Die Halsschmerzen sind geblieben. Einige Tage sind schon vergangen seit dem 1. Pokalspiel in Wiesbaden, wo der VfB am Freitag zu Gast war. Entweder, ich werde alt, oder es ist ganz normal, dass man nach der Sommerpause nicht von 0 auf 100 gehen kann, ohne die Konsequenzen zu spüren zu bekommen. Spaß hats gemacht, es war erfolgreich, doch noch steht viel Arbeit vor uns.

Endlich mal ein Auswärtsspiel, das kein Aufstehen in aller Herrgottsfrühe erfordert hat. Das frühe Aufstehen war für diverse häusliche Verpflichtungen eher der mehr oder weniger freiwilligen Art, bevor wir gegen Mittag in Richtung Weinstadt-Beutelsbach starteten, von wo wir mit Gerd, einem gemeinsamen Freund von unserem VfB-Fanclub Boys in Red, seiner Frau Ingrid sowie René und Andi und natürlich meinem Schatz Felix starten wollten.

Schnell noch die druckfrischen Fanclub-Polos und die neuen Schals eingepackt, dann ging es auch schon los ins 160 Kilometer entfernte Wiesbaden. Unser Weg führte uns zunächst ins benachbarte Mainz, wo wir Andi abladeten, der sich dort mit hessischen Freunden treffen wollte, bevor er zum Spiel in die BRITA-Arena kommt. Binnen weniger Minuten fuhren wir von einer Landeshauptstadt (Mainz, Rheinland-Pfalz) in die nächste (Wiesbaden, Hessen).

Noch hatten wir genug Zeit bis zum Anpfiff um 20:30 Uhr, das war auch gut so, denn ich hatte noch einen Weg zu erledigen. Mit meiner neuen Kamera durfte ich theoretisch nicht ins Stadion, dennoch hatte ich die Hoffnung, eine Sondergenehmigung zu erhalten, wenn ich dort persönlich beim Sicherheitsdienst und den leitenden Veranstaltern vorspreche und mein Anliegen vortrage. Sie wollten helfen, konnten aber nicht.

Der ernüchternde, aber nachvollziehbare Grund: der DFB säße bei Pokalspielen immer oben drin, da gehen die Chancen auf Kamerazulassungen ohne Presseausweise und Akkreditierungen gegen Null. Leicht geknickt nahm ich das zur Kenntnis, meine kleine Kompaktkamera begleitete mich später ins Stadion.

Für die verbleibenden Stunden liefen wir in Richtung Innenstadt, wo wir es uns auf der Terrasse gegenüber des hessischen Landtags bequem machten und es uns mit Speis und Trank gut gingen ließen. Das Wetter war durchaus durchwachsen, pralle Sonne, kalter Wind und schwacher Nieselregen wechselten sich ab an diesem Tag.

Zurück zum Stadion, das 2007 gebaut wurde und Platz für 12.566 Besucher bietet, davon heute 2.100 von nah und fern mitgereiste VfB-Fans. Schweren Herzens ließ ich die Kamera zurück und begab mich ins Stadion, welches mit den engen Blöcken nah am Spielfeld eine nicht unattraktive Atmosphäre bot.

Endlich wieder im Kreise der Zweitfamilie, endlich wieder Fußball, endlich wieder unterwegs sein. Viele bekannte Gesichter, viele neue Gesichter, fühlte ich mich doch sichtlich wohl im Gästeblock. Nach langer Abstinenz betraten beide Mannschaften das Feld und sollten uns einen spannenden Abend bereiten, welcher sich zu unserem Gunsten entscheiden sollte.

So schnell konnte man kaum schauen, dennoch hat sich keiner der 2.100 VfBler beschwert. Nach 5 Minuten bereits das 1:0 durch den Abstauber von Ermin Bicakcic, der sich noch in der 1. Halbzeit leider einen Innenbandriss zuzog und ausgewechselt werden musste. Die frühe Führung, das richtige Vorzeichen , so wollten wir es gerne sehen.

Dass es dennoch zur Geduldsprobe wurde, war uns schnell bewusst geworden. Wehen Wiesbaden wurde stärker, im Gegenzug wurde viel gefoult und aus unserer Sichtweise viel Unrechtes gepfiffen. So auch der Elfmeter für die Gastgeber, der in der 28. Minute zum Ausgleich führte und uns wieder zittern ließ. Typisch für den VfB, der sich alle Jahre wieder im Pokal gerade gegen die Kleinen sehr sehr schwer tut.

Ablenken von der prekären Lage konnte man sich bestens mit dem hämischen Gesang \”Da steht ein Arschloch im Tor\” (zur Melodie von \”Da steht ein Pferd auf dem Flur\”). Mit diesem Unentschieden ging es in die Pause, Kraft tanken, für das, was noch folgen würde.

Platz zum kurz Hinsetzen und Verschnaufen? Fehlanzeige! Dicht gepresst an den Metallzaun, der die Gästeblöcke S17 und S18 unsinnigerweise trennte. In der zweiten Halbzeit waren gerade 6 Minuten gespielt, als wir wieder jubeln durften. Nach dem Ausgleich durch Zlatko (Janjic) folgte nun der Treffer von Zdravko (Kuzmanovic), wunderschön mit dem Kopf. Ein Dampfhammer zur rechten Zeit.

Es sollte das letzte Tor in diesem Spiel sein. Nur hat uns dann natürlich keiner gesagt. Bis zum Schluss mussten wir nun zittern, auf das 3:1 für den VfB hoffend, auf den 2:2-Ausgleich vorbereitet, denn man suhlte sich in Selbstzufriedenheit und ließ Wiesbaden kommen. So nah, dass man sich nicht hätte beschweren dürfen, wenn es wieder Unentschieden gestanden hätte.

Glücklicherweise blieb es uns erspart, nach 3 Minuten Nachspielzeit pfiff der Schiedsrichter ab und sorgte für mehr Erleichterung als Begeisterung bei unseren Fans. Das hätte auch ins Auge gehen können, das wissen wir selbst. Der Underdog hatte hier im Vergleich zu anderen Pokalspielen mit Beteilung eines Bundesligisten nicht das Sagen. Auf geht’s in die 2. Runde!

Dass Fußballfans neben allem Ehrgeiz und Abneigung dem Gegner gegenüber in erster Linie leidenschaftliche Menschen mit Herz sind, zeigte sich auch nach dem Spiel, als einer der Wehener Spieler seinen geschätzt 2 Jahre jungen Sohnemann im Wiesbaden-Trikot aufs Feld holte und ihn den Ball ins Tor vor dem Gästeblock kicken ließ. Mit seinen kleinen tapsigen Schritten wurde unser Applaus immer größer, der laute Jubel als der kleine Mann den Ball versenkte war ein absolut goldiger und warmherziger Moment, der mit Schmunzeln im Gedächtnis haften bleiben wird.

Einige Minuten vergingen, bis wir uns wieder auf den Weg nach Hause machten. Die Stimme war weg, die neuen Polos dreckig, die Schmerzen in den Beinen groß und der Bauch war leer. Den Bauch füllte man mit einem Tankstellen-Sandwich, die Stimme behandelte man mit einem milden Kaugummi und die Schmerzen schaltete man weitgehend aus mit dem Gedanken, dass es so sein muss, wenn mans richtig macht. Ankunft daheim in Cannstatt: 01:45 Uhr. Schnell noch ins Bad, dann kraftlos ins Bett gesunken.

Nach 10 Stunden Schlaf war ich wieder vollständig hergestellt (bis auf die Halsschmerzen, die mich derzeit noch ein wenig belasten) und kann mich nun freuen auf die eigentliche Saisoneröffnung am kommenden Samstag, wenn wir nach einem Jahr Abwesenheit wieder in die geliebte Cannstatter Kurve zurückkehren und ihr neues Leben einhauchen. Jenes Leben, dass einem die Kurve im Gegenzug ebenfalls einhauchen kann.

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