Fußball kann so unheimlich grausam sein. An dem einen Tag bist du noch quietschvergnügt, erfreust dich an den Geschehnissen rund um deinen Herzensverein, blickst optimistisch in die Zukunft – und auf einmal stehst du da, mit einem Hauch von Nichts in der Hand. Der Frust türmte sich hoch auf in mir, bewog mich zu Aussagen, die ich nun zwei Tage später relativieren muss. Was bleibt vom Saisonauftakt gegen Köln? Die Enttäuschung, dass es zu mehr nicht gereicht hat. Doch auch: ein Hoffnungsschimmer. So ist es unser VfB, der gerade dabei ist, sich neu zu erfinden.

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In meinen Kopf vermag es einfach nicht durchzudringen, was für die Allermeisten, die den Brustring im Herzen tragen, eine nahezu durchweg gleich klingende Aussage war. Das beste Spiel der letzten Jahre, hohes Tempo, aggressives Pressing und die Erarbeitung massiger Torchancen. Unsere Jungs überrannten die Kölner. Und doch sitze ich jetzt hier, die Schmerzen der anstrengenden Karawane noch in den Knochen, und ärgere mich fast schon maßlos darüber, dass es die Gäste waren, die die Punkte mitnahmen.

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„Unverdient“ – ja, durchaus. Doch wen interessiert das noch in zwei, drei Wochen? Am Ende interessiert nur eines, nämlich die Punkteausbeute und die war trotz hochkarätiger Möglichkeiten schlichtweg nicht gut genug. Wenn uns das Glück hold ist und sie die Leistung öfter zeigen, so mag man sich kaum ausmalen, wo dieser Weg hinführt, solange er nur eines bedeutet: weg vom Abstiegskampf, weit weit weg. Dabei hätten wir einen Auftaktsieg so gut gebrauchen können.

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Bloß keine Euphorie

So lange wehrte ich mich in den letzten Wochen gegen die positive und wohlwollende Stimmung, die in meinem Umfeld um sich gegriffen hatte. Erfreuliche Berichte aus dem Trainingslager, ein schonungslos ausgemisteter und punktuell verstärkter Kader, wichtige Vertragsverlängerungen und das Gefühl, dass alles besser werden würde. Ein neuer Geist war entstanden, der ausnahmensweise nichts mit dem gefürchteten Abstiegsgespenst gemein hatte. Aber reicht das, um nach Höherem zu streben?

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Nach einem nervenaufreibenden Herzschlagfinale war alles, was uns geblieben war, die Hoffnung, dass eines Tages bessere Zeiten auf uns zukommen würden. In den letzten schweren Wochen rückten wir zusammen und bewiesen einen Zusammenhalt, den wir nicht mehr für möglich gehalten hatten. Und nun, in dieser Sommerpause, hatte man das Gefühl, es würde tatsächlich besser werden. So ganz wollte ich dem Braten nicht trauen, wollte die Vorbereitung abwarten, das erste Pokalspiel und die ersten Bundesligaspiele.

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Bloß keine Euphorie, hatte ich gewarnt – und stelle doch nun geläutert fest, dass ich mich mittendrin befand, ohne es zu merken. Mit einer Auftaktniederlage gegen Köln hatte ich schließlich schon aufgrund einer 19 Jahre alten Statistik des Grauens gerechnet. Warum regte ich mich dann so unheimlich darüber auf, dass genau das eintrat, was ich prophezeit hatte? Weil es weh tut. Weil es unverdient war. Und weil ich mit jeder Faser meines Herzens wollte, dass es gut geht, stellvertretend für die Geburtsstunde eines neuen Selbstverständnisses, einer neuen Zeitrechnung, eines neuen VfB.

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Alle in weiß zur Karawane

Die positive Energie, sie durchzog alle Winkel und Gassen von Stuttgart und dessen Umland. Es war anders als sonst. Wo die Sommerpause sonst für meinen Geschmack noch sehr viel länger hätte sein dürfen, schürte man hierzulande die Vorfreude – beinahe so, als hätte die vergangene Saison keinerlei Spuren hinterlassen. Die Sehnsucht nach besseren Zeiten führte uns an jenem Wochenende dorthin, wo in jeder Spielzeit alles seinen richtigen Anfang hat: zur Karawane Cannstatt. Tausende hatten sich am Cannstatter Bahnhof versammelt, um zum zehnten Mal gemeinsam zum Stadion zu laufen.

