Nass wie ein begossener Pudel. Als wir des Nachts heimkehrten, erinnerte mein Anblick an den VfB selbst, wie er zwischenzeitlich auf dem neu ausgelegten Rollrasen stand. Eine gefühlte Ewigkeit später war ich endlich aus den nassen Klamotten heraus. Stiefel, Socken, Jeans, zwei Pullis und meine Thermo-Strumpfhose, alles wurde lustlos in der Wohnung verteilt. Eine kleine Last fiel von mir ab, selbst wenn in einigen Wochen niemand mehr danach fragen würde, wie das Viertelfinale erreicht wurde.

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Ob jenes Pokalspiel am Ende den in meinen Augen wichtigsten Zweck erfüllen wird, werden wir abwarten müssen. Selbstvertrauen. Das braucht die Mannschaft so viel mehr als die Doppelbelastung und die potenziellen TV-Gelder. Wenig rühmliches, dafür umso packenderes bekamen wir zu sehen, während der Regen nahezu unablässig auf die vorderen Reihen der Cannstatter Kurve fiel. Es war einer dieser Abende, die die meisten lieber daheim gemütlich im Warmen verbringen wollten und dies auch taten.

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Gespenstische Leere auf den Rängen, nur 21.950 Zuschauer waren gekommen und straften den VfB konsequenterweise für das, was uns im Kalenderjahr 2015 zugemutet wurde: die Mannschaft hatte das Stadion leer gespielt. Nur wir waren da. Wir, die Cannstatter Kurve, die wir für den Verein einstehen und ihn auf all seinen Wegen unterstützen. Wie schwer das ist, können sich viele vermutlich nur im Ansatz vorstellen.

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Mit blauem Auge davon gekommen

„Hauptsache weiter!“ hörte ich seit Mittwochnacht immer wieder. Doch ist es wirklich so einfach? Sollten wir die Tatsache übersehen, dass man einem Zweitligisten nicht einmal in 90 Minuten den Schneid abkaufen konnte? Sollten wir darüber hinweg sehen, wie schwer sich die Mannschaft tat und erst zwei Minuten vor dem Elfmeterschießen das dritte und damit erlösende Tor machte? Sollte es uns nicht viel eher beunruhigen, dass man erneut so viele Chancen hatte, dass sie für drei Spiele reichen würden, und nur drei davon verwandelt hat?

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Gerade noch einmal gut gegangen. Dass der Verein tiefgreifende sportliche und finanzielle Probleme hat, steht außer Frage. Die Hoffnung auf hilfreiche Neuzugänge im Winter tendiert gegen Null, nur die Angst vor schmerzhaften Abgängen ist das, was ich mir von der vierwöchigen Pause erwarte. Dass man gegen einen Zweitligisten gerade noch einmal mit einem blauen Auge davon kam und die Blamage wenn auch glücklich vermeiden konnte, kann uns im Grunde nicht blenden. Dafür liegt zu viel im Argen.

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„Dann bleib doch daheim, wenn du ständig was zum Maulen hast“ musste ich mir auf Twitter anhören. Ist das so, ja? Diese Worte können nur von jemandem stammen, der den Ernst der Lage offenbar verkennt und geblendet ist von der Tatsache, im Pokal überwintern zu dürfen. Es ist noch lange kein Land in Sicht. Unrühmliche Darbietungen, Pech und Unglück, als Tabellenletzter fristen wir unser Dasein und daran wird vermutlich auch das kommende Ligaspiel gegen Wolfsburg nichts mehr ändern. Es gab durchaus schon einfachere Zeiten.

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Beinahe wie ein Testspiel

Ein Heimspiel unter der Woche. Es fühlte sich ein wenig an wie Europapokal, diese fast schon vergessenen Abende, vor ein paar wenigen zehntausend Zuschauern, doch genossen wir die Zeit, meistens jedenfalls. Bedrohlicher könnte die sportliche Situation für den VfB momentan kaum sein, dessen sind wir Fans uns auch bewusst. Viele zogen ihre Konsequenzen daraus und nutzten ihre freie Zeit am Feierabend für schönere Freizeitbeschäftigungen als den Fußball (so etwas gibt’s?), blieben dem Neckarstadion fern und hinterließen damit klaffende Lücken auf den Tribünen.

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Es hatte bereits angefangen zu regnen, als ich mich in Renningen direkt vom Büro aus auf den Weg machte. Von der Frau des Chefs freundlicherweise noch zum Bahnhof gebracht, nahm ich Platz in der S-Bahn, die mich wie jeden Tag nach Bad Cannstatt bringen sollte. Statt nach rechts zum Wilhelmsplatz hinaus lief ich nach links in Richtung Wasen, vorbei an einigen Gleichgesinnten durch den Regen der Dunkelheit. Wenigstens im Stadion sollte ich ein Dach über dem Kopf haben – zumindest dachte ich das noch.

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Das Licht der Straßenlaternen spiegelte sich durch die vielen Pfützen auf den Straßen, schnellen Schrittes lief ich ins Stadion, allein, denn Felix war bereits vor Ort. Beinahe wie ein Testspiel fühlte es sich an, so wenig war los auf der heiligen Strecke zum Neckarstadion. Wo sich sonst die Massen auf den Füßen standen und Langsamlatscher meine Aggressionen schürten, schaute ich mich um und sah nur wenige Mitmenschen um mich herum. Viele von ihnen hatten einen weiß-roten Schal um den Hals gewickelt, obwohl es bei milden Temperaturen alles andere als kalt gewesen war.

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Zwischen Hoffnung und Erinnerung

Lange verweilte ich nicht vor den Toren des Stadions, ein kurzes spontanes Twitter-Treffen später stand ich bereits wieder an meinem Platz und blickte auf eine komplett leere Untertürkheimer Kurve, die sie gar nicht erst geöffnet und die dortigen Karteninhaber auf Haupt- und Gegentribüne verteilt hatten. Selbst dort saßen jeweils nur ein paar wenige Hanseln, doch obwohl ich hier unten am ersten Wellenbrecher des Blocks 33 im Regen stand, so füllten sich unsere Reihen, so wie sie es immer taten. Wenn alle anderen bereits daheim bleiben, steht die Cannstatter Kurve noch hier.

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Viel ausgemalt hatte ich mir für diesen Abend nicht. Idealerweise würde der VfB es gewinnen, bestenfalls deutlich, doch wie es auch ausgehen möge, ich hoffte nur, nach 90 Minuten das Stadion verlassen zu können. In den letzten stressigen Tagen vor Weihnachten habe ich daheim mehr Dinge noch zu erledigen als mir lieb sein kann, auf eine Verlängerung oder gar Elfmeterschießen wollte ich zu gerne verzichten – bisher ging es bei meinen Stadionbesuchen schließlich auch ohne all das.

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Als die Mannschaften das Feld betraten, waren die ersten paar Reihen bereits triefnass. Mit einem unguten Gefühl im Magen, wie könnte es auch anders sein, schaute ich auf die Kurve, die ein weiteres Mal für ihren Verein da sein würde; sah einen Gästeblock, der mit einer kleinen Choreo aufwartete; und ich sah das Wiedersehen zweier Teams, die in nicht allzu entfernter Vergangenheit aufeinander trafen: Acht Minuten vor Schluss traf Ex-Stuttgarter Ermin Bicakcic zum 2:2 und ließ endgültig alle Nerven blank liegen, Stunden später standen wir noch in der Kurve, am Tag darauf trennte man sich von Thomas Schneider.

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Ernüchternder Auftakt

Schon alleine beim Blick auf die Statistik konnte einem Angst und Bange werden. Unsere heutigen Gäste sind in der zweiten Liga momentan Fünfter mit nur 14 Gegentoren, während wir Letzter der ersten Liga sind, mit sage und schreibe 36 Gegentoren. Es wäre beinahe zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Die Angst war zu spüren, sich heute abermals zu blamieren, doch waren viele gar der Meinung, sie sollen lieber ausscheiden und sich auf die Liga konzentrieren, eine Meinung, die ich wohl kaum zu teilen vermag.

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Wir hatten ja noch jede Menge Zeit in dieser Partie. Ich musste es mir nur immer wieder einreden, nachdem die Braunschweiger bereits nach nicht einmal sechs Minuten führten und sich für ein paar Sekunden der Mantel des Schweigens auf die paar wenigen Zuschauer senkte, die dem Brustring wohlwollend gesonnen waren. Die erste Ecke der Niedersachsen verwertete Joseph Baffo im Nachschuss. Dass das Tor wegen einem Stürmerfoul nicht hätte gegeben werden dürfen, lasse ich jedoch dezent unter den Tisch fallen, denn wir alle wissen ja, was später passiert war.

