“My name is Robbie fucking Williams… You are fucking Stuttgart… And for the next two hours your ass is MIIIINEEEEE” \” es war nach vielen Stunden des Wartens der lang ersehnte Startschuss für ein Konzert, dessen Ticket seit Monaten an meiner Pinnwand hängt und welches dafür gesorgt hat, dass ich freiwillig, wenn auch schweren Herzens, auf das Auftaktspiel in Mainz verzichtet hatte. Stunden, die sich wirklich gelohnt haben.

Als Mitte 2012 der Tourneeplan veröffentlicht wurde, sprang ich bereits im Viereck. Robbie Williams kommt nach Stuttgart! Dass ich so unheimlich gerne dort hin wollte, war Felix bereits klar und so schenkte er mir zu Weihnachten ein Ticket für das Konzert. Eine Überraschung war es nicht, ich hatte es mir gewünscht. Mit gemischten Gefühlen betrachtete ich monatelang das Ticket an der Pinnwand. Stattfinden sollte es Mitte August 2013 \” ein potenziell gefährliches Datum für Fußballfans.

Ich weiß nicht mehr genau, was mich zu diesem Irrglauben verleitete hatte, doch dachte ich monatelang, dass Konzert wäre an einem Samstag \” und hoffte folglich noch bis weit in die Sommerpause verzweifelt auf ein Sonntagsspiel. Dass es auswärts sein würde, war klar, denn das Konzert würde, wie der Tourneename schon sagte, in unserem geliebten Neckarstadion stattfinden. Kumpel Jens machte mir Mut, würde am Donnerstag zuvor doch Europa League für den VfB sein und damit das Spiel definitiv an einem Sonntag sein. Die Terminierung der ersten Spiele kam, ein Blick in den Kalender und ein kalkweißes Gesicht. Oh nein…

Auswärts in Mainz oder doch lieber zu Robbie?

Nun war es also tatsächlich so. Das erste Saisonspiel auswärts in Mainz, es wäre am selben Tag wie das Konzert. Ich würde mich also entscheiden müssen. Gehe ich zu dem Konzert, welches mir Felix für viel Geld geschenkt hatte, oder ertrage ich es am Ende doch nicht, dem VfB nicht hinterher reisen zu können? Hinter uns liegt eine 34er-Saison, alle Bundesligaspiele, dazu noch alle Pokalspiele wurden besucht. Da fällt es schwer, wenn der Saisonauftakt gleich so in die Hose geht. Die Entscheidung war ziemlich schnell getroffen: ich verzichte auf Mainz. Das hätte ich früher oder später ohnehin einmal gemusst.

Für meine bessere Hälfte stand von Anfang an fest, dass er mich nicht zu dem britischen Popstart begleiten würde, plauderte dafür im Vorfeld im Beisein von Gerd, unserem Auswärtsfahrer, über die Mainz-Auswärtsfahrt, die sie ohne mich machen würden. Direkt vor meiner Nase, Mainz hier, Mainz da, Uhrzeiten, touristisches Programm, es ärgerte mich dann schon ein wenig, dass ich nicht mit dabei sein konnte, zumal es das erste Bundesligaspiel war. Ändern konnte ich an diesem Umstand nichts. Wenn ich gewusst hätte, wie lange ich auf Robbie hätte warten müssen, wäre ich mit einem Sitzplatzticket besser bedient gewesen.

Der Tag war gekommen, der lange im Kalender angestrichenene Tag war endlich da: Sonntag, der 11. August. Früh am Morgen verabschiedete sich Felix, leicht grummelig verabschiedete ich ihn. Dabei hatte ich eigentlich keinen Grund, ich habe diese Entscheidung bewusst getroffen und hätte ja auch nach Mainz fahren können. Ich schlief noch weiter. Mein Tagesplan sah vor, dass ich möglichst früh am Stadion sein wollte, um abzuklären, ob und wie das mit einem abgegrenzten vorderen Bereich funktioniert und ob ich, wenn ich einmal drin bin, auch wieder rauskomme.

Zum Zuschauen verdammt

Hintergrund der Fragerei war nämlich, dass ich das Spiel zumindest im benachbarten Palm Beach ansehen wollte, wenn ich schon nicht live vor Ort sein konnte. Terminiert war die Partie auf 15:30 Uhr, der Einlass begann ab 15:00 Uhr. Vor 17:30 Uhr würde ich also wohl kaum am Stadion sein. Nicht besonders clever mit einer Stehplatzkarte, hm? Während sich immer mehr Personen am Stadion einfanden, lief ich dem Strom entgegen zum Palm Beach. Reserviert hatte ich nicht, wär ja auch irgendwie unangenehm bei einer Person alleine?

Dort nahm ich Platz, um mir das Spiel anzusehen, dem ich selbst nicht beiwohnen konnte. Ziemlich befremdlich, wenn ich hier bin, um mir ein Spiel anzusehen, dann bisher immer mit Felix zusammen, zuletzt vor zehn Tagen, als wir mit Gerd und Ingrid, unseren Auswärtsfahrern, das Auswärtsspiel gegen Botev Plovdiv angesehen hatten. Felix war nun in Mainz. Und ich saß hier. Alleine. Mit einem Glas Apfelschorle und jeder Menge Anspannung. Ich wäre am liebsten selbst dort.

Zufriedenstellend lief das Spiel nicht. Mit 3:2 verlor der VfB in Mainz, darunter durch einen Treffer des nach Mainz abgewanderten Shinji Okazaki, der vor Freude über das Feld hüpfte. Sich mit einer solchen Laune für ein Konzert zu begeistern, auf das man monatelang hingefiebert hat, ist alles andere als leicht gewesen. Mit hängendem Kopf ließ ich das Palm Beach hinter mir und lief herüber zu den Eingängen an der Haupttribüne, wo der Einlass für den Innenraum gewesen war.

Mit hängendem Kopf durch die Einlasskontrolle

Karte gezeigt, kurz die Tasche kontrolliert, schon lief ich durch das Mundloch in den Innenraum des Stadions, wo der Rasen abgedeckt war und schon viele Zuschauer sich versammelt hatten. Um die Gesamtsituation zu erfassen, brauchte ich einen Moment. Das hier war mein Stadion \” und dann aber doch irgendwie nicht. Vor der Cannstatter Kurve war die Bühne aufgebaut, auf Haupttribüne, Gegentribüne und Untertürkheimer Kurve saßen bereits die ersten Zuschauer. Mit Galgenhumor betrachtet hatte dies fast schon etwas vom Europapokal.

Allzu voll war es noch nicht, bis zur Mittellinie hätte ich noch vorlaufen können. Noch einmal zurück und hinten anstellen an die gefühlt einen Kilometer lange Schlange vor der Damentoilette. Als auch das überstanden war, nahm ich meinen Platz ein und blieb mitten auf dem Spielfeld auf Höhe der Mittellinie stehen, schaute in Richtung Cannstatter Kurve und musste bemerken, wie eigenartig diese Situation für einen VfB-Fan war. Sonst stehen an dieser Stelle unsere Jungs, und ich stehe in der Cannstatter Kurve und feuere sie an. Ziemlich merkwürdig das alles.

Nach einiger Wartezeit ging es dann auch schon los mit der “Vorband”, die in diesem Falle aber nur aus einer Person bestand: Olly Murs sollte uns einheizen für den später folgenden Auftritt des größenwahnsinnigen Briten namens Robert Williams. Es machte jede Menge Spaß, vor allem, als Olly bei einer Tanzeinlage hinten die Hose gerissen war. Sichtlich beschämt, aber dennoch lachte er über sich selbst und sein Missgeschick \” #ollygothisarseout wurde zum beliebten Twitter-Hashtag der nächsten drei Tage.

Der geborene Entertainer

Meine Füße taten jetzt schon weh. Wie würde es dann erst werden, wenn Robbie erstmal auf die Bühne kommen würde? Nach dem Auftritt von Olly Murs dauerte es erneut eine Ewigkeit, bis etwas passierte. Immer wieder schrien an der Seite der Haupttribüne Richtung Bühne, offenbar sahen sie ihn da, wie er sich auf die Show vorbereitet hatte. Kurz vor neun Abends war es dann endlich soweit. Licht aus, Spot an, es konnte endlich losgehen.

Oberhalb der großen Figur, die sein Gesicht in 3D abgebildet hatte, erschien er uns, laut beschrien von den zumeist weiblichen Zuschauern. An einem Seil schwebte er hinab zur Bühne und ein sensationeller Abend konnte in die heiße Phase gehen. Schon nach den ersten paar Liedern, von denen ich natürlich jedes einzelne mitgesungen hatte, so vertraut als wären es unsere Lieder aus der Kurve, man muss wirklich immer wieder feststellen: Robbie Williams ist und bleibt der geborene Entertainer.

Dabei hatte Stuttgart großes Glück, dass er überhaupt zurück gekommen war. Im Jahre 2001 hatte er sein letztes Konzert in Stuttgart, laut seinen eigenen Aussagen sollte es für immer das letzte Konzert gewesen sein. Ein Wahnsinniger war einst auf die Bühne gestürmt und hatte den Briten in den Fotografengraben geschubst. Seither fand Stuttgart keine Betrachtung mehr in seinen Tourplänen, auch nicht bei seiner bisher letzten Deutschland-Tournee im Jahre 2006, als ich live in Dresden dabei war.

Ein fantastisches Konzert

Sieben Jahre sind seither vergangen. Als ich Robbie das letzte mal live sah, war die Saat für meine Liebe zum Fußball gerade erst gesät worden. Die Fußball-WM beeindruckte mich auf jede erdenkliche Weise und weckte das, was ein gutes Jahrzehnt in meinem Inneren schlummerte. Nach Dresden 2006 folgten Länderspiele, die mich auf ungewöhnliche Weise zum VfB Stuttgart führten, dem ich 2010 der Liebe wegen ins mittlerweile heimische Bad Cannstatt folgte. Viel hat sich getan in den letzten sieben Jahren. Robbie Williams war ich trotz Allem stets treu geblieben.

Es war ein fantastisches Konzert, riesen Stimmung und ein bestens aufgelegter Entertainer. Auf meine Sicht war gar nicht so schlecht, wie ich im Vorfeld vermutet hatte. Bedingt durch mein spätes Reingehen in den Innenraum hatte befürchtet, weit hinten zu stehen und einen Teil der Bühne gar nicht erst zu sehen. Am Ende war alles halb so wild, selbst für Fotos war die Entfernung noch richtig gut. Das nutzte ich natürlich aus. Mit der Spiegelreflex auf der Haupttribüne wäre mir dennoch fast ein bisschen lieber gewesen, denn mit zunehmender Konzertdauer wurden die Beine schwerer und schwerer.

Nach gut zwei Stunden bildete “Angels” den Schlusspunkt der Stuttgarter Setlist, wie immer ein atemberaubender Moment, wenn die Feuerzeuge angehen, es von den Tribünen überall blitzt und alle laut mitsingen. Hier lässt es sich Robbie nicht nehmen, sich immer wieder eine Gesangspause zu nehmen und dafür das Publikum singen zu lassen. Gänsehaut pur an der richtigen Location, wenn es doch nur jedes Mal so wäre, wenn ich hier bin \” ob bei Robbie oder dem VfB.

Mit Schmerzen zurück nach Hause

Nach diesem Lied, was er seiner kleinen Tochter Teddy gewidmet hatte, verabschiedete er sich, kam aber natürlich zu einer kleinen, aber feinen Zugabe zurück auf die Bühne. Alles andere wäre ja auch eine kleine Enttäuschung gewesen. Ein toller Abend ging zu Ende, doch als das Adrenalin wieder sank, spürte ich die Schmerzen immer deutlicher. Stunden des Stehens, des Wenig-Trinkens, der Wärme, des Schreiens und der Rumspringerei forderten ihren Tribut.

Die Musik war aus, das Flutlicht war wieder eingeschalten worden. Es ist spät geworden, jeder wollte nun schnell nach Hause, die arbeitende Bevölkerung musste ja schließlich noch eine Mütze voll Schlaf bekommen. Es dauerte lange, bis ich wieder draußen war. Ein wenig schmunzeln musste ich schließlich, als auf der Untertürkheimer Kurve ein offenbar angetrunkener Konzertbesucher, der dem VfB offenbar nicht abgeneigt war, anfing zu singen. Ein Wechselgesang mit Zuschauern, die sonst nie im Neckarstadion waren \” nette Idee, aber alleine schlecht umsetzbar.

Zu Fuß ging es rasch nach Hause. Die Erinnerung an das Spiel in Mainz kam wieder in mir hoch, damit verbunden die Ängste, die bei jedem Fehlstart und jeder Niederlage mitschwingen. Am nächsten Morgen brachte mir meine Kollegin Beatrix, die ebenfalls beim Konzert war, ich sie aber im vorderen Bereich nicht erreichen konnte, ein bisschen von dem Lametta mit, was zu Beginn des Konzertes auf uns Zuschauer hinabgeregnet war. Ein wenig mehr Lametta und Feuerwerk im Neckarstadion, das wäre doch mal nicht ganz so schlecht, oder?

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“Angels” (nicht von mir aufgenommen)

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