Was ist das da in meinem Gesicht, und warum fühlt es sich so gut an? Tiefe Grübchen in meinen Wangen zeugen von jenen Moment, auf den ich so lange hatte warten müssen. Welch ungewohntes Gefühl, am Sonntag Vormittag am Rechner zu sitzen und nicht erneut um Worte ringen zu müssen, die wie der Abgesang eines Vereines klingen, dem der bittere Gang in die zweite Liga bevor steht. Vermag sich zwar am Tabellenplatz zunächst nichts geändert haben, doch diesmal ist alles anders. Etwas, was wir schon lange verloren geglaubt haben, ist an den Neckar zurückgekehrt: die Hoffnung der Gescholtenen.

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Es fühlt sich gut an, so unheimlich gut, dass selbst dafür die Worte nicht allzu einfach gefunden sind. Monate der Entbehrungen, der Enttäuschung und der Verzweiflung, Woche für Woche der gleiche Frust, immer und immer wieder. Zuletzt fiel es uns allen denkbar schwer, den Kopf oben zu halten und trotz allem die Stimme zu erheben für eine Mannschaft, die so vieles schuldig geblieben ist. Das Lächeln ist in unsere Gesichter zurückgekehrt.

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Wie lange es uns erhalten bleibt, werden die nächsten Wochen zeigen, doch gibt es mit Sicherheit denkbar schlechtere Dinge, als mit einem Sieg in die Länderspielpause zu gehen. Vor uns liegt noch ein weiter Weg, doch einen kleinen Schritt hat man getan, um nicht völlig die Vorderleute aus den Augen zu verlieren. Drei Punkte für den Abstiegskampf, für das Selbstbewusstsein, für den Knoten, der hoffentlich nun endlich geplatzt ist – aber vor allen Dingen, und mehr als alles andere: ein Sieg für uns, die wir jede Woche in der Kurve stehen.

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Die unerschrockenen Optimisten

Nicht nur die Mannschaft hat den Sieg gebraucht, sondern auch wir. Das Gefühl der zart glimmenden Hoffnung, so bitter nötig vor dem Spiel, so deutlich spürbar nach dem Spiel. Nun sitze ich hier, mit einer Thermoskanne frisch aufgebrühtem Tee, mit beiden Händen auf der Tastatur, mit aufgestellten Nackenhaaren und dem Wissen, jetzt all das niederschreiben zu dürfen, was uns bestenfalls in Erinnerung bleiben wird als der Moment, der alles geändert hat. Ich will nicht sagen, dass der Bock umgestoßen ist, dafür steht noch zu viel Arbeit vor der Mannschaft. Doch es fühlt sich zum ersten Mal seit Wochen ein kleines bisschen danach an.

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Seit Wochen höre ich jeden Spieltag die gleichen Worte von Felix, meinem unerschrockenen Optimisten. “Heute packen wir das!”, das hatte er allerdings schon so oft gesagt. Vor Dortmund. Vor Hannover. Vor Berlin. Vor Leverkusen. Und nun auch vor Frankfurt. So oft hatte ich es schon gehört, und am Ende reichte es nicht. Dafür, dass er seinen Glauben an den Klassenerhalt noch nicht gänzlich verloren hat, bewundere ich ihn sehr. Ich wünschte, ich hätte diese unerschrockene Überzeugung auch, doch haben mich die letzten Jahre mürbe gemacht, kaum etwas ist kräftezehrender als der nie enden wollende Abstiegskampf.

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Alle möglichen Szenarien schossen mir durch den Kopf, von der Klatsche nach einer One-Man-Show von Frankfurts Topscorer Alex Meier, über eine Last-Minute-Niederlage nach einem dicken Abwehrpatzer, bis hin zu einem Überraschungssieg vor heimischem Publikum. Schon alleine von der Erinnerung, wie sich der Jubel in der Kurve anfühlt, bekomme ich Gänsehaut. Es ist lange her, dass wir das zuletzt erlebt hatten. Das vermeintlich harmloseste Team der Liga, gegen welche, die ihre Offensive neu entdeckt haben.

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Neun Tore im Hinspiel

Lediglich einen Gedanken konnte ich seit Tagen nicht abschütteln. Die Erinnerung an das Hinspiel am 25. Oktober. Was gingen mir da nicht die Nerven durch vor der Partie, am Ende brachte kaum eine andere Begegnung so viel Emotion und Leidenschaft mit sich. Rückstand, Ausgleich, Führung, Ausgleich, Rückstand, Ausgleich, Führung, Sieg – das wohl kürzeste Protokoll eines 5:4-Auswärtssiegs, den keiner von uns so hatte kommen sehen. Jedes Spiel beginnt bei 0:0, doch wissen wir alle, dass es im Falle des VfB nur selten auch dabei bleibt. Die Null steht, viel zu oft stand sie vorne.

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Viele Ordnungshüter und Kastenwägen säumten unseren Weg, als wir uns gegen halb zwei Mittags auf den Weg zum Neckarstadion machten. Eine Null-Toleranz-Strategie war von Oben vorgegeben worden, der Brief der Polizei mit klaren Worten, die aber gleichermaßen fast wie eine Einladung zum Ungehorsam aufgefasst werden konnten. Lediglich das rote Brillengestell auf meiner Nase konnte mich outen, alles weitere war tief in der Kameratasche versteckt. Besser ist das, wenn die Frankfurter zu Besuch sind, da weiß man nie, welchen Gestalten man begegnet.

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Noch war es ruhig vor den Toren des Stadions, anders als noch zwei Wochen zuvor spürte ich auch nicht zwangsläufig die Spannungen in der Luft, die noch gegen die Hertha für Unruhe gesorgt hatten. Bisher ein vergleichsweise entspannter Nachmittag. Ich beobachtete, wie Fahnen, Trommeln und Doppelhalter neben dem Fahnenraum zur Kontrolle durchgegeben wurden, einen Stimmungsboykott, den ich nach der bitteren Pleite in Leverkusen befürchtet hatte, würde es demnach nicht geben. Zum Glück.

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Ich ahnte Böses – wie immer!

Mit einem flauen Gefühl im Bauch stieg ich ein weiteres Mal die Treppenstufen zu meinem Platz hinunter. Unzählige Male stand ich bereits an dieser Stelle, doch konnte ich mich nicht mehr erinnern, wann ich zuletzt frohen Mutes hier stand, mich umschaute, die altbekannten Leute begrüßte und mich auf das freute, was vor uns lag. Der Optimismus hat mich verlassen, und das nicht erst seit dieser Saison. Wir wussten, dass die Konkurrenten Freiburg und Paderborn parallel spielen würden. Und wir wussten auch, was passieren würde, wenn… – ihr wisst bereits, was ich sagen will.

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Die Fans stehen hinter der Mannschaft, ich hoffe, dass sie das zu schätzen wissen. Nachdem viele den Gästeblock in Leverkusen vorzeitig verlassen hatten, war die Kurve heute wieder bereit, alles zu geben. Applaus brandete auf, als sie sich nach dem Aufwärmen ihren Treuesten stellten, keine Selbstverständlichkeit, wenn man einen Schritt vom Abgrund entfernt steht. Doch auch unsere Geduld und Gutmütigkeit währt nicht ewig, dessen sind wir uns alle bewusst. Noch können sie es aus eigener Kraft schaffen, noch ist es nicht vorbei. Und solange es möglich ist, sollen sie kämpfen. Genau wie wir Fans auch.

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Mit einem bunten Intro begrüßten wir sie, auch die Gäste waren mit schätzungsweise 6.000 Schlachtenbummlern wieder zahlreich vertreten. Der Spieltag stand unter dem Motto „DiskrimiNIErung“, eine Ansage gegen Ausgrenzung, Vorurteile und Diskriminierung. In die Ansage des Stadionsprechers Holger Laser platzte die Kurve mit „Frankfurter Arschlöcher“ – ich gebe zu, ein bisschen schmunzeln musste ich schon. Der Ball rollte am 26. Spieltag, wenngleich mit Angst und Sorge.

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Unruhiger Beginn

„Wenn die ganze Kurve tobt“ schmetterten wir aus unseren Lungen. Wie es sich anfühlt, haben wir lange nicht mehr erleben dürfen. Fühlte sich Florian Kleines Elfmeter-Ausgleich gegen Dortmund wie ein Tropfen auf den heißen Stein an, so reichte es am Ende trotzdem nicht. Was gäben wir nur dafür, endlich mal wieder auch nach Abpfiff der Partie feiern zu dürfen. Ganze 95 Tage ist es her, dass wir in diesen Genuss gekommen waren, ich erinnere mich an heitere Mienen beim Auswärtssieg in Hamburg. Danach kam leider nichts mehr, was positiv zu werten war.

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Nach gerade einmal 42 Sekunden hätte die Partie auch anders laufen können. Im Heimspiel gegen Schalke fiel nach nicht einmal einer Minute das erste von vier Gegentoren. Heute blieb es uns erspart, Florian Klein hatte beim Klärungsversuch seinen Gegenspieler Takashi Inui so angeschossen, dass der Ball knapp über Sven Ulreichs Kasten flog. Viel wollte in den ersten Minuten nicht zusammenlaufen, die Frankfurter tauchten für meinen Geschmack viel zu häufig vor dem Tor auf.

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Nach einem starken Beginn passte sich die Cannstatter Kurve leider der Leistung der Mannschaft an und versackte ein wenig im Nichts, eine traurige, aber ebenso verständliche Entwicklung nach Wochen, Monaten und Jahren im letzten Tabellendrittel. Welche Ironie, dass kein anderes Lied so laut gesungen wurde wie die Pippi-Langstrumpf-Melodie gegen die Frankfurter. Der Gästeblock tobte erwartungsgemäß, das Duell auf den Rängen gehört seit vielen Jahren zu den brisantesten in der Saison.

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Wenig bis gar nichts

Ein erschreckendes Fehlerfestival bot der VfB hier an. Entsetzliche Fehlpässe, nicht abgestimmte Laufwege, unnötige Ballverluste, es lief nichts, aber auch wirklich gar nichts zusammen. Erst nach einer halben Stunde gab Serey Dié den ersten Torschuss ab, ein frecher Lupfer, nachdem Kevin Trapp etwas zu weit aus seinem Tor herausgekommen war. Sinnbildlich für die aktuelle sportliche Situation, dass man im Allgemeinen viel zu harmlos ist und nach vorne nichts mehr geht. Heute wäre ein guter Tag, das endlich mal zu ändern.

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Tief durchatmen! Viel hatte nicht gefehlt, um noch im ersten Durchgang in Rückstand zu geraten. Nach einer Ecke von Takashi Inui verlängerte Alex Meier per Kopf auf den langen Pfosten, von Stefan Aigner nur knapp verpasste. Da hatte nicht viel gefehlt. Unruhe machte sich breit in der Kurve und im gesamten Stadion, die ersten Pfiffe hallten von den Rängen. Wir ahnten Böses – und wir sollten Recht behalten. Torlos ging es in die Pause, doch waren die Frankfurter bei ihren Aktionen um einiges gefährlicher, als es der VfB war.

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Zu Beginn der zweiten Halbzeit schickte Huub Stevens ein paar Ersatzspieler zum Warmmachen, unter anderem auch Vedad Ibisevic. Ganz mitbekommen hatte ich es nicht, ob es eine arrogante Aussage des Bosniers in Richtung Kurve war oder sein süffisantes Grinsen, das in der aktuellen Situation gerade in seinem Falle äußerst deplatziert ist, ich weiß es nicht genau. Daraufhin fielen ein paar weniger liebevolle Worte und Gesten in Richtung des einstigen Topstürmers. Ob wir den Tag noch erleben, an dem er dort weitermacht, wo er im Januar 2014 aufgehört hat, vermag ich nicht zu beurteilen.

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Erneuter Rückstand

Kaum waren die Aggressionen vor dem Block 33 abgeflaut, erzürnte sich das gesamte Stadion. Diese böse Vorahnung, die ich hatte, sie wurde Wirklichkeit. Wenige Minuten war der zweite Durchgang alt, da wurde Serey Dié indiskutables Abwehrverhalten bitterböse bestraft. Gelb vorbestraft ließ er Bastian Oczipka laufen, Haris Seferovic musste nur noch abstauben. Alles, was ich insgeheim gehofft hatte, war dahin. Stille in der Cannstatter Kurve, laute Gesänge aus dem Gästeblock. Der Schock saß tief, dabei sollten wir es ja gewohnt sein, hinten zu liegen. Das Problem war nur: der VfB erholt sich davon für gewöhnlich nicht.

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Der Patzer des Ivorers hatte Folgen, er musste raus, für ihn kam Oriol Romeu. Ein Wechsel, der nicht gerade frenetisch bejubelt wurde, im Gegenteil. Vierzig Minuten noch zu spielen. Was sollte das nur werden? Seit Jahren steht Nina mit mir im Block, doch einige Reihen weiter unten, im Gegensatz zu heute. Angesichts des ernüchternden Zwischenergebnisses auf der Anzeigetafel meinte ich noch, wie sehr ich glauben wollen würde, der VfB würde hier noch zwei Tore schießen – ich könnte mir nur nicht vorstellen, wer sie denn schießen soll. Nina nickte, wir wussten, dass die Partie schon jetzt so gut wie gelaufen war.

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Dass es nun auch noch Timo Werner erwischt hatte, passte ins Bild. Angeschlagen blieb er liegen, die Mannschaftsärzte eilten herbei und mussten ihn stützen, als er außerhalb des Spielfelds an der Kurve vorbeihumpelte. Aufbauender Applaus für den Jungen, der letzte Saison sein erstes Tor hier im Neckarstadion geschossen hatte. Der Gegner hieß damals wie heute: die Eintracht aus Frankfurt. Für ihn kam Filip Kostic, der sich bereits vor der Kurve warm gemacht hatte. Gut eine Stunde war gespielt. Der Frust saß tief, ohne den Funken einer Hoffnung. Wir hatten ja nicht die leiseste Ahnung.

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Locker aus der Hüfte

Nur wenige Minuten später deutete sich der nächste Wechsel an, Marvin Wanitzek stand bereit und bekam bereits Instruktionen von Huub Stevens und Armin Reutershahn. Doch ließ Dr. Jochen Drees noch nicht wechseln, stattdessen führte Timo Baumgartl, erstmals seit der bitteren Partie gegen Dortmund in der Startelf, einen Einwurf neben der Trainerbank aus. Der Beginn einer ganz wundervollen Geschichte. Der Ball kam zu Alexandru Maxim, der ihn galant weitergab an den durchgestarteten Martin Harnik, zusammen mit Daniel Ginczek, die beiden bisher so glücklosen Offensivkräfte.

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Es lag etwas in der Luft, das spürte man schon alleine der plötzlich aufgestandenen Leute auf der Haupttribüne. Kevin Trapp lief heraus und legte Martin Harnik, der mit einem Salto auf dem Hosenboden landete. Den Ball hatte er noch ablegen können. Da rannte er, der Daniel Ginczek, alleine, vor dem leeren Tor, mit dem Ball. Vermassel das jetzt nicht! Komm schon, mach ihn! Er machte ihn. Völlig egal wie, ob es die Hüfte oder die Kronjuwelen waren, es war egal. Mitsamt dem Ball rannte er ins Netz hinein und die „Bro Hymn“ schmetterte durch die Lautsprecherboxen.

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Die Kurve war zuvor in einen lahmen Singsang verfallen, keine gute Darbietung in Anbetracht des heutigen Gegners, doch nun waren wir wieder da. Hallo, wach! Erst die Ansage des Torschützen offenbarte Daniel Ginczek als den glücklichen Nutznießer eines Frankfurter Abwehrpatzers, endlich sein erstes Tor im Brustringtrikot. Der VfB war zurück im Spiel. Das galt jedoch auch zwischenzeitlich in der Partie gegen die Dortmunder, die man dennoch verloren hatte. Harren wir der Dinge, die da kommen – und die kamen schneller als gedacht!

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140 Sekunden

Die Freude in der Kurve war natürlich groß, doch wussten wir realistisch einzuschätzen, das dies nicht mehr als der Ausgleich war, und wir aber im Grunde mehr brauchen als nur einen einzigen Punkt. Der Wechsel hatte sich für Marvin Wanitzek erst einmal erledigt, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Er sollte eigentlich für Alexandru Maxim kommen, der den Ausgleich allerdings in just diesem Moment eingeleitet hatte. Huub Stevens musste geahnt haben, warum er ihn danach weiter auf dem Feld ließ.

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Handgestoppte 140 Sekunden. Nicht mehr, und nicht weniger. Eine monatelange Leidenszeit war für den früheren Nürnberger zu Ende, wochenlang vermochte er das Tor nicht zu treffen, und jetzt? Ein sehenswerter Lupfer von Alexandru Maxim auf den aus dem Hinterhalt gesprinteten Ausgleichstorschützen, fantastisch vollendet mit dem Außenrist. Meinen Augen konnte ich nicht trauen. Sekundenlang hielt ich inne und wartete ab, ob der grenzenlose Jubel, der lauter war als alles, was ich seit gut einem Jahr gehört hatte, nicht doch wieder abebbt. Und dann die Ansage von Holger Laser. Es war tatsächlich das 2:1. Torschütze: Daniel Ginczek.

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Bierfontänen stürzten auf mich hinab, mein Herz raste, Nina und ich lagen uns freudestrahlend in den Armen. Ich schaute mich um. So lange habe ich darauf warten müssen, auf genau das hier. Der schönste Moment seit ewigen Zeiten und die markerschütternde Freude derjenigen, die sich so sehr danach gesehnt haben. In nicht einmal drei Minuten das Spiel gedreht. Die Kurve tobte, und sang das gleichnamige Lied laut heraus. Es war noch nie so wahr wie jetzt in diesem Augenblick.

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Jetzt oder nie

Wo seit Monaten nichts mehr gelingen wollte, gelang nun alles. Die Pässe kamen an, die Köpfe waren freier, der Wille konnte kaum größer sein. Sie wollten diese drei Punkte, genau wie wir Fans! Und auch das Glück war wieder auf unserer Seite, nach einem Foul von Georg Niedermeier an Stefan Aigner blieb die Pfeife des Referees stumm, eine durchaus diskutable Szene mit dem glücklichen Ende für uns, was uns zuletzt so oft verwehrt geblieben war.

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Nichts mehr zu sehen von der Mannschaft, die sich slapstickartig in Leverkusen gegenseitig angeschossen hatte und getreu dem Motto „Nimm du ihn, ich hab ihn sicher“ zu dritt den Weg zum Gegentor ebneten. Nichts mehr zu sehen von den oft lustlos wirkenden Spielern, die den Abpfiff herbei sehnten und selbst dann zufrieden schienen, wenn sie nicht vorgeführt wurde. Sie hielten die Eintracht auf Distanz und gaben alles, die drei Punkte hier zu behalten. Die Uhr tickte. Es war noch nicht vorbei.

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Unruhig kaute ich auf meinen Fingernägeln herum, die Anspannung ließ jeden einzelnen Muskel verkrampfen, die schmerzhaften Folgen spürte ich noch am selben Abend, als das Adrenalin versickert war. Noch gut zehn Minuten zu spielen. Ständig ging mein Blick zur Anzeigetafel, flehentlich sehnte ich den Abpfiff herbei und damit dem Moment, an dem der VfB seinen ersten Sieg im Jahre 2015 und damit auch den zweiten Heimsieg in dieser Saison im Sack hätte. Zehn Minuten können im Fußball eine lange Zeit sein.

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Mit aller Kraft

Sie müssen das irgendwie über die Bühne bekommen, völlig egal wie, um jeden Preis durfte hier nichts mehr anbrennen. Ungeduldig tippelte ich von einem Fuß auf den anderen, die restliche Spielzeit stets im Blick. Filip Kostic kam an den Ball und rannte los, als ginge es um Leben und Tod. Und das stimmte ja auch! Niemand konnte ihn einholen, Gerüchten zufolge versucht Timothy Chandler auch am Tag danach noch, ihn einzuholen. Der Serbe war auf und davon, legte nach innen, wo Alexandru Maxim, der bereits an den anderen beiden Toren beteiligt war, goldrichtig stand. Auch er landete mitsamt dem Ball im Netz. Volltreffer.

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Es müsste jetzt mit dem Teufel zugehen, diese Partie noch herzuschenken. Keine Zehn Minuten vor dem Ende wurde das Stadion mit dem Zwei-Tore-Vorsprung zum Tollhaus. Filip Kostic ließ seinen Jubel gleich hinter der Torauslinie heraus, während der blonde Vollstrecker sich das Trikot vom Leib streifte und zur Eckfahne abgedreht war. Man stelle sich nur vor, Alexandru Maxim hätte kurz vor dem Ausgleich vom Feld gemusst.

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Schöner kann man es sich nicht ausdenken. Nach einer erneut brutal schwachen ersten Hälfte blühten sie auf und nutzten endlich die Möglichkeiten, die sie so oft hatten liegen lassen. Bei uns klappte alles, und bei der Eintracht nichts mehr. Der absolute Wille, der ihnen oft abging, er war sicht- und spürbar. Auch Sven Ulreich hat seinen Anteil daran, nachdem er wenige Minuten nach der vermeintlichen Vorentscheidung zwei Hochkaräter entschärfen konnte, bei letzterem half auch der Kleinste auf dem Feld mit, der an allen drei Treffern direkt und indirekt beteiligt war. Die Spielfreude hatte unsere Nummer 44 wieder entdeckt.

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Ein fast vergessenes Gefühl

Das einzige Trübsal in diesem erfreulichen Moment machte via Smartphone die Runde: Freiburg führte 2:0, man hatte den Zwischenstand vermutlich absichtlich nicht über die Anzeigetafel laufen lassen, um die gute Stimmung nicht im Keim zu ersticken. Denn der Sieg der Breisgauer würde uns im Tabellenkeller lassen, doch so oder so sah nun die Lage für uns wesentlich hoffnungsvoller aus. Die letzten Minuten zogen sich eine Ewigkeit. Die nutzte Huub Stevens für den letzten von drei Wechseln und gönnte dem Doppeltorschützen seinen verdienten Applaus, für ein paar wenige Zeigerumdrehungen kam Namensvetter Daniel Schwaab ins Spiel.

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Drei Minuten Nachspielzeit galt es noch schadlos zu überstehen. Den Sieg sollten wir uns nicht mehr nehmen lassen, doch war er noch nicht gekommen, der Moment des Abpfiffs. Pünktlich um 17:18 Uhr ertönte endlich der erlösende Pfiff. Die Fans hatten sich bereits auf der Mauer postiert, ich beobachtete das Ganze mit einem Grinsen im Gesicht. 15 Sekunden vor dem Ende ertönte der kollektive Schrei „Sieg!“, um kurz darauf im ohrenbetäubenden Getöse unterzugehen.

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Dass wir das noch erleben dürfen! Am Ende der Saison wird abgerechnet und es wird sich zeigen, wieviel diese drei Punkte wert waren, doch in diesem Moment waren sie nur eins: überlebenswichtig, denn der gleichzeitige Sieg der Freiburger und der Punktgewinn der Paderborner hätte das rettende Ufer in weite Ferne rücken lassen. Das war unser Moment. Und wenn es nach uns geht, jener Moment, an den wir am 34. Spieltag zurückdenken werden, wenn wir unser Glas auf den Klassenerhalt erheben und genau wissen, welche Partie die entscheidende war.

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Eine neue Hoffnung

Den Applaus konnten sie sich zurecht abholen. Ein kompletter Bruch zwischen Mannschaft und Fans hatte gedroht, es war die einzig richtige Antwort und der wichtige Schritt in die richtige Richtung. Ob es am Ende reicht oder nicht, kann noch keiner voraussagen. Doch die Hoffnung, sie lebt wieder, auch bei jenen, die den VfB bereits todgeweiht hatten. Ja, auch ich sehe wieder ein kleines bisschen Licht am Ende des Tunnels. Spätestens in Paderborn werden wir wissen, ob es nicht doch die Rücklichter eines Zuges waren, der bereits abgefahren ist.

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Sehr lange konnten wir nicht bleiben, mit der Masse ließen wir uns nach draußen spülen, wo mein bester Freund und seine Frau bereits auf uns gewartet hatten. Ein Tisch war reserviert im Cannstatter Tor neben dem Bahnhof, das Lieblingslokal von Felix und mir. Welch erhabenes Gefühl, mit erhobenem Kopf die Mercedesstraße hinunter laufen zu können. Alles um mich herum grinste und lachte, eine mehr als willkommene Abwechslung zu all den hängenden Köpfen. Den Abend genossen wir bei gutem Essen im entspannten Kreise.

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Bis in die Nacht hinein war ich mit den Fotos zugange und schlief einige Zeit später lächelnd ein. Meine Beine schmerzten, mein Hals tat vom vielen Schreien weh, doch gibt es trotz allem nichts Schöneres. Acht Spiele gilt es noch zu absolvieren. Niemand kann sagen, was in Wolfsburg passieren wird. Doch solange sich die Jungs auf das besinnen, zu was sie wirklich im Stande sind, können wir hoffen. Weiter, weiter, immer weiter.

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