Es ist noch gar nicht so lange her, da sprach ich von meinem VfB als verunsicherten Aufsteiger, der mit harten Gegebenheiten im Oberhaus überfordert ist. Woche für Woche bruddelte ich vor mich hin, man würde mit dieser Leistung ohnehin direkt wieder absteigen, da man es nicht schafft, sich die nötigen Punkte zur rechten Zeit zu holen. Einige Wochen sind nun vergangen, lediglich ein einziges Bundesligaspiel ist in der Saison 2017/2018 noch übrig und mit einem zufriedenen Lächeln sitze ich nun hier bei einer Tasse Kaffee. Keiner von uns hatte das so je kommen sehen.

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Natürlich hat die unausweichliche Frage nicht lange auf sich warten lassen. Seit der Klassenerhalt gegen Bremen perfekt gemacht wurde, war klar, dass alles, was nun kommt, ein Bonus sei. Die letzten drei Spiele gegen Leverkusen, Hoffenheim und München würde man ohnehin komplett abschenken müssen. Wie man sich denn fühlen würde, nachdem man noch zur Winterpause, spätestens zum Trainerwechsel Ende Januar gesagt hatte, alles würde wieder den Bach hinunter gehen, das ist in diesen Tagen oft zu lesen. Nicht ganz zu Unrecht.

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Zugegebenermaßen ist es leicht, den Teufel an die Wand zu malen. Berechne das schlimmste rechnerisch mögliche Szenario und gehe davon aus, dann kannst du schließlich immernoch sagen, dass du es schon vorher gewusst hast. Ein strahlender Optimist war ich noch nie, doch war ich auch schon gelassener in meinem Leben. In dieser Situation zugeben zu können, dass man sich zumindest was diese Saison betrifft, geirrt hat, ringt mir einiges an Courage ab. Tayfun Korkut und die Mannschaft haben das recht ordentlich gemacht. Die Sorge vor dem, was im Herbst erneut auf uns zurollen könnte, bleibt trotzdem – daran kann auch ein seliges Lächeln nicht viel ändern.

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(Viel) mehr als erwartet

Mittlerweile trennen uns viele Punkte und Tabellenplätze von Freiburg und Hamburg, dank der unerwarteten Erfolge in dieser Rückrunde. Dass nur diese beiden Vereine vor diesem Spieltag noch wenige Tore geschossen haben, als der VfB, ist doch recht irritierend. Erst recht, wenn man sich die andere Seite der Statistik vor Augen hält, die besagt, dass nur eine Mannschaft in der Bundesliga weniger Tore bekommen hatte als der VfB, und das sind die Bayern. Sieht so die neue schwäbische Effizienz aus?

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Noch traue ich dem Braten nicht, was die langfristige Weiterentwicklung der Mannschaft und des Vereins angeht. Wir haben dieses Spiel mit neu geschöpfter Hoffnung und euphorischen Erfolgen schon einmal gehabt, der Rest der Geschichte ist bekannt. Was nächste Saison passiert, steht noch in den Sternen. Fürs erste gilt es, sich anständig in die Sommerpause zu verabschieden, den ersten Schritt hatte man bereits vor zwei Wochen getan, der nächste folgte überraschenderweise vergangene Woche bei der Werkself. Und nun der nächste Coup gegen den Retortenklub aus dem Kraichgau. Was genau ist hier eigentlich los?

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Wann hat der VfB denn aufgehört, so wie immer zu sein, und damit begonnen, mehr zu geben, als er eigentlich muss? Woran liegt es, dass selbst im Vorfeld sichere Niederlagen gegen Champions League Aspiranten auf einmal gewonnen werden? Was hat es damit auf sich, dass der VfB nicht mehr der verunsicherte, selbstgefällige und bisweilen faule Klub ist, sondern eiskalt den Gegner auf die Palme treibt? Was auch immer es ist, was Tayfun Korkut der Mannschaft eingeimpft hat, in dieser Rückrunde hat es seine Wirkung nicht verfehlt. Das Ziel war nicht mehr als der Klassenerhalt. Und nun schreibe ich diese Zeilen und weiß, dass der VfB mit einem einstelligen Tabellenplatz die Saison beenden wird. Das ist doch alles nicht mehr normal.

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Wann gabs das zuletzt?

Ich kann mich schon gar nicht mehr erinnern, in welcher Saison ich mich zuletzt tiefenentspannt auf den Weg zum letzten Heimspiel gemacht habe. Den Aufstieg vor einem Jahr zähle ich hier allerdings nicht dazu, denn trotz des am vorletzten Spieltags fast schon feststehenden Aufstiegs, gingen die Nerven mit mir durch. Einfach zum Neckarstadion aufbrechen und der VfB kann in keinerlei Konstellation mehr absteigen. Das hat nicht zuletzt etwas unglaublich beruhigendes und befreiendes, auch den Fans sei nach einer durchwachsenen Saison ein toller Abschluss vergönnt. Alles nur noch Bonus, doch wer in Leverkusen und gegen Hoffenheim gewinnen kann, warum nicht auch in… Nein, lassen wir das mal lieber.

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Für mich begann der Tag schon morgens in der Cannstatter Altstadt bei einem Frühstück mit meiner Freundin Jasi, gefolgt vom Sonder-Twitter-Stammtisch im SSC am Stadion an der Festwiese, wo wir uns bereits vor einem Jahr für den bevorstehenden Aufstieg einstimmten. Eine lieb gewonnene Tradition, sofern man bei zwei Jahren davon sprechen kann. Und wie auch im letzten Jahr zeigte sich Petrus von seiner besten Seite, seit Jahren ist dem VfB beim letzten Heimspiel tollstes Wetter beschieden, ein toller Tag stand uns bevor, und zum ersten Mal seit langer Zeit war der Ausgang des Spiels dafür vollkommen unerheblich.

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Noch am SSC unter dem Sonnenschirm sitzend, erreichte mich die Info, dass es eine große Abschluss-Choreo geben würde. Spät dran, aber nicht zu spät dackelte die komplette Twitter-Gemeinde über die Wiese durch das Parkhaus direkt zum Stadion, in der Hektik auf der Mercedesstraße zerstreuten wir uns in unterschiedliche Richtungen und finden uns wohl erst zum nächsten Stammtisch im Mai wieder. Lieb gewonnene Menschen bedeuten mir viel, aus diesem Grund sind mir auch die Heimspiele so wichtig. Immer die gleichen Leute, immer der gleiche Platz, immer wieder das tolle Gefühl, hier ein Stück Heimat gefunden zu haben, zu der man immer wieder gerne zurückkehrt – auch dann noch, wenn man sich geschworen hat, das alles nicht mehr so wichtig zu nehmen.

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Ein Blick zurück, ein Blick nach vorn

Bis heute sind es für viele, die Menschen, die den Zauber des Stadions ausmachen. In einer Welt, in der der Sport sich immer weiter von den Fans entfernt, ist es die letzte Leidenschaft, die uns geblieben ist. Die weitreichende Kommerzialisierung, die fortwährenden Diskussionen zum Videobeweis, die drohende Einführung des Polizeitaufgabengesetzes, die weitere Spieltagszerstückelung und vieles mehr. Was bleibt, ist das Wiedersehen mit Freunden, Bier und Wurst und die Lieder, die wir für uns und unseren Verein singen. Ein Sport, gemacht für Fans, ist es schon lange nicht mehr, und jeder von uns muss selbst entscheiden, was ihm wichtig ist.

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Wer weiß, wie unser geliebter Sport in fünf oder gar zehn Jahren aussehen wird. Vor zehn Jahren ist das am Reißbrett entstandene Retortenprojekt TSG Hoffenheim in die Bundesliga aufgestiegen. Viele Proteste waren laut geworden, dass dies nichts mehr mit Fußball zu tun hat. An die Hoffenheimer hat man sich bisweilen fast schon gewöhnt, auch wenn man sie bis heute zum Bodensatz der Fußballkultur hält. Mit RB Leipzig gibt es nun ein neues Feindbild und es werden weitere folgen. Was uns noch geblieben ist, ist der romantische Gedanke der Tradition, den wir uns auf die Fahnen geschrieben haben. Tradition alleine schießt keine Tore, sie steigt nicht auf oder hält die Klasse. Aber Tradition lässt uns glauben, dass wir uns richtig entschieden haben.

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Dass auch Tradition nicht unbedingt Erfolg bedeutet, sehen wir an dem nun in die dritte Liga abgestiegenen 1. FC Kaiserslautern. Mein Gefühl sagt mir, dass langfristig nur der in der Bundesliga bestehen kann, der über ausreichend finanzielle Mittel und die notwendige Lobby verfügt, der Rest wird aus jenen bestehen, die ein kleines bisschen besser haushalten können als andere, und natürlich denen, die das Herz am rechