schon viele Jahrzehnte zurücklag.

Vor nur 17.400 Zuschauern (Negativrekord der letzten Jahre? Ich kenne die genauen Statistiken nicht) sahen wir das, womit wir nach den letzten Wochen nicht gerechnet hatten: ein gutes Spiel unserer Jungs. Hunrige Stürmer, ein engagiertes Mittelfeld und eine stabile Abwehr. Es war das beste Spiel seit unserem Schützenfest gegen Gladbach.

So gefiel es uns natürlich, dass wir in der 29. Minute jubeln durften. Kurzes Innehalten. Abgepfiffen? Nein, es gilt. Also wo sind meine Jungs, ich will euch herzen! Auch wenn der, dem mein Herz gehört, im Oberrang verweilte. Endlich mal wieder eine Führung und die leise Hoffnung auf bessere Zeiten, die wir schon fast vergessen hatten.

Weitere Chancen wurden erarbeitet, doch wurden sie nicht genutzt. Das alte Problem mit der Chancenverwertung, da sage ich euch ja nichts Neues. Mit dem 1:0 gings in die Pause und zum ersten Mal seit langer Zeit sprach ich mit Diana, die ich in jeder Heimspiel-Halbzeitpause treffe, nicht zu allererst darüber, wie blöd das Spiel ist, wie entnervt wir schon jetzt sind. Nein nein, alles Bestens, zumindest im Moment.

So groß die Freude auch über die gute erste Halbzeit war, die Realisten und Pessimisten würden im selben Atemzug sagen, dass sie es haben kommen sehen, dass dieses Niveau der instabile VfB halten könnte. Es wurde ein Gedulds- und Nervenspiel, begleitet vom kollektiven Raunen, auch das kennt man natürlich. Der Ausgleich oder Schlimmeres blieb uns an jenem Tag glücklicherweise erspart und bescherte uns ein lang ersehntes Erfolgserlebnis.

Bevor meine Körpertemperatur unter den Erträglichkeitswert fiel, machten wir uns nach Abpfiff auf dem Weg nach Hause. Das erste Mal direkt nach dem Stadionbesuch nach Hause und dort schlafen, für diesen Wunsch habe ich große Anstrengungen auf mich genommen habe.

Nun genieße ich die Zeit, in der ich einen so kurzen Weg zum Neckarstadion habe. Dort, wo ich unglaubliche Freude und unsäglichen Schmerz kennengelernt habe, wo ich kalte Nächte und heiße Sommernachmittage verbracht habe, und wo ich jeden Typ Mensch kennengelernt habe: die Optimisten, die nun fest an einen Sieg am Sonntag gegen St. Pauli glauben, die Realisiten, die sich darauf verlassen, dass der VfB eine obligatorisch schlechte Hinrunde spielt, den Trainer entlässt und in der Rückrunde wieder zu den internationalen Plätzen aufschließt und natürlich auch die Pessimisten, die bereits jegliche Hoffnung verloren haben. Ich persönlich stehe gerade irgendwo zwischen Optimist und Realist.

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