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Wie sollte ich denn Hoffnung aufs Weiterkommen schöpfen, wenn es direkt schon so losging? Wäre der Ball vier Minuten später nach Emiliano Insuas Weitschuss durch die Hände von Rafal Gikiewicz geglitten und der Ausgleich schnell gefallen, vielleicht wäre sie dann schneller zurückgekehrt. So aber blieb uns nur übrig, abzuwarten. Warten auf den einen Moment, in dem die Kurve wieder die Jubelfaust gen Himmel streckt und kurz vergisst, wie trüb und grausam der Alltag in der Bundesliga ist.

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Niedermeier, Niedermeier, Ausgleich!

Und auf einmal war er da. Der Moment. Der Jubel. Der Niederstrecker. Unter Alexander Zorniger zum Dauerzuschauer degradiert, angesichts seiner teilweise hölzernen, aber stets kämpferischen Abwehrleistung, feiert er nun unter (Interims-?)Coach Jürgen Kramny sein Comeback. Vor Jahren ließ ich mir ein VfB-Jahrbuch signieren, nicht auf seinem eigenen Bild, sondern just neben dem Bundesliga-Logo, welches aussah wie sein Tor einst gegen Wolfsburg. „Niedermeier, Niedermeier, Ausgleich!“ Er hatte wieder zugeschlagen.

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Gut 20 Minuten dauerte es, bis Georg Niedermeier völlig allein gelassen wurde und nur noch seinen Kopf hinhalten musste. Neue Hoffnung, neuer Spielstand, und der Beginn eines Anrennens, das uns allen noch aus den ersten Spielen dieser Saison allzu bekannt vorkommen dürfte: tausend Chancen, wenig Tore. Ob sie daraus gelernt haben und es nun besser machen, blieb uns nur zu hoffen, denn etwas anderes außer unserem letzten Funken Hoffnung haben wir nicht mehr.

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Vielleicht wäre die Partie anders gelaufen, wenn Filip Kostic nach Timo Werners Konterlauf nicht den Ball in der 30. Minute an den Außenpfosten gesetzt hätte. Vielleicht wäre die Partie anders gelaufen, wenn Alexandru Maxim den Elfmeter nach 36 Minuten platzierter, willensstärker und cleverer geschossen hätte. Wir werden es niemals erfahren. Zwei dicke Möglichkeiten, in Führung zu gehen, beide Male stand uns das Aluminium oder auch das mangelnde Selbstvertrauen im Weg, wie schon zu oft in dieser Spielzeit.

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Die alte Geschichte mit der Chancenverwertung

Das Raunen in unseren Reihen wurde lauter. Wieder keine Tore für den VfB, der, wie man ihm zugestehen muss, ein wenig engagierter auftrat als zuletzt gegen Bremen und Mainz. Immer wieder rannten sie an, wo jeder normale Fußballfan sagen würde, der Knoten würde schon platzen, wissen wir es gerade aus dieser Saison so viel besser: er platzte nicht. Zu wenige Tore bei hochkarätigsten Chancen, wie sie sie nur die Topteams der Liga herausspielen könnten. Zu fahrlässig vor dem gegnerischen Gehäuse, zu fahrlässig vor dem eigenen – und schon bist du Tabellenletzter.

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Wie es mich doch für Lukas Rupp gefreut hätte, der seinen Platz in der Startelf gefunden zu haben scheint und nach seinen Anfangsschwierigkeiten am Neckar angekommen zu sein scheint. Hätte er nur die Hälfte seiner Chancen in diesem Spiel… ach, lassen wir das lieber. Mit zunehmender Spieldauer der zweiten Halbzeit schwand nicht nur die Sturm- und Drangphase unserer Mannschaft, auch der Wille der Gäste war noch lange nicht gebrochen.

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Was das eine oder andere Tor des VfB hier schon hätte bewirken können, wir alle hätten einen weitaus entspannteren und auch kürzeren Abend gehabt. Wie ein Duell zweier Ligen sah die Partie nicht aus, eine „Pokalsensation“ schien durchaus möglich. Bisweilen wirkten sie fast ein wenig ratlos. Wie sollten sie eine der besten Abwehrreihen der zweiten Liga knacken? Immer war irgendwie ein Bein, ein Kopf oder ein anderes Körperteil dazwischen, während die Minuten hinunter tickten.

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Küsschen für die Kurve

Unser leises Flehen wurde nicht erhört. „Bitte keine Verlängerung!“ murmelte ich in meinen Schal hinein. Am Ende nützte es nichts, kein Lucky Punch in der Nachspielzeit, keine Erlösung. Wir hatten insgeheim doch alle irgendwie gehofft, wir würden etwas für unser Geld geboten bekommen, doch meinten wir damit nicht, mehr Spielzeit für die gleichen Kosten zu bekommen. So hatte ich mir das ganz und gar nicht vorgestellt!

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Frustriert, ja beinahe schon lustlos schaute ich geradeaus auf die Untertürkheimer Kurve, die gar nicht erst geöffnet wurde, da weder die Zuschauer, noch das Sicherheitspersonal dafür da war. Ein Armutszeugnis. Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, ruhig zu bleiben, egal wie diese Partie auch enden würde. Doch nun stand ich hier, triefnass, schreiend, hoffend, bangend. Jetzt macht doch endlich das verdammte Tor! Man kann das Pferd zwar zur Tränke führen, aber trinken muss es schon von allein.

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Welche Ironie, dass es ein Missverständnis in der Abwehr der Braunschweiger war. „Nimm du ihn, ich hab ihn sicher!“ – was genau in ihren Köpfen vorging, vermag ich nicht zu beantworten. Was in Timo Werners Kopf vorging schon: er hielt besagten hin und verteilte Küsschen in die Cannstatter Kurve, die sich die Seele aus dem Leib schrie. Doch reicht es? Oder reicht es mal wieder nicht? Sie hatten sich im Nachgang die Frage gefallen lassen müssen, warum sie abermals aus vielen Möglichkeiten so wenige Tore gemacht haben.

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Ins Mark getroffen

Jedes Gegentor trifft einen ins Mark, tut unendlich weh und ist bisweilen ein Schlag ins Gesicht. Manche von ihnen habe ich verdrängt, an viele erinnere ich mich und ein paar davon verfolgten mich für viele Jahre. Was sich zehn Minuten vor dem Schluss ereignete, gehört ohne jeden Zweifel dazu. Gedanklich faltete ich die Hände zusammen und betete zum Fußballgott, er möge uns jedes weitere Übel ersparen. Hat er zuletzt schon nicht auf mich gehört, vielleicht ja an diesem trüben, verregneten Mittwochabend?

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Sie bekamen den Ball einfach nicht weg. Statt ihn weg zu schlagen, wie auch das Bein eines jeden Gegenspielers, der es jetzt noch wagte, die Mittellinie zu überqueren. Sie bekamen den Ball einfach nicht weg. Statt sich für ein paar allerletzte Minuten zu beherrschen, bevor man erleichtert durchschnaufen kann. Sie bekamen den Ball einfach nicht weg. Und bekamen die bitterste aller Strafen zu spüren.

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Orhan Ademi, gerade einmal acht Minuten zuvor eingewechselt, traf zum erneuten Ausgleich und ließ die Braunschweiger Bank unter den fassungslosen Blicken der Cannstatter Kurve das Spielfeld stürmen. Alles war wieder offen. Ich konnte es nicht glauben. Wir konnten es nicht glauben. Die Frage nach dem „Wie?“ blieb selbstredend unbeantwortet. Wie kannst du dir das noch nehmen lassen? Da war es wieder, das späte Ausgleichstor der Eintracht, wie vor 648 Tagen. Ähnlich grausam, ähnlich bitter, doch vielleicht mit viel größeren Konsequenzen, denn vorbei war das Spiel schließlich noch nicht.

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Nur kein Elfmeterschießen

Ohne es laut auszusprechen, ich ahnte, was passiert. Gegen Bremen blieb es mir erspart, den 2:1-Siegtreffer der Gäste mit ansehen zu müssen, doch auch hier spielten sich wieder die Bilder in meinem Kopf ab. Zehn Minuten blieben noch, um noch einmal alles rauszuhauen, sonst würde es ins Elfmeterschießen gehen, oder aber, der Siegtreffer fällt doch noch irgendwie. Ich wollte nicht hier sein, ich wollte für diesen Moment kein Fußballfan sein, der im Regen stand und sich nicht zu helfen wusste.

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Drei Minuten später hätte es endgültig vorbei sein können, wenn nicht sogar müssen. Dass es hier keinen Elfmeter für die Gäste gab, nachdem der Niederstrecker seinem Namen wieder alle Ehre gemacht hatte, können wir für uns als großes Glück verbuchen. Peter Sippels Pfeife blieb stumm und erzürnte die Gäste und ihren gut 500 Kilometer angereisten Anhang. Wir wissen alle, dass wir nicht mehr zurückgekommen wären, hätte hier einer der Blau-Gelben den Ball vom Punkt in die Maschen gedroschen. Es wäre vorbei gewesen, das ist uns allen bewusst.

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Sie waren angebrochen, die letzten 120 Sekunden der 120 Minuten, die mit Sicherheit kein fußballerischer Augenschmaus waren. Die Ecken habe ich am Ende nicht mehr gezählt, als ich das letzte Mal auf die Anzeigetafel sah, waren es 15 Ecken für den VfB, die vermutlich letzte trat Filip Kostic vors Tor von Rafal Gikiewicz. Egal wie. Egal wer. Doch nicht mehr egal wann. Es musste jetzt irgendwie fallen, ich wollte nicht in einem Elfmeterschießen aus dem Pokal ausscheiden.

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Spätes Glück

Ich weigerte mich, zu jubeln. Beim Ausgleich durch Georg Niedermeier ballte ich die Faust und legte den Finger auf meine Lippen. Beim 2:1 durch Timo Werner ballte ich die Faust und legte den Finger auf meine Lippen. Doch sie war von dannen, jegliche Beherrschung und Zurückhaltung verflogen in jenem Sekundenbruchteil, als ich mein linkes Auge zukniff und das rechte Auge durch den Sucher meiner Kamera schaute, mein Finger lag auf dem Auslöser.

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Beim ersten Klack flog der Eckball durch die Luft. Beim zweiten Klack sah ich den Ball neben Rafal Gikiewicz. Beim dritten Klack sah ich, wie sie die Arme nach oben rissen und Toni Sunjic jubelnd abdrehte. Nun schwieg ich nicht mehr, ich schrie so laut meine Erleichterung hinaus, dass ich noch gut 24 Stunden später Halsweh haben würde. Endlich! Endlich! Endlich! Dass noch zwei Minuten plus Nachspielzeit übrig waren und sich der VfB selbst dann noch den erneuten Ausgleich einfangen konnte, vergaß ich kurz, als ich meinen Mitmenschen um den Hals fiel.

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Natürlich zogen sich die letzten Minuten eine gefühlte Ewigkeit, drei Minuten gab der Schiedsrichter oben drauf, bei dem wir uns bei aller Schiri-Schelte zumindest ein kleines bisschen bedanken konnten. Tick. Tack. Tick. Tack. Sie wollte nicht vergehen, die restliche Zeit. Die Kamera hielt ich ungeachtet des Regens in die Luft in Richtung Stimmungskern der Cannstatter Kurve, erst als sie die Arme in die Luft riss und „Paradise City“ ertönte, wussten wir, dass es überstanden war.

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Ungewisse Zukunft

Wenig rühmlich, dafür spannend. Spannender, als uns allen lieb sein konnte. Ich wollte bereits zu Hause sein, meine Bilder bearbeiten um am nächsten Morgen zumindest keine zentimetergroßen Augenringe im Gesicht zu haben. Sie wussten hoffentlich selbst, dass sie sich hier cleverer hätten anstellen können und der unfreiwilligen Spannung ein schnelles Ende hätten setzen können, doch als „clever“ kann man den VfB in dieser Spielzeit ohnehin nicht bezeichnen.

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Applaus gab es trotzdem, auch und vor allem von der Cannstatter Kurve, zumindest soweit ich das erkennen konnte. Kein Grund, für die Zukunft das Licht am Ende eines langen, langen Tunnels zu sehen, aber es wird hoffentlich hilfreich fürs Selbstvertrauen sein. Wenn sie nun am morgigen Abend gegen Wolfsburg antreten müssen, werden sie das immerhin wirklich brauchen. Schnellen Schrittes liefen wir schließlich zügig nach Hause, doch bewahrte mich der frühe Aufbruch dennoch nicht vor einer anstrengenden Nachtschicht, um die Fotos fertigzustellen.

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Ohne Zweifel ein Abend, der Kraft und Nerven gekostet hat, was es so nicht unbedingt gebraucht hätte. Am Ende wird man sich allenfalls erinnern, dass man zumindest in die nächste Runde eingezogen ist, dass ist vielen Bundesligisten nicht gelungen. Die Hoffnung für die Bundesliga liegt dennoch brach. Es mag ein wenig so sein, wie im Regen zu stehen. Man wird nass und der gesunde Menschenverstand würde verlangen, sich woanders hinzubegeben. Und dennoch bleibt man stehen. Es könnte ja schon bald aufhören, zu regnen.

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