Sondern nach vorne. Es war eine einzige spielentscheidene Szene, ein Fehler, der so einem Torwart nicht passieren darf. Am Ende sorgte er für die Niederlage. Lieber Sven Ulreich, das nächste Mal lass den Ball bitte nicht nach vorne abklatschen, wo Gegenspieler auf den Abstauber lauern, sondern woanders hin. Der Frust sitzt tief nach dem Spiel gegen Leverkusen. Doch der Torwart war nicht der einzige, der nicht das tat, was er eigentlich tun sollte. Auch dem Rest der Mannschaft schien es am Samstag Nachmittag zu warm zu sein.

Ich sah am Sonntag Morgen in den Spiegel und stellte fest, das die Sonne wohl stärker war, als ich sie eingeschätzt hatte. Der Sonnenbrand war nur eine unerfreuliche Tatsache an diesem gebrauchten Tag, auf den ich weniger gern zurückblicke als auf die Stadioneröffnung gegen Schalke \” was war unsere Welt da noch in Ordnung. Dass wir früher oder später wieder auf dem Boden der Tatsachen landen und ein Spiel verlieren würden, war unbestreitbar. Dass es immer wieder Leverkusen sein musste, war unnötig wie ein Kropf.

Uneingecremt liefen wir los, um uns mit den Leuten vom Fanclub am Cannstatter Bahnhof zu treffen. Eine Plastiktüte dabei, um noch 2 weitere neue Fanclub-Polos und 3 Schals austeilen zu können. Kurz vor knapp fanden wir Anschluss an unsere Leute, ein weiteres Mal die heilige Strecke zum Stadion. Unterwegs traf ich noch Andi, den ich die gesamte letzte Saison nicht einmal getroffen habe. Dass ich mich ausgerechnet in Cannstatt wohntechnisch niedergelassen und in Sindelfingen zu Lohn und Brot gekommen war, wusste er bis dato nur aus groben Erzählungen gemeinsamer Bekannter und Freunde.

Lediglich vor dem Spiel gab es großen Grund zur Freude \” die neue Ausgabe vom “StoCCarda” war erschienen, dem Saisonheft des Commando Cannstatt mit Spielberichten, Artikeln und Kommentaren \” und natürlich vielen Fotos, darunter auch einige von mir. Ein bisschen stolz war ich da schon. Es hätte so ein schöner Tag werden können, doch leider war uns das nicht gegönnt. Die erste Halbzeit verbrachten wir ganz unten in den ersten Reihen.

Die Mannschaftsaufstellung bleibt in Erinnerung. Nicht wegen den Spielern der Startelf, in diesem Moment entdeckte ich, dass der Verschluss meiner kleinen Digitalkamera beim Ausschalten der Kamera nicht mehr ganz schließt. Nachdem sich Mitte Juni schon die Kamera dazu entschieden hat, nicht immer dann zu blitzen, wenn ich das wünsche, nun auch noch das. Letztendliche Konsequenz: eine neue kleine Kamera muss her, die mit ins Stadion darf. Fast 6 Jahre lang hat sie tapfer gehoben, ihr Aufgeben kommt mich nach der neuen Canon EOS 500d noch teurer zu stehen, als ich wollte. Eigentlich sollte sie noch eine Saison als Stadion-Kamera herhalten.

Mit der Erkenntnis, dass es Dinge gibt, die ich nicht verhindern kann und dass es normal ist, dass jedes technische Gerät im Laufe der Jahre irgendwann mal den Geist aufgibt, konnte ich mich wieder dem Spiel widmen. Ausverkauft war das Stadion nicht, 53.000 Zuschauer waren gekommen, mehr als angenommen bei einem Spiel gegen die unsympathische Werkself aus Leverkusen. Minuten nach dem Anpfiff schoben sich immer weitere Leute in die Stehblöcke der Cannstatter Kurve, schnell konnte man eine Treppe zum Ausgang nicht mehr ausmachen.

Welch eiskalter Schauer. Unsäglich schlecht begannen die ersten Minuten, die einen schnell daran erinnerten, weswegen der Nichtabstieg in der vergangenen Saison nur knapp geschafft wurde. Mit fortschreitender Spielzeit verflüchtigte sich das Gefühl, dass dies die Startschwierigkeiten sind, mit denen viele Mannschaften in den ersten Minuten zu kämpfen haben, es ist ja nun auch nicht so, als kenne man das vom VfB nicht. Doch das hier waren keine Startschwierigkeiten. Das, nunja, das war richtig schlecht.

Kaum hatte ein VfB-Spieler den Ball, war er auch schon wieder weg. Flanken und Torschüsse kamen zu ungenau, unverwertbar für alle, die auf ein gutes Zuspiel gehofft hatten, es war schon in der 1. Halbzeit wahrlich zum Haare raufen. Es passte ins Bild, dass auch der in den vergangenen 6 Monaten so starke Keeper Sven Ulreich nicht ganz bei der Sache schien. Ein Distanzschuss aus dem Mittelfeld, das Abklatschen des Balles konnte man deutlich hören, doch er klatsche wie eingangs beschrieben nach vorne ab, wo Stefan Kießling den Ball nur noch abstauben und den VfB mitten ins Herz zu treffen brauchte.

Besonders clever stellten sich unsere Jungs aber auch nicht an, den Rückstand aus der 28. Minute wieder wett zu machen. Als würden sie unter der Sonne ächzen, brachten sie nur wenig Schönes zu stande, Ballbehauptungen und angekommene Pässe wurden schon mit Szenenapplaus bedacht, bevor über den darauffolgenden Ballverlust wieder lautstark gebruddelt wurde. Bruddelnd ging es die Halbzeitpause, unausgesprochen mit der Hoffnung auf Besserung. Und die musste dringendst her, wollten wir das Spiel nicht völlig herschenken und am Ende zumindest ein Unentschieden geholt haben.

So schön das neue Stadion auch ist und die Tatsache ebenfalls im Blick ist, dass ein Stehblock eng und voller Menschen sein muss, so ist es dennoch eine Zumutung. Auch die Ordner sind machtlos, die Treppen sind voller Menschen, die sich zur Halbzeitpause teilweise keinen Millimeter vom Platz bewegen um jene, die rauswollen, durchzulassen. Nicht einmal im alten Stadion war das so ausgeprägt. Die Durchsage (ich weiß nicht mehr, ob sie in der 1. oder 2. Halbzeit kam), die Fans mögen bitte nach unten durchgehen um die Leute in den Block zu lassen, war unvermeidlich. Waren es erste Zeichen der Überfüllung der Blöcke und des Versagens der Ordner? Was tun bei einer Panik?

Die zweite Halbzeit verbrachten wir etwas weiter oben im Block, da die Position um Fotos zu machen, zwar in Richtung Spielfeld gut war, in Richtung des Fanblocks allerdings nicht. Würde ich wieder Fotos für die nächste Ausgabe vom StoCCarda liefern wollen, müsse ich dort hin gehen, wo ich zumindest fotografieren kann. Fündig wurden wir bei Bekannten von uns, die Sicht war auch dort nicht perfekt, aber immerhin besser als ganz unten. Dass das Spiel besser wurde, konnte man aber leider nicht unbedingt sagen.

Während die Cannstatter Kurve nichts unversucht ließ, um die Mannschaft zu unterstützen und die Stimmung auf Untertürkheimer Kurve und Haupt- und Gegentribüne zu übertragen \” es half nicht viel. Das Spiel wurde zum Ende hin ein wenig besser, wir alle waren schon bereit, unsere Arme in die Luft zu strecken und zu jubeln, aber der Ball war nicht drin. Millimeter hatten gefehlt. Kurz darauf noch ein paar mehr oder weniger große Torchancen, es sollte aber nicht sein. “Dank” des Fehlers von Sven Ulreich und die an diesem Tag nicht zu sehende Fähigkeit unserer Stürmer, Tore zu schießen.

