Ganze 26 Tage ist es nun her (diesen Artikel musste ich am 17.08.2013 zurückdatieren), doch die Erinnerung noch so frisch, als wäre es erst gestern gewesen. Es war keinesfalls ein Spiel unseres VfB, nein, es war die diesjährige Mitgliederversammlung, die allen, die dabei gewesen waren, im Gedächtnis bleiben wird. Sechs Stunden Sitzfleisch erforderte dieser wichtige Termin, der schon Monate zuvor rot in unserem Kalender angestrichen wurde. Die Erinnerung an einen Abend, der die Hoffnungen auf eine erfolgreiche Saison wachsen ließ.

Viele aktive Fans und Ultras fanden sich an jenem Montag in der Porsche-Arena neben dem Stadion ein, darunter natürlich auch ich und Felix, den wir noch schnell als Mitglied angemeldet haben: zum 1. Januar wurde seine Mitgliedschaft aktiv und damit der exakte Stichtag zur Teilnahme an der Mitgliederversammlung gesichert. Was für uns das wichtigste Thema der ganzen Agenda war, ist schon im Vorfeld klar und offensichtlich gewesen: wir wollen unser Wappen zurück.

Vor gut drei Jahren wurde die Initiative “Pro altes VfB-Wappen” gegründet, die immer wieder durch zahlreiche Aktionen für die Rückkehr des traditionellen VfB-Wappen kämpfte. Musste man sich vergangenes Jahr dann doch noch einmal gedulden, so war dennoch klar, dass es spätestens in diesem Jahre die Entscheidung gegeben hätte. Zwischenzeitlich waren Präsident Gerd Mäuser und Aufsichtsratchef Dieter Hundt zurück getreten, was von den Fans fast durchweg positiv aufgenommen wurde. Jetzt noch ein ordentlicher neuer Präsident und das alte Wappen, schon wird alles gut. Wirklich alles?

Altes Wappen? Neues Wappen? Falsches Wappen? Richtiges Wappen?

Im April 2012 fand man sich in der Stuttgarter Innenstadt ein, um auch unbefangenen Personen das Thema nahezubringen und mit bunten Fahnen und einem durchweg positiven Auftritt das Bedürfnis zu untermauern, dass der VfB gut daran täte, das in den 90er Jahren aus Marketingzwecken geänderte VfB-Wappen zur traditionellen Form zurückkehren sollte, um damit sein Image als Traditionsverein zu stärken und damit greifbarer für die Region zu werden.

Monatelang wurden Unterschriften gesammelt, Flyer verteilt, Choreographien erarbeitet und das Thema weiter verbreitet \” es war uns neben dem sportlichen Erfolg sehr wichtig. Ob der VfB besser spiele mit dem alten Wappen? Schwer zu sagen. Doch vermag er ja auch mit neuem Wappen nicht wirklich erfolgreicher zu sein. Nach vielen Jahren Arbeit war es endlich soweit: die Mitgliederversammlung 2013 warf ihre Schatten voraus.

Früh musste ich aufbrechen, um rechtzeitig da zu sein. Es war schon gut voll, als ich gegen 17 Uhr nachmittags die Porsche-Arena erreichte, gut eine Stunde vor Beginn. Noch war es gut klimatisiert und angenehm, im Vergleich zur draußen vorherrschenden schwülen Hitze. Die Tore schlossen sich, es konnte losgehen. Vorstandsmitglied Ulrich Ruf eröffnete die Sitzung. In dem Wissen, dass die Wappen-Entscheidung per Abstimmung erst gegen Ende stattfinden wird, harrten wir aus.

Sechs Stunden Sitzfleisch

Es war ein kurzweiliger und sogar überaus amüsanter Abend, für den ersten Lacher sorgte Cacau, der via Live-Schalte in die Arena übertragen wurde. Die Bedingungen im Trainingslager, das einen Tag zuvor angefangen hatte, seien gut. Das Wetter sei gut, er sei sogar schon ein bisschen braun geworden \” gröhlendes Gelächter. Immer wieder der Blick auf die Uhr. Es wurde warm in der Halle, ein Tagesordnungspunkt nach dem anderen wurde abgehakt. Lange zog es sich, bis in die späten Abendstunden.

Kurz vor Mitternacht war es soweit. Mein Herz schlug so laut, das ich fürchtete, jemand konnte es hören. Die Spannung war groß, als Ulrich Ruf den Tagesordnungspunkt eröffnete, ein paar Worte dazu sagte und schlussendlich die elektronischen Abstimmgeräte freigeschalten wurden. Das Lämpchen auf dem fernbedienungsgroßen Gerät leuchtete grün auf, meine Hand zitterte, mit Gewalt drückte ich so fest auf die Taste 2, wie ich nur konnte. Ich loggte das Ergebnis ein, während mein Puls raste.

Es war der wichtigste Tastendruck, der an diesem Abend zu tätigen war. Langsam schaute ich mich um, Anspannung in den Gesichtern, aus dem leisen Flüstern wurde aufgeregtes Plauschen. Ich zückte die Kamera, während die letzten Sekunden des Wartens erstrichen. Jetzt zählte es, die Arbeit von drei Jahren, so viel Zeit und Geduld investierte die Initiative und die gesamte Fanszene in dieses Thema, es waren jene Sekunden, auf die es ankam.

Mit Spannung erwartet: die Wappen-Entscheidung

Hinten im Eck der Arena fingen einige an zu singen, “Achtzehnhundertdreiundneunzig” schallte es aus den Reihen. Vermutlich hat man einen Blick auf einen Laptop erhaschen können, der die Auszählung der Stimmen berechnete, bevor alles auf die drei großen Leinwände projiziert wurde. Ulrich Ruf erhob seine Stimme, man könne nun das Ergebnis auf der Anzeigetafel sehen. Wenige Sekunden blieben die Bildschirme noch schwarz. Oh Gott, diese Spannung!

Da war er, der lange rote Balken. Fast 80% stimmten für das traditionelle Wappen. Nach über 170 Fußballspielen seit 2007, so vielen Glücksmomenten und tollen Erinnerungen, wird sich dieser Augenblick nahtlos mit einreihen. Wer dieser Mitgliederversammlung nicht persönlich beiwohnte, wird nie ganz verstehen können, wie es sich angefühlt hat. So schnell konnte ich gar nicht schauen, der komplette mittlerweile Teil des Innenbereiches der Arena sprang auf, jubelte erleichtert.

Und dann? Ja, dann erhoben wir unsere Stimmen und sangen ein Lied, voller Inbrunst und Leidenschaft. Hat es das jemals bei einer Mitgliederversammlung gegeben? “Oh VfB, hier im Stadion, schlägt dein Herz, lebt deine Tradition!” – und wie sie lebte! Wohin ich auch sah, Standing Ovations für unser einzig wahres Wappen, ich schaute zu den Verantwortlichen der Initiative herüber, allen voran dessen Sprecher Marco Arnold. Als ich ihn kurz darauf umarmte, konnte er nicht mehr als ein “80 Prozent!” herauspressen, der Rest seiner Kraft ging für den Jubel des Moments drauf.

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Erst das Wappen, dann der Präsident

Alles schaute zur Bühne, warf die Arme nach vorne um eine Laola-Welle zu machen, da sah ich es erst: das aktuelle Wappen, das an 2 dünnen Seilen über dem Podium hang, fuhr an einer Schiene automatisch heraus und verschwand hinter einem Vorhang. Zum Vorschein kam das alte, traditionelle, das neue alte, das einzig wahre Wappen hervor und wurde bejubelt, das habe der VfB gerade den Siegtreffer in einem wichtigen Spiel erzielt. Erneuter Jubel.

Nur langsam kehrte wieder Ruhe ein. Viele verschwanden daraufhin und verpassten den letzten Tagesordnungspunkt: die Wahl des Präsidenten. Durch die aktuelle Satzung des VfB ist nur ein Präsidentschaftskandidat vorgesehen, den der Aufsichtsrat vorschlägt. Nur durch einen mit 3/4 Mehrheit angenommenen Antrag auf Satzungsänderung darf man einen zweiten Kandidaten vorschlagen. Ex-VfB-Spieler Helmut Roleder scheiterte bei der hitzigen Mitgliederversammlung 2011 an besagter Mehrheit für eine entsprechende Satzungsänderung.

Als neuer und einziger Kandidat wurde Bernd Wahler vorgeschlagen, jahrzehntelang Marketing für Adidas, in seiner Jugend VfB-Spieler, gebürtig aus dem Remstal, bodenständig, sympathisch. Es wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn er das, was er kund tat, auch halten kann. Er verdient eine faire Chance, das dachten sich auch die Meisten, die dieser Mitgliederversammlung beiwohnten. Als es soweit war und man abstimmen sollte, funktionierte mein Abstimmungsgerät nicht, als ich einen Mitarbeiter aufsuchte um ein Ersatzgerät zu bekommen, war die Abstimmung bereits geschlossen.

Ohne jeden Zweifel

An meiner fehlenden Stimme lag es nicht: Bernd Wahler wurde mit rekordverdächtigen 97,4% der Stimmen zum neuen Präsident gewählt. Die Freude war riesengroß, unsere Hoffnungen in ihn sind es auch. Nach zwei schlimmen Jahren mit dem geläuterten Gerd Mäuser braucht es einen Präsidenten mit Herz und Verstand, der sich mit dem VfB identifieren kann und der ein glückliches Händchen in allen Belangen hat. Ich würde ihm dieses wünschen, wie viele andere natürlich auch.

Damit endete kurz vor Mitternacht eine sechsstündige Mitgliederversammlung, die in Erinnerung bleiben wird. Mit Adrenalin in den Adern verließen wir die Halle, lächelnd, erleichtert und vor allem hoffnungsvoll. Man spürte eine Aufbruchsstimmung, die der VfB hoffentlich nutzen würde. Leider bremste Bruno Labbadia diese nur kurz danach wieder aus. Dinge, die unsere weiß-rote VfB-Welt nicht braucht.

Doch das Wichtigste an diesem Abend war geschafft: wir haben unser Wappen wieder. (Wieder) Eingeführt wird es zur Saison 2014/2015. Ich ziehe meinen Hut vor der gesamten Initiative und vor dessen Sprecher Marco Arnold \” Chapeau, meine Freunde! Ohne das leidenschaftliche Engagement, mit dem ihr drei Jahre für unser Wappen gekämpft hat, hätten wir das nie erreicht. Und bevor sich ein Gefühl der beschäftigungslosen Leere breit macht: Wie wärs mit der Initiative “Pro Neckarstadion”…?

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