So viel gibt es zu erzählen und doch weiß ich nicht, wo ich anfangen soll. Minutenlang sitze ich vor dem leeren Dokument an meinem Rechner, während mir tausende Gedanken durch den Kopf schießen. Über 48 Stunden ist es her, seit wir sie mit brachialem Applaus in die Kabinen schickten und doch zehre ich noch heute von all den Emotionen, die wir an diesem Montagabend im Neckarstadion erleben durften. Ich könnte euch viel erzählen, wie der VfB ein Zweitligaspiel gegen Union Berlin gewann, aber wie will man das verstehen, wenn man es nicht fühlen kann.
Alles tat mir furchtbar weh. Die Füße schmerzten, das Wasser staute sich in meinen Waden, um die Nieren war ich unterkühlt, der Hals kratzte und meine Stimme, die ich erst vor gefühlt wenigen Tagen zurück erlangte, drohte wieder wegzubrechen. Es war still geworden. Leise öffnete ich das Fenster, warf einen Blick nach draußen auf die nassen Pflastersteine als mir der kalte Wind ins Gesicht wehte. Ich schloss das Fenster wiegte, schaltete das Licht aus und atmete nochmal tief durch, bevor ich meine Augen schloss. Mein Puls hatte sich wieder beruhigt. Zwei Stunden zuvor war daran nicht zu denken.
Mit letzter Kraft schleppte ich mich ins Wohnzimmer, ließ meinen müden Körper auf die Couch plumpsen, legte die Beine hoch und nahm einen ersten Schluck aus der Bierflasche. Einmal tief durchatmen. Es war geschafft. Ein seliges Lächeln huschte über meine Lippen, während mein von der Sonne gezeichnetes Gesicht spannte und sich das Blut in den angeschwollenen Waden nur langsam zurückzog. Vollkommen fertig, aber für einen Moment glücklich und entspannt. Es ist spät geworden, der Tag hat seine Spuren hinterlassen. Und doch genoss ich des Abends noch dieses eine wunderbare Gefühl, nahm noch einen Schluck und seufzte zufrieden, ohne dass mich jemand hören konnte: “Derbysieger”.
Zehntausend. In Zahlen 10.000. Zehntausend, die sich unter der Woche auf den Weg nach München gemacht hatten. Zehntausend, denen es wichtig genug war, die Mannschaft zu unterstützen und sie zum Auswärtssieg zu schreien. Zehntausend, die keinen Zweifel daran hatten, dass die Mannschaft alles dafür tun würde, rechtzeitig vor dem Derby die Köpfe freizubekommen. Und Elf, die sich dessen offenbar nicht einmal im Ansatz bewusst waren und es geschafft haben, jene Zehntausend enttäuscht zurückzulassen. Insgeheim wissen wir alle, wie wir dieses Spiel einordnen müssen: für den Aufstieg ist das schlichtweg zu wenig.
Hin und wieder hinterlässt mich mein Verein in völliger Sprachlosigkeit. Schon oft war ich nicht im Stande, etwas zu sagen, sei es aus Frust, Entsetzen oder vollkommener Schockstarre. Noch nie jedoch stand ich da und konnte gar nichts sagen – nicht einmal, wenn ich gewollt hätte. Acht Tage waren vergangen, seit mich meine Stimmbänder im Stich gelassen haben. Manche Dinge lernt man erst zu schätzen, wenn man sie verloren hat, da bildet die Fähigkeit zum Sprechen keine Ausnahme.
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