An diesem Tag standen 2 VfB-Keeper im Tor. Nur 10 Tage zuvor lieh sich Leverkusen unseren Drittliga-Keeper Bernd Leno aus, da sich René Adler so schwer verletzt hatte, dass er in der Hinrunde nicht spielen könne. Schlimm genug, dass sie sich bei uns bedienen müssen, doch unsere Befürchtungen wurden bestätigt. Denn Bernd Leno ist nicht der, den man beim Begriff “Drittliga-Keeper” erwarten würde. Ruhig und abgeklärt, als hätte er niemals etwas anderes gemacht.

In der Winterpause soll er zurückkommen \” da er sich aber Gerüchten zufolge bei seiner vorzeitigen Vertragsverlängerung vor einem Jahr eine “Nummer-1-Klausel” für 2010 in den Vertrag hat schreiben lassen, der ihn aus dem Vertrag automatisch auslösen könnte, wenn er nicht Stammkeeper in der 1. Liga ist. Liest sich wie früh gereiftes Söldnertum, es darf abgewartet werden, was mit ihm passiert. Fakt ist, dass das Spiel zur falschen Zeit kam. Aber wer würde das nach einer Niederlage nicht behaupten wollen.

Das wars dann wieder, mit der Chance, sich nach dem 1. Spieltag die Tabellenführung wieder zu holen. Mit einem Unentschieden wäre ich zufrieden gewesen \” wer nicht? Ursachen für das kollektive Versagen zu finden ist nicht einfach, hat man gegen Schalke und Gladbach doch durchaus zu überzeugen gewusst. War es vielleicht die Hitze, die den Akteuren das Leben schwer machte? Wohl kaum, denn Leverkusen, die inklusive dem einzigen Tor der Partie erst 2 Tore in dieser Saison geschossen haben, rannten als gäbe es kein Morgen. Ausgebranntheit kann es auch nicht gewesen sein, höchsten Sonnenbrand. So oder so, es nützt alles nichts. Stuttgart Null, Leverkusen Eins.

Das durfte eigentlich nicht passieren. Was wollte man aber schon groß erwarten, nach so wenigen Spielen, die die neue Saison gerade erst alt ist? Dass wir innerhalb weniger Monate das Fußballspielen neu erlernen würden, nachdem uns weitere Spieler verlassen haben und wir aufs Neue unsere Stammelf finden und fördern müssen? Es ist der Stolz und der Trotz, der einem inne wohnt. Die Mannschaft hat gefälligst ihre Spiele zu gewinnen, oder?

Oder anders gefragt: ist Frustration wirklich so schwer zu verstehen? Wissen wir doch selbst, wie schnell man unten drin steht, wenn man ein paar Spiele hintereinander verliert. In der vergangenen Saison behielt ich meine Ruhe bemerkenswert lange in die Hinrunde hinein, als der VfB ein Spiel nach dem anderen verlor und sich sehr schnell am Ende der Tabelle wiederfand. “Typische VfB-Hinrunde, in der Rückrunde kommen sie wieder und rollen das Feld von hinten auf”. Wir wissen alle noch, wie knapp es am Ende wirklich war, wie viele Nerven wir gelassen hatten und bittere Niederlagen trostlos herunterschlucken mussten. Nie wieder eine solche Saison!

Zurück nach Hause, Wunden lecken. Ein Ausblick sei gewagt auf die nächsten Spiele auswärts (A) und daheim (H): Berlin (A), Hannover (H), Freiburg (A), Hamburg (H) und Kaiserslautern (A) \” es gibt durchaus dankbarere Spiele. Es ist mittlerweile Sonntag Abend, im letzten Sonntagsspiel trennten sich Berlin und Hannover mit 1:1 \” auch da scheint man auf der Suche nach der Position zu sein. Nochmal denke ich genau darüber nach, ob Frust am 3. Spieltag und Panikmache nicht übertrieben sind. Ich kann es nichtmal genau sagen. Man ist vorsichtig geworden.

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