“Deb Dab Deb Dadadadadab” skandierte der Gästeblock. Als Spielberichtstitel weniger vorteilhaft klang die Musik am Samstag Nachmittag in unseren Ohren, mit breitem Lachen im Gesicht hatten wir nicht nur einen neuen Ohrwurm, sondern auch 3 Punkte obendrein. Eine rundum gelungene Auswärtsfahrt, bei der es an (fast) nichts mangelte. An solche Tage denke ich stets gerne zurück.

Eine Reaktion war gefragt nach dem Debakel gegen Hannover, in dem wir uns sicher wähnten und am Ende bitter enttäuscht wurden. Die Borussen aus Mönchengladbach würden garantiert nicht einfacher werden. Unterm Strich wars kein schönes Spiel und am Ende das Glück auf unserer Seite, doch spielt es ja ohnehin keine Rolle, wie, wo und wie schön oder eben dreckig die Punkte zu Stande gekommen sind.

Mit einem Lächeln schaue ich zurück auf den gestrigen Tag, der für mich früher begann, als nötig gewesen wäre. Den Bericht zum letzten Spiel gegen Hannover sparte ich mir leider auf für die letzten Stunden vor dem Aufbruch nach Gladbach. In letzter Minute ging dieser Online, bevor ich mich völlig gestresst fertig machte für die Auswärtsfahrt. Kurz vor um 8 Uhr machten wir uns auf den Weg nach Weinstadt-Beutelsbach, wo die Tour erst richtig beginnen sollte.

Kaffee, Kuchen und Stinkefinger

Beladen mit allem, was man für eine Auswärtsfahrt zu Siebt halt so braucht \” Vesper, Getränke, festes Schuhwerk, Bauchtäschle und Laptop für die Bildbearbeitung nach dem Spiel \” bestiegen wir den Van, legten die Gurte an und fuhren los, erstmal in Richtung Marbach, wo wir den 7. Mitfahrer vom Parkplatz an der Autobahn abholten.

Die Reisegruppe war komplett, es ging direkt auf die Autobahn in Richtung Nord-West, die Vorfreude war groß, die Aufregung aber auch. Es würde meine Premiere in Gladbach sein, neben Dortmund, Fürth und Schalke eines der letzten noch fehlenden Bundesliga-Stadien. Relativ schnell fielen dann auch meine Augen zu, wach wurde ich erst bei der ersten Pause. Über den Ort der Pause darf man zurecht den Kopf schütteln.

Erstmal ein Beweisfoto: den Stinkefinger von mir gestreckt, abgedrückt. Der gewählte Ort für die Pause war ausgerechnet das Hoffenheimer Stadion. Kein Rasthof, kein Parkplatz, nein, das Hoffenheimer Stadion. Der Fahrer macht es wohl schon seit einiger Zeit ganz gerne, wenn genug Zeitpuffer da ist. Wir tranken Kaffee aus VfB-Tassen und aßen selbstgebackenen Kuchen, das machte die Tatsache wieder wett, das wir hier beim verhassten Kommerzklub waren.

Von Sinterklaas und holländischen Traditionen

Unterwegs wurden wir gerade von einer Lehrerein unterrichtet, was es mit holländischen Weihnachtstraditionen auf sich hat, beginnend mit dem Unterschied zwischen Santa Klaus und Nikolaus. Klingt komisch, ist aber so. Auf das Thema waren wir gekommen, das unweit von Gladbach auf holländischer Seite an jenem Tag der Sinterklaas ankommen würde. Die Aussage “Auswärtsreisen sind ein Stück auf immer Bildungsreisen” brachte mich selbstredend zum Lachen.

Mit Musik in den Ohren mummelte ich mich in die rote Fleecedecke ein und schloss erneut die Augen, während das Wetter schlechte wurde. Als ich die Augen wieder öffente, waren wir umhüllt von dichtem Nebel, nur wenige Meter weit konnte man in die Ferne blicken. Etwa auf Höhe Hunsrück durfte man zurecht Sorge haben, das Wetter würde schlecht bleiben an diesem Tag \” glücklicherweise war dem nicht so.

Die Wolken brachen auf und schickten uns auf den letzten paar Kilometern warme Sonnenstrahlen hinab. Noch eine letzte Rast und ein unerwartetes Wiedersehen, es war schon fast geschafft. In der Ferne erkannte man schon das Dach des Borussiaparks, das Parkleitsystem brachte und schließlich zum 5 Euro teuren Parkplatz. Es war soweit, wir waren da, und bevor wir losliefen, zogen wir uns noch um. Dabei beobachten hätte man uns nicht dürfen.

Mit vier Jacken gegen die Kälte

Ich friere leicht, ich friere schnell. Turnschuhe aus, Kniestrümpfe an, Halbstiefel an, so würde es zumindest untenrum nicht kalt werden. Wirklich sicher war ich mir auch nicht, ob 3 Jacken ausreichen würden. T-Shirt, Strickjacke, Halstuch, Kapuzenpulli, Fleecepulli, noch die Jacke drüber und den Schal um den Hals gewickelt. “Schaaatz, findest du, dass ich dick aussehe?” – warm eingepackt und bereit für ein weiteres Spiel.

Nur noch wenige Schritte voller Herzklopfen, am Gästeblock ging es auch gleich rein. Für den kleinen Hunger gabs noch eine Currywurst (Kalorien, die man nicht zählt, existieren auch nicht!) und ein Wiedersehen mit Marco, dem ich nach meiner verlorenen Wette vom Frankfurt-Spiel noch einen Kaffee schulde. “Wenn du gehofft hast, wir gewinnen hier oder holen hier einen Punkt \” vergiss es!”. Panik! Wenn er schon gegen Frankfurt völlig Recht hatte…?! Nein, darüber will ich jetzt lieber nicht nachdenken.

Ich nahm noch Monja in meine Obhut, die Freundin von Fotografen-Kollegen Markus alias Stuttgartsupporter, wir Mädels verbrachten das Spiel gemeinsam. Noch ein paar Treppenstufen, schon standen wir mittendrin, unsere Plätze nahmen wir etwas weiter oben ein und korrigierten das dann relativ schnell ein paar Meter nach unten. Felix ging mal wieder stiften, er war das Spiel über weit oben unter dem Dach, das grünes Neonlicht ausstrahlte und bei seinen Fotos den einen oder anderen Hulk zu Tage förderte.

Ein ruheloser Geist

Nach und nach füllte sich alles, selbst der junge Mann, der mich einst in Nürnberg auf meinen Blog ansprach und zuvor bei der Rast schon wieder, war wieder zugegen \” ich bin mir sicher, der Namenlose wird es lesen, an der Stelle also erneut viele Grüßle. Auf der Gladbacher Nordkurve waren noch etliche Flecken frei, noch gut 1 Stunde dauerte es bis zum Anpfiff. Ich schaute mich um, immer wieder lustig, hunderte von Kilometern entfernt immer wieder die Selben zu sehen \” darunter auch die beiden Heilbronner, die in Hamburg neben mir standen.

Die Zeit flog, der Puls raste schon. Um den Anschluss nicht zu verlieren und sich vor allem das Selbstvertrauen zurück zu holen, war es ungeheuer wichtig, hier zu punkten. Schiedsrichter Michael Weiner führte die Mannschaften aufs Feld, Gladbach in weißen Trikots, den VfB im schwarzen Auswärtsdress. Die Kamera war bereit, frisch aufgeladene Batterien samt Ersatz, eine leere Speicherkarte und genug Luft in den Lungen, um die Jungs zum Sieg zu schreien.

Schnell noch der Mannschaftskreis zum Einschwören und hinein in das Spiel, das uns am Ende als einen glücklichen, aber nicht unverdienten Sieger dastehen lässt. Aus den Lautsprechern dröhnte die Vereinshymne, ich persönlich kenne sie nur in der Anti-Variante, welche davon handelt, Steine auf die Elf vom Niederrhein zu werfen. Das gehört sich natürlich nicht, ein gesundes Maß an Fanrivalität ist jedoch durchaus normal.

Ein kurzer Moment der Stille

Der Gästeblock setzte sich in Bewegung, “Einhaken!” plärrte es durch eines der Megaphone, Arm in Arm standen wir auf den Betonstufen und hüpften auf und ab, aus mindestens 2.000 Kehlen sangen wir für unsere Mannschaft. Wie schnell wir verstummen würden, hatte keiner geahnt. Nach einer von Sven Ulreich leicht zu entschärfenden Chance vom Gladbacher Patrick Herrmann war wieder die Borussia vom Neiderrhein im Angriff.

Unser Kapitän, der kurzfristig nach Muskelproblemen doch spielen konnte, köpfte eine Flanke aus dem Strafraum, genau vor die Füße von Martin Stranzl, der von 2004 bis 2006 selbst beim VfB spielte. Verdeckt von etlichen Spielern sah Ulle das Unheil nicht kommen, das ganz knapp ins Netz kullerte und nach gerade einmal 7 Minuten für Begeisterung beim heimischen Anhang sorgte. Tiefe Sorgenfalten beim aus Stuttgart hinterhergereisten Anhang. Würde Marco am Ende Recht behalten?

Ich schaute mich um, schüttelnde Köpfe, fahle Gesichter, die ersten sahen mir schon so aus, als hätten sie schon jetzt keine Lust mehr. Und wenn wir ehrlich sind: wer kann es Ihnen verdenken? Gegen Hannover kassierten wir innerhalb von einer Viertelstunde 4 Gegentreffer und verloren das Spiel so deutlich, wie wir es schon als gewonnen erachtet hatten. Aus den Boxen dröhnte es, “Maria (I like it loud)” von Scooter. Sekunden der Schockstarre. Für mehr war keine Zeit.

Die Quittung kommt sofort

Der eine österreichische Martin machts auf der einen Seite, der andere österreichische Martin auf der anderen Seite: die Antwort kam postwendend. Nur 80 Sekunden später erreichte eine Flanke von Cristian Molinaro den Kopf unseres Ösis, der nur noch einnicken brauchte. Zuerst verdutzte Blick, ich wusste gar nicht, was ich machen soll. Mein Blick zum Linienrichter, nichts, mein Blick zum Schiedsrichter Michael Weiner, der zeigte auf den Anstoßpunkt. Tor? What the fuck geht hier ab?

Äh, ja, geil, würd ich sagen! Bierbecher flogen, ob vor Freude von VfBlern geworfen oder vor Wut aus dem mit einigen Gladbacher Fans besetzten Oberrang, ist nicht übermittelt. Der schnelle Ausgleich wie aus dem Nichts, als die Gladbacher sich nach ihrem Torjubel noch nicht einmal wieder auf ihre Sitzschalen gesetzt hatten.

Wir wissen selbst, wie es sein kann, wenn man binnen kurzer Zeit den Ausgleich kassiert. Unser Mitleid hält sich dennoch in Grenzen, wie ihr euch sicher denken könnt. Beste Stimmung im Gästeblock, es war eine Erleichterung, sich nicht eine längere Zeit mit dem Blick auf die Anzeigetafel fragen zu müssen, was man in seinem Leben wohl Schlimmes verbrochen haben muss, dass einen der eigene Verein so strafen muss. Zumindest überspitzt gesagt, mein Hang zur Dramatik dürfte heutzutage weitreichend bekannt sein unter meinen lesern.

Ein Spiel auf Augenhöhe

Es schien beinahe so, als hätten beide Mannschaften ihr Pulver schon nach den ersten 10 Minuten verschossen, es entwickelte sich ein Spiel auf Augenhöhe, wenn auch nicht an Torchancen mangelnd. Beide wollten diese Partie gewinnen, das stand außer Frage. Beim Blick auf die Tabelle lautete die Partie Tabellen-Achter gegen den Tabellen-Zwölften, tatsächlich verwässerte sich dieser Unterschied recht schnell.

An 2 besonders intensive und mitreißende Partien in der Saison 2010/2011 kann ich mich noch gut erinnern, an ein in letzter Minute per Elfmeter erzwungenes 3:2 in Gladbach, welches ich mit Freunden in einer Kneipe sah, sowie das muntere Scheibenschießen beim 7:0 daheim in Stuttgart, dem ich damals beiwohnte. Nach 8 Minuten stand es bereits 1:1, nicht auszudenken, zu was dieses traditionsreiche Duell noch fähig sein könnte.

Die Stimmung war hervorragend im Gästeblock, optisch unterlegt mit vielen Fahnen, Doppelhaltern und unzähligen Schals alleine im Stehbereich, ergänzt von allen Vorschreiern, die die mobile Cannstatter Kurve zu bieten hatte. Bis in die oberen Reihen wurde gesungen, gehüpft und geklatscht, der Wechselgesang mit den daneben liegenden Gästesitzplätzen war laut und intensiv.

“Mädchen, bleib mal locker!”

Ja, ich weiß, ich gerate schnell in Panik! Schon lange bevor aus dem Ballbesitz des Gegners eine gefährliche Torchance wird, schlägt mir das Herz bis zum Hals. Das war auch hier und heute nicht anders, wie könnte es auch anders sein. Dafür gabs von dem jungen Mann zu meiner Rechten nur ein müdes Lächeln und den gut gemeinten Ratschlag, etwas weniger Panik und Hektik würden mir gut tun.

Stets von Unruhe getrieben war mir bewusst, was die Statistik zu sagen hatte: wir waren auswärts beim Lieblingsgegner. Gegen niemand sonst verlor Gladbach so viele Heimspiele, bei niemand sonst gewann der VfB so oft wie in Gladbach. Man kann sich jetzt über Statistiken und Aberglauben streiten, wenn es am Ende dennoch nicht reicht?

Eine kleine Anekdote zu Mönchengladbach am Rande, von der ich jedoch wirklich nicht mehr weiß, von wem ich so in welchem Zusammenhang gehört habe, doch handelt sie von einem Zustelldienst (Paketdienst? Logistik? Ich weiß es nicht mehr!), der etwas nach Mönchengladbach liefern sollte, die Adresse aber nicht fand. Er rief beim zuständigen Ansprechpartner an, er wäre jetzt in München, finde aber den Bestimmungsort nicht. Brüller.

Das lange Warten auf das nächste Tor

Der Support war im vollen Gange, wie fast das komplette Spiel über, ich war wie immer zur Hälfte mit Fotografieren, zur Hälfte mit dem Unterstützen meiner Mannschaft zugange, bis ein heller Aufschrei durch den Gästeblock ging. Einer unserer Jungs war gerade im Angriff, als er an der Strafraumgrenze zu Fall kam, das Spiel unterbrochen wurde und keiner so recht wusste “Elfmeter oder nicht?” – der namenlose Fan meines Blogs konnte nicht zusehen und wandte sich nervös ab.

Letztendlich war es “nur” ein Freistoß kurz vor dem Strafraum, auch war es keine Notbremse und die damit verbundene rote Karte für den Gladbacher. Anspannung pur, man konnte sie förmlich in der Luft zerschneiden. Pfeifen vor der Nordkurve, ich faltete die Hände nahezu betend vor meinem Gesicht. Eine perfekte Freistoßposition, die Gladbacher formierten eine Mauer, 4 VfB-Spieler standen vor dem Ball, jeder bereit zu schießen.

Ein Pfiff, alle rannten los, doch war es Ibrahima Traore, der als Schütze bestimmt worden war. Der Ball zischte über dem Kasten von Marc-André ter Stegen ans Ballfangnetz, begleitet von pöbelnden Gesten der Heimfans \” die übliche große Fresse in solchen Situationen. Jedoch kann man auch die Unseren nicht von solchem Verhalten freisprechen, wir wissen ja alle, wie bei gegnerischen Ecken und Freistößen artikuliert wird.

Eine kleine Verschnaufpause

Die Uhr tickte, und zwar wortwörtlich. Die Anzeigetafel erinnerte wenig dezent daran, dass noch 10, bzw. 5 Minuten zu spielen sind in diesem ersten Durchgang, bevor es in die Pause gehen sollte. Sven Ulreich wehrte noch einen Gewaltschuss von Martin Stranzl ab, der Gefallen daran zu haben scheint, als wolle er noch einmal gegen seinen Ex-Klub treffen.

Für unseren Kapitän mit der Nummer 5 gabs noch eine gelbe Karte für ein taktisches Foul an Patrick Hermann, ein notwendiges Übel, denn dieser wäre durch gewesen. Es ist seine 2. Gelbe, fürs Erste also ohne Konsequenzen. Damit ging es dann auch in die Halbzeitpause, ohne Nachspielzeit verließen sie das Feld. Zeit zum Durchatmen für die 52.120 Zuschauer im Borussiapark.

Ein erstes Resummee für das Zwiebelprinzip: passt, hält warm und wasser- oder vielmehr bierdicht. Von der Leistung des eigenen Teams abgesehen gehört Frieren zu den unangenehmsten Dingen, die man als Fan erleben kann, denn darunter leidet bisweilen auch ein guter Support. Hier in Gladbach war im Gästeblock alles in bester Ordnung. Und dennoch nicht alles rosig, spätestens seit dem Spiel gegen Hannover traue ich mich erst, an einen Sieg zu glauben, wenn das Spiel abgepfiffen wurde.

Steht auf, wenn ihr Schwaben seid!

Für den Gladbacher Tony Jantschke kam in der Pause Roel Brouwers ins Spiel, Bruno Labbadia hingegen vertraute den selben 11 Spielern wie in der 1. Halbzeit. Weiter ging es sogleich mit einem Paukenschlag, Roel Brouwers kratzte den nachgesetzten Kopfball von Christian Gentner gerade noch von der Linie, der Ball wäre drin gewesen. Wohlwollend bedankte sich das Publikum beim Niederlände, man war froh, dass er zur Stelle war. Noch.

Man durfte zurecht fragen: Wo waren die Borussia-Fans? Man sah sie, aber man hörte sie nur selten. Schaue ich mir das Spiel erneut an, hört man von der gesamten Nordkurve gefühlt weniger als von 2.000 mitgereisten VfBler, die in der Ecke zusammen gepfercht wurden. Ob sie bereits geahnt hatten, was auf sie zukommt? Es ist immer müßig zu sagen, wann und gerade warum die Fans eines Vereins einen guten oder einen schlechten Tag hatten, heute war einer der besseren VfB-Auswärts-Auftritte. “Steht auf, wenn ihr Schwaben seid” \” im ganzen Stadion standen vereinzelt die VfBler auf.

Mit einer markerschütternden Lautstärke schrie einer der Vorschreier in sein Megaphon, wir wussten, was zu tun war. Wild hüpfte man beim Pogo durcheinander, bei uns Mädels traute sich jedoch keiner der Herren in unserem Umfeld, also schubsten wir einfach munter drauf los. Proaktiver Support, wir sind schließlich emanzipierte Damen der Cannstatter Kurve, wir haben keine Angst vor Pogo. Lediglich kurz nach meiner Knie-Operation im Februar diesen Jahres, in Augsburg und gegen Mainz war mir das nicht so ganz geheuer.

Zwischen Hoffnung und Angst

Zehn Minuten waren gespielt, da stieg Serdar Tasci zum Kopfball hoch und verpasste das Tor nur knapp, vor den Augen des Gästeblocks. Minütlich wurde ich nervöser, man hat es mir offensichtlich auch angesehen. Eine halbe Stunde noch, der panische Blick zur Uhr, als ginge es um Leben und Tod. So falsch war das gar nicht, wer mich kennt, dem ist bewusst, dass der VfB ein großer Teil meines Lebens ist und ich eben jenes bereitwillig für und mit ihm gestalte.

Das weiß auch Felix, den ich viele Reihen weiter oben erspähte, er kümmerte sich ebenfalls um die fotografische Dokumentation. Das Spiel wurde schneller, ruppiger und intensiver, jeder der Spieler hatte noch ausreichend Puste, um einen genialen Moment in ein Tor umzuwandeln. Ob es am Ende für unseren Brustring reicht, bleibt abzuwarten. Es war auch nicht wirklich ein schönes Spiel bis hierher, doch wen interessiert das schon, wenn wir die 3 Punkte eintüten können und wieder heimfahren?

Atmen, atmen, atmen! Panische Angst, wann immer ein Gladbacher im VfB-Strafraum zu Fall kam, was gleich mehrmals der Fall war. Wenn man nicht gerade Adleraugen sein eigen nennen darf und es nicht immer zu 100% sieht, kann man sich nun einfach nicht sicher sein, ob das jetzt elfmeterwürdig ist oder nicht. Wir hatten Glück, in beiden Fällen wurde der Ball gespielt, kein Grund dies zu ahnden. Auch da gab es beim VfB schonmal ganz andere Fälle.

Elfmeter oder nicht \” da scheiden sich die Geister

“Wir sind die Jungs aus Cannstatt vom VfB, folgen unserer Mannschaft, wollen sie siegen sehen, unsere Farben sind Weiß und Rot, stehen zusammen bis in den Tod!”, wohlbekannte Klänge, wie gerne ich sie mitsang, wie gerne ich meine Mannschaft hier wirklich siegen sehen wollte, wie verzehrten wir uns nach dem nächsten Auswärtssieg.

Großer Diskussionsbedarf in der 65. Minute, als unser “Flummiball” Ibrahima Traoré im Strafraum von Juan Arango gelegt wurde, definitiv und nachweisbar ein Foul, es ging nur gegen den Mann, nicht gegen den Ball. Entrüstetes Pfeifen, das würde ganz sicher Elfmeter für uns geben. Stattdessen Gelb für den guineanischen Nationalspieler wegen einer angeblichen Schwalbe, klare Fehlentscheidung des Schiedsrichterteams, was sonst nicht weiter auffiel, was ja in dem Falle ein gutes Zeichen ist.

Er verließ sofort das Feld, der Wechsel war schon geplant, für ihn kam Shinji Okazaki, in der Hoffnung, das Offensivpotenzial noch etwas anzuheben und das dringend benötigte Siegtor zu erzielen. Auch für Zdravko Kuzmanovic gabs Gelb wegen einem Foul, es waren noch 20 Minuten zu spielen, auch Vedad Ibisevic, der in der Bundesliga weder mit dem VfB, noch mit Hoffenheim jemals in Gladbach getroffen hat, verfehlte mit dem Kopfball das Ziel.

Schöne Grüßle aus dem Kuriositätenkabinett

Als ich mir das Spiel am Tag darauf nochmal auf vfbtv anschaute, meinte der Kommentator just in dem einen Moment noch, dass die Borussia zwar mehr Ballbesitz hat, der VfB in seinen Aktionen aber zwingender und gefährlicher ist, und sich so dass Tor für den VfB eher anbahnen würde als für die Gladbacher. Man möge ihm beinahe hellseherische Fähigkeiten bescheinigen.

Leider muss ich zugeben: Gesehen habe ich das Tor nicht \” der Zaun und die Scheibe zum Nachbarblock versperrten mir teilweise die Sicht auf das Tor vor dem Gästeblock, was ich billigend in Kauf nahm, um so eine bessere Sicht auf den optischen Support des mitgereisten Anhangs zu haben, um bessere Fotos machen zu können. Ich sah Zdravko Kuzmanovic direkt vor uns noch flanken, danach großer Jubel und gleichzeitiges Raunen bei den Gladbachern.

Um mich herum lautes Lachen, kurz bevor mich ein voll gefüllter Bierbecher am Hinterkopf traf. Was war hier passiert? Wer hat das Tor geschossen? Das 2:1 aus Stuttgarter Sicht nach 72 Minuten. Das hat sich der Lucien Favre selbst eingebrouwert. Roel Brouwers, der zur 2. Halbzeit eingewechselt wurde, wollte klären in dem er den Fuß hochriss. Zu unserem Glück machte der Ball aber eine riesen Bogenlampe und schlug unhaltbar für den Gladbacher Keeper im Tor ein.

“Deb Dab Deb Dadadadadab”

Bei uns gab es kein Halten mehr, in dem Moment, als ich realisierte, dass wir soeben den Führungstreffer erzielt hatten, umarmte ich herzlich die Monja und den namenlosen jungen Mann, der das Spiel über mit seinen Kumpels bei uns verweilte. Und so sangen wir “Deb Dab Deb Dadadadadab“, wohlwissend dass es den Gladbacher Fans nicht gerade gefallen würde. Und wie egal es uns war.

Zum Greifen nah, doch erinnerte ich mich auch wieder, wie es uns am vergangenen Wochen passiert war, den vermeintlichen Sieg, der nur noch eine Frage der Höhe zu sein schien, zu verspielen. Wichtig war es, die Konzetration jetzt hoch zu halten und jeden einzelnen Ball mit allen Mitteln von Sven Ulreich fern zu halten.

Alle legten sich für die letzten 10 Minuten noch einmal richtig ins Zeug, die Mannschaft auf dem Weg zum Auswärtssieg, der mitgereiste Anhang sang und sprang als gäbe es kein Morgen. Es kostet Kraft, es kostet Nerven, doch sind es jene Momente im Leben eines Fußballfans, die unbezahlbar sind.

Gladbach, wir hören nichts!

Tief durchatmen, Igor de Camargo kam bei einem Zweikampf mit William Kvist im Strafraum zu Fall, bekam Gelb für eine Schwalbe. Im Gegensatz zur vergleichbaren Brisanz im Falle Ibrahima Traoré wollte der Gladbacher diesen Elfmeter unbedingt haben, die Hand war zwar leicht ausgefahren, doch reicht so etwas nicht für einen Strafstoß. Das Glück war wieder auf unserer Seite, manch anderer Referee hätte hier eventuell anders entschieden.

Noch 7 Minuten plus Nachspielzeit, schon wieder ein Sturz im VfB-Strafraum, mein Herz schlug so laut, dass ich befürchtete, jemand könnte es gehört haben, Serdar Tasci spielte den Ball, erneut kein Strafstoß. Wildes Geschrei und Pfeifen bei den Gladbachern, es nützte alles nichts. Auch die zahlreichen Ecken im kompletten Spielverlauf (insgesamt 9:2 Ecken für die Borussia) machten mich fast wahnsinnig.

Den Borussen war anzusehen, wie genervt sie von dieser Situation waren, harte Zweikämpfe, viele Fouls, große Klappe, nichts dahinter. Wie auch bei den Fans, die bemerkenswert still geworden sind. Partystimmung im Gästeblock und die ganz ganz große Hoffnung, man würde dieses 2:1 jetzt über die Bühne bringen und sie die Punkte wieder holen, die man unnötigerweise gegen Hannover liegen gelassen hat.

Mit Mann und Maus den Sieg umklammert

Die Nachspielzeit war schon angebrochen, nun war bis auf Marc-André ter Stegen alles im VfB-Strafraum, was 2 Beine hatte und noch einigermaßen gerade aus laufen konnte, einem Gewaltschuss von Juan Arango stellte sich einer unserer Spieler (wars Maza?) gerade noch so in den Weg, es muss definitiv schmerzhaft gewesen sein.

Nur noch wenige Sekunden. Einerseits konnte ich vor lauter Panik kaum hinsehen, andererseits starrte ich mit weit aufgerissenen Augen hinaus auf das Spielfeld, bis ich schließlich die Arme in die Luft reißen konnte. Ein hartes Stück Arbeit, doch es war endlich geschafft. Abpfiff, die 3 Punkte kommen mit nach Stuttgart.

Muss ich noch erwähnen, wie groß die Freude bei uns Brustringträgern war? Ihr wisst es sicherlich schon, wer nicht dabei war, kann es sich zumindest gut vorstellen, zumindest hoffe ich das nach diesen \” zugegebenermaßen ausufernd vielen \” Zeilen. Zeit zum Feiern, wir hüpften mit der Mannschaft und erfreuten uns am nächsten Auswärtssieg, der beim VfB nicht immer eine Selbstverständlichkeit darstellt.

Mit gefülltem Bauch zurück nach Hause

Minutenlang verharrten wir noch im Gästeblock, der sich nur langsam leerte, die Ultras der Cannstatter Kurve sangen noch lange weiter, nachdem die Mannschaften das Feld bereits verlassen hatten. Es war einfach nur super heute, und ein weiteres Mal bin ich unendlich stolz, Fan dieses Vereins zu sein. Marco, du hattest Unrecht \” und ja, ich freu mich drüber!

Wieder mit Felix vereint sammelte sich die Fahrgemeinschaft und lief geschlossen zum Parkplatz, es gab noch schnell ein Fischbrötchen to go (sehr lecker) und am Auto nochmal Brezeln und Kuchen. Die Schuhe wurden wieder gewechselt, von den zahlreichen Lagen meiner Klamotten befreite ich mich, es war gefühlt wärmer geworden zu späterer Stunde. Dort verharrten wir noch mindestens eine halbe Stunde, bis wir uns aufmachten, da auf der Straße nichts vor und nichts zurück ging.

Sogleich klappte ich natürlich den Laptop auf und schob die Speicherkarten in den SD-Slot. 617 Bilder. Du liebe Zeit, und das ohne Brille, die ich daheim vergessen hatte. Das würde Einiges an Arbeit bedeuten. So war es dann auch, bis zur Akku-Erschöpfung wurde trotz lähmender Müdigkeit gesichtet, aussortiert, bearbeitet, zensiert und zusammengestellt, damit am nächsten Morgen die Bilder auf vfb-bilder.de online gehen konnte. Mein Part war erfüllt, die 3 Punkte hatten wir im Sack.

Parkplatz-Pogo in Marbach

Ich war völlig fertig, doch als ich alles fertig hatte, waren wir schon fast in Sinsheim. Zum Schlafen lohnte es sich eigentlich gar nicht mehr. Felix hingegen ratzte genützlich auf dem Nachbarsitz vor sich hin, Nichts und Niemand konnte ihn dabei stören. Unterwegs überholten wir unter anderem den VfB-Mannschaftsbus, unser Hupen wurde leider nicht erwidert.

In Marbach stieg Thomas aus, den wir am Morgen dort eingesammelt hatten. Eine kurze Raucherpause für Felix und Silke, für mich die Gelegenheit mich zu dehnen und zu strecken. Bald war es geschafft. Die Gladbacher Tormelodie wurde zum Ohrwurm des Tages, spät nachts gröhlten wir sie auf dem Park & Ride Parkplatz, gefolgt von einem kleinen Pogo, bei dem ich am Fahrer unvorbereitet abprallte und beinahe zu Fall kam. Es lebe das Standbein, vorausgesetzt, man hat es im Griff.

Die letzten Minuten einer wirklich lohnenden Auswärtsfahrt, müde aber glücklich erreichten wir das Remstal, plauderten noch in der Kälte und machten uns schon bald auf ins heimische Bad Cannstatt. Meine Arbeit hatte ich ja bereits im Van erledigt, so konnte ich gleich schlafen gehen. Solange wir in der Kurve stehen, dürfen wir glücklich schlafen gehen \” vorausgesetzt, es sind Tage wie diese!

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