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Besorgt hatte ich den ganzen Vormittag über aus unserem Wohnzimmerfenster gelunst, mit der vagen Hoffnung, der Regen würde doch bitte endlich aufhören. Petrus schien unsere Gebete nicht erhören zu wollen und schickte dicke Regenwolken über die Landeshauptstadt. Wohin man auch blickte, überall waren weiße Trikots und die extra angefertigten Mottoshirts mit der Aufschrift „Jeder Einzelne ist der 12. Mann zu sehen. Hunderte Ginczeks, Kostics und Didavis inmitten eines riesigen weiß-roten Pulks. Genau drei Monate ist es her, dass wir hier gemeinsam zum Heimspiel gegen Hamburg gestartet sind. Heute waren die Minen deutlich heller und hoffnungsvoller.

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Bevor sich die Karawane ihren Weg zum Neckarstadion bahnte, gab es interessante Vorträge zur Geschichte dieser liebgewonnenen Tradition und über den Abstiegskampf der letzten Saison, der dank jedem Einzelnen von uns letztendlich gut gegangen war, mit den Begbie Boys aus Stuttgart gab es auch musikalische Untermalung dieses großen Tages. Selbst Petrus zeigte sich dann doch einsichtig und ließ den Himmel kurz vor dem Karawanen-Start aufklaren. Beste Bedingungen für uns Fotografen, die wir uns alle Jahre wieder auf der Straße versammeln.

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Traue (k)einer Statistik

Unsere Rollen sind bereits seit Jahren klar verteilt: während Felix sich den bestmöglichen Platz auf der Brücke vor der Schleyerhalle sichert, begleite ich die Karawane von vorne, laufe mit, weitgehend im Rückwärtsschritt, was sehr viel Kraft und Koordination kostet. Jahr für Jahr ein beeindruckendes Bild, dass wir hier traditionell zum ersten Heimspiel abgeben. An die 10.000 VfB-Fans waren erwartet, doch waren es weit weniger als die letzten Male, das anfänglich schlechte Wetter ließ zu viele Leute der Karawane fern bleiben.

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Es kribbelte gar sehr in meinem Bauch, endlich geht es wieder los, endlich wieder Fußball, endlich wieder VfB, endlich wieder Freunde und Bekannte wiedersehen, endlich wieder dem größten Hobby frönen. Bei so viel positiver Energie muss doch einfach was gehen! Wenn da uns mal die DFL keinen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Schon zur Veröffentlichung des Spielplans hob ich mahnend mit tiefen Sorgenfalten den Finger: „Köln? Daheim? Ohje, die Statistik“. Und die lügt bekanntermaßen nicht. 19 Jahre ist der letzte Heimsieg her. Wobei, man hatte auch 19 Jahre für den ersten Auswärtssieg in Berlin gebraucht. Warum also nicht heute?

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Lange stand ich vor den Toren der Kurve und wartete auf den Einlass, kurzweilige Unterhaltung bot sich mir in Form eines überraschenden bekennenden Blog-Lesers aus Schwäbisch Hall, der wohl sehr überrascht war, in dieser Menschenmenge ausgerechnet neben mir zu stehen – er sei gegrüßt an dieser Stelle! Mit jedem Schritt schlug mein Herz schneller, als ich die Treppenstufen zu meinem Platz hinab lief. Wohin ich auch schaute, fand ich bekannte Gesichter, mit denen ich vergangene Saison hin und wieder gefeiert, aber doch viel mehr gelitten habe. Pöbeln, lachen, gröhlen, schimpfen, trinken – die Geräuschkulisse hatte mir wahrlich gefehlt.

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Neue Spielzeit, neue Hoffnungen

Bereit für neue Taten, blickte ich mich um, hoffend, fragend, was würde diese Spielzeit wohl für uns bereithalten? Selten war ich vor einer neuen Saison so positiv gestimmt. Nun stand ich hier. Beim ersten Heimspiel gegen Köln. Und konnte mich in der einen oder anderen Sekunde des Gedankens nicht verwehren, dass es der Angstgegner war, der hier zu Besuch gekommen war. Schon letzte Saison zog die Karawane zum ersten Heimspiel gegen Köln, verlor sang- und klanglos mit 0:2 und gab uns einen ersten Vorgeschmack darauf, was wir noch alles durchleiden müssten. Ein bisschen Angst verspürte ich zweifelsohne in meinem Genick.

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Ein weiterer hoffentlich Glück bringender Playback-Auftritt der Fraktion, ein Spalier von Schornsteinfegern und eine Kurve, die einfach heiß darauf ist, alles was war, hinter sich zu lassen, und gemeinsam mit der Mannschaft zu neuen Ufern aufzubrechen. Es war zu spüren, dass es anders war, als je zuvor. Nichts anderes könnte einen eingefleischten Pessimisten wie mich zumindest kurzfristig im Gefühl der wohlwollenden Hoffnung wiegen.

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Bewahrheitet sich die Mär vom neuen Stuttgarter Offensivspiel, wir werden nicht wieder bis 17 Minuten vor Ende der Saison um den Klassenerhalt zittern müssen. Welche Rolle da ein positiver Start in die Saison spielen kann, werden wir in den nächsten Wochen beobachten müssen. Doch die Hoffnung, sie war da, sie ist da, sie wird auch weiterhin da sein. Mit lautem Applaus begrüßten wir die Protagonisten des letzten Spiels am ersten Spieltag. Gänsehaut auf meinem Arm, als alle Fahnen wehten, die Schals hochgehalten wurden und wir alle unsere Stimme für unseren Verein erhoben. Zuhause. Nirgendwo ist es schöner.

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Zwei Mal Pfosten in zwölf Minuten

Der Ball rollte, es war angerichtet. Lieber Fußballgott, lass diese Saison nur ja nicht so spannend werden wie die letzte. Gesichertes Mittelfeld ohne Angst nach hinten, das ist wirklich alles, was wir wirklich wollen. Gerade noch fasste ich jenen Gedanken, da ging ein Raunen durch die Menge. Ein Glück, dass ich es mit eigenen Augen nicht sehen konnte, wie die Kölner nach nicht einmal 90 Sekunden den Pfosten trafen. Was wäre das nur für ein traumatischer Auftakt gewesen? Tief durchatmen, noch wussten wir nicht, wie sich das Spiel im weiteren Verlauf gestalten würde.

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Im Februar bot unser Auswärtsspiel in Köln beim 0:0 fußballerische Magerkost, doch würde es diese Partie gewiss nicht sein, das zeigten bereits die ersten Minute. Wieder wackelte das Gebälk nach einem Weitschuss von Daniel Didavi, aus ähnlicher Position hatte er einst völlig unscheinbar gegen Mainz getroffen und den Endspurt zum Klassenerhalt eingeläutet. Es ließ sich gut an hier im Neckarstadion und was uns unsere Mannschaft bisher anbot, war aller Ehren wert. „Hier geht was!“ dachte ich und schaute angespannt und doch hoffnungsvoll aufs Spielfeld hinaus.

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Wieder Pfosten! Zwölf Minuten gespielt und schon zwei Mal knapp am Aluminium gescheitert. Gibts das denn? Alexander Zorniger hat schon jetzt seine Spuren hinterlassen bei einer Mannschaft, von der man sich nicht sicher sein konnte, wie sie den Systemwechsel wegsteckt. Es scheint zu funktionieren, das „System Zorniger“, das zeichnete sich bereits beim kurzweiligen Testspiel gegen Manchester ab. Ob es auch von Erfolg gekrönt sein wird, da sind wir alle sehr gespannt. Es wäre uns allen zu wünschen nach Jahren des weitgehend konzeptlosen Kickens. Auf das wir eines Tages wieder sagen können: „Wir sind wieder wer!“.

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Das Spiel auf ein Tor

Man mochte seinen Augen nicht so wirklich trauen. Während die Kurve unter meinen immer stärker schmerzenden Füßen vibrierte, sah ich auf dem Feld eine Darbietung, die mich nicht daran zweifeln lässt, dass diese Saison erfolgreicher werden würde als die letzten, die uns unheimlich viele Nerven und Kraft gekostet haben. Wann hat man denn zuletzt eine solch leidenschaftliche, bemühte und offensive Leistung gesehen? Es ist lange her, das ist gewiss. Hunderte Chancen, im Minutentakt rollten sie auf das Tor von Timo Horn zu – doch sie brachten das Leder einfach nicht im Gehäuse unter. Dabei hatten wir mit den Begbie Boys auf dem Cannstatter Bahnhofsvorplatz noch das Singen der Tormelodie geübt.

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Nach 45 Minuten spannenden Minuten pfiff Schiedsrichter Wolfgang Stark zur Halbzeit, doch zu der anfänglichen Hoffnung, hier noch Tore vom VfB zu sehen, hatte sich minütlich mehr und mehr Angst dazu gesellt. Auch Kumpel Sascha, der zur Halbzeitpause kurz den Block verlassen hatte, machte bei mir halt, wandte sich mir zu und sagte „Das rächt sich“. Ohne etwas zu sagen, nickte ich und starrte wortlos ins Nichts. Sollte der VfB hier nicht direkt zu Beginn des zweiten Durchlaufs treffen, würde man mit Sicherheit bestraft. Ich kenne die Mechanismen des Fußballs, doch ahnte ich nicht, wie sehr mich der Frust ins Mark treffen würde.

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Der Ball rollte wieder, der VfB spielte nun in Richtung der Cannstatter Kurve. Bei dem Gedanken daran konnte einem wirklich warm ums Herz werden, die Vorstellung davon, hier das Tor zu erzielen und zu spüren, wie die ganze Kurve tobt. Was hatten sie uns nicht Nerven gekostet, doch sie wollten alles besser machen, das sagten sie nicht nur den Medien, sie zeigten es uns auf dem Platz. Diese Partie zu gewinnen wäre so unheimlich wichtig, doch wie willst du gewinnen, wenn du deine hochkarätigen Chancen einfach nicht ausnutzt?

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Eine leise Befürchtung

Die Kölner, sie schwammen und wussten einfach nicht wohin mit sich, zu schwer taten sie sich mit Martin Harnik, Daniel Ginczek, Filip Kostic und Daniel Didavi, unserem magischen Viereck für Torgefahr. Der Kasten schien wie vernagelt, nicht nur die Latten- und Pfostenschüsse, auch die ganz knappen Reflexreaktionen des Kölner Keepers hielten hier die Gäste vom Rhein noch im Spiel. Als sollte es einfach nicht sein, den Jubelschrei schon auf den Lippen verstummten wir schnell, Jonas Hector hatte den Ball noch von der Linie gekratzt.

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So viel Pech kannst du doch nicht haben! Oder etwa doch? Immer wieder kratzten sie an der Führung und scheiterten dann doch auf denkbar unglücklichste Art und Weise. Aus der Frage, wann hier endlich das überfällige Tor für den VfB fällt, wurde allerdings langsam eine grausige Befürchtung, die ich nicht auszusprechen vermochte. Ich solle cool bleiben, schrie mich ein langjähriger Kumpel an, packte mich am Kragen, schüttelte mich einmal durch und war sich sicher: „Der VfB macht das, pass auf!“ – dein Wort in deren Gehörgang, lieber Philipp!

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Die Uhr tickte, mit jeder Minute wurde ich unruhiger, so auch die Kurve, die nach starkem Beginn wieder abgebaut hatte. Braucht es immer Extremsituationen wie die Spiele gegen Mainz und Hamburg, um den letzten Funken aus dieser stolzen Kurve herauszukitzeln? Nicht einmal mehr eine Viertelstunde, noch immer prangte das torlose Remis auf der großen Anzeigetafel über unseren Köpfen. Ein einziger Moment reicht aus, ein einziges Tor kurz vor Schluss, das uns den Sieg beschert, ich wäre so unheimlich glücklich gewesen.

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Bitterer Doppelschlag

Doch die Rechnung haben wir ohne den Fußballgott gemacht. Einer der wenigen Angriffe der Kölner kam vom Neuzugang Anthony Modeste, der in den Strafraum hineinlief. Jeder rechnete mit einer Flanke auf einen mitgelaufenen Kölner, doch sah ich in gefühlter Zeitlupe, wie Przemyslaw Tyton herausstürmte. Oh Gott, bitte nicht. Oh doch. Ein kurzer Pfiff und alles, was man erhofft hatte, ging vor unseren Augen zugrunde. Elfmeter für Köln, Anthony Modeste trat selbst. Unser neuer Keeper war zwar noch dran, aber der Strafstoß war zu platziert geschossen. Die Ereignisse waren völlig auf den Kopf gestellt.

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Schockstarre in der Cannstatter Kurve. Wie unfassbar, nach so vielen vertändelten Großchancen nun zurückzuliegen. Und es kam noch schlimmer. Kaum hatte man sich davon erholt und ging wieder zum lautstarken Support über, da lag der zweite Ball schon im Netz. Willkommen in meinem ganz persönlichen Alptraum. Alexandru Maxim kam für Lukas Rupp, in der Hoffnung, dass er noch mit einem magischen Moment die Wende herbeiführen kann. Der so spielstarke VfB, zerfallen in seine Einzelzeile, binnen von drei Minuten. Da fällt dir nichts mehr dazu ein.

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Wie war das nur möglich? Wir waren doch…? Ich mein, das geht doch nicht…? Die Ereignisse überschlugen sich, Simon Zoller, der Torschütze des 0:2 grätschte Filip Kostic von hinten in die Hacken, erneuter Strafstoß, nur eine Minute später. Was ist denn hier los? Daniel Didavi trat an, als sich die Blicke einer hoffnungsvollen Stadt auf ihn senkte. Ohne eine Mine zu verziehen observierte ich das, was vor der Cannstatter Kurve geschah. Ein verzögerter Anlauf, ein lauter Jubel, doch ich schwieg. Beharrlich. Fällt der Ausgleich, freue ich mich, doch der Frust, der noch zwei Tage später weitgehend vorhalten sollte, saß bereits zu tief.

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Ein völlig verdrehter Spielverlauf

Innerlich hatte ich die Hoffnung bereits aufgegeben. Gewinnen würde der VfB dieses Spiel wohl nicht mehr, doch reicht es zumindest, den Ausgleich zu erzielen und wenigstens ein kleines bisschen etwas Zählbares aus dieser Partie mitzunehmen, dass Möglichkeiten für ein 5:0 bereitgehalten hatte? Mit nur jeder zweiten verwandelten Großchance hätte man hier die Kölner zurecht haushoch schlagen können, gar müssen. Doch wir kennen sie ja alle, die älteste aller Fußballweisheiten: „Wenn du die Tore vorne nicht machst, dann bekommst du sie hinten!“ Ein besseres Beispiel vermag es kaum zu geben.

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Gebrochen war ihre Moral noch nicht, aber die beiden schnellen Tore hatten ihre Spuren hinterlassen, die Kraftreserven waren fast leer, Hochgeschwindigkeitsfußball war nicht mehr möglich. Tick. Tack. Tick. Tack. Kommt schon, noch irgendwie den Ausgleich hineinmurmeln, egal wie, egal wer, Hauptsache es fällt noch irgendwie ein Tor für unseren VfB. Alles nach vorne, selbst Przemyslaw Tyton, in meinen Augen einer der Schuldigen für die unnötigste Niederlage seit langem, ging mit nach vorne.

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Die Nachspielzeit lief bereits, wenn sie noch treffen wollen, dann sollten sie es jetzt tun. Es wäre so gerecht. Aber manchmal ist der Fußball eben nicht gerecht. Drei Ecken in Folge brachten erneut nichts ein und kurz darauf rannten Anthony Modeste und Yuya Osako alleine auf unseren Keeper zu, der Japaner machte den Sack zu. Ist das bitter. Ist das ungerecht. Ist das scheiße. Es fällt schwer, Worte dafür zu finden und nach 48 Stunden dachte ich, ich könnte darüber hinweg sehen, dass es ja nur das Auftaktspiel war. Nein, 48 Stunden später schwillt mir beim Gedanken daran noch immer der Hals.

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Hinfallen, Brustring richten, weiterlaufen

Wenig später war es vorbei. Jubel bei den Kölnern, die ihren Sieg einzig und allein unserer Unfähigkeit, Tore zu schießen, verdanken zu haben. Es wird ihnen egal sein, in zwei Wochen fragt niemand mehr, ob es verdient war oder nicht, ob der VfB das beste Spiel seit Jahren gemacht hat oder nicht. Wichtig ist allein, was am Ende zu Buche steht. Null Punkte gegen den Angstgegner aus Köln, der auch weiterhin wohl einer bleiben wird. Gibt es Worte für ein solch verdrehtes Spiel? Haushoch überlegen, am Ende deutlich geschlagen. Ein harter Schlag in die Magengrube, dabei war man gerade dabei, seinen Stolz wieder zu entdecken und mit geschwellter Brust zu beweisen, was in einem steckt. Es ist einfach nicht gerecht.

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Viele machten sich schnell auf den Weg nach Hause, während der Rest verharrte und die Mannschaft vor der Kurve empfing. Wie würden die Reaktionen wohl aussehen? Ich erinnere mich daran, was vor einem Jahr passiert war, nach dem Pokal-Aus in Bochum und der Heimniederlage gegen den gleichen Gegner wie heute. Pfiffe. Laute Pfiffe. Man hatte schon früh geahnt, dass die Beziehung zwischen Mannschaft und Fans durch ein Stahlbad gehen müsse. Leise lauschte ich um mich herum, statt Pfiffen ertönte wohlwollender Applaus. Weiter schwieg ich.

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Hätte ich das Spiel „lieber“ nach einer schlechten Leistung verloren? Dann wüsse ich wahrscheinlich zumindest, weshalb. Ein gutes Spiel, tausend Chancen, und verloren – es wollte in meinen Kopf nicht rein, weder am Sonntag, noch gestern, noch heute. Es brodelte in mir, die Wut war groß und ließ mich Dinge sagen, die mich schnell als „verrückt“ abgestempelt zurückließen. Mir schwante Böses, hatte ich gesagt, für das kommende Auswärtsspiel in Hamburg. Wie gut sich die Mannschaft im Sommer weiterentwickelt hatte, wie gut die Leistung hier war, trotz des verdrehten Spielverlaufs – das alles wollte ich nicht erkennen in meinen dunklen Gedanken, die schon jetzt um das Wort „Abstieg“ kreisten.

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Glaube und Hoffnung

Der Knoten wird platzen – das hoffe ich doch zumindest! Mit Abstand betrachtet und den ganzen 90 Minuten in voller Länge begutachtet, so muss uns wahrscheinlich nicht wieder Angst und Bange sein. Du kannst dein Pferd zur Tränke führen, aber saufen muss es dann alleine. Wenn sie die Tore nicht machen, wird es schon bald wieder finster aussehen und alles, was man sich so sehr von der neuen Spielzeit erhofft hatte, wird bald vergessen sein. Sie haben uns gezeigt, was in ihnen steckt, wenn es darauf ankommt. Machen sie so weiter, muss ich keine Sorge haben – das überlasse ich lieber den anderen 17 Mannschaften.

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Ein weiteres Mal dauerte es eine halbe Ewigkeit, bis wir das Stadion verließen, es gibt eben Dinge, die ändern sich niemals. Ungeduldig hopste ich von einem Bein aufs andere, die Schmerzen waren fast schon unerträglich geworden und zehrten an mir. Erneut setzte der Regen ein, ein Wetter so toll wie meine Stimmung. Bis in die Nacht hinein saß ich alleine vor meinem Rechner, sichtete und bearbeitete eine Auswahl von insgesamt 1.373 Fotos und dachte vor allem darüber nach, wie ungerecht der Fußball doch manchmal sein kann.

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Ein wenig mehr Vertrauen in die Jungs würde mir sicherlich gut tun. Ich will glauben. Ich will glauben, dass diese Mannschaft in der Lage ist, diese Leistung noch öfter abzurufen. Ich will glauben, dass sie mit Leidenschaft das zeigen, was wir ihnen weite Teile der vergangenen Spielzeit schlichtweg abgesprochen hatten. Ich will glauben, dass es ein besseres Schicksal für den VfB gibt, als wir uns nach jener harten Spielzeit erdacht haben. Ich will glauben, dass das Gute zu uns zurückkehrt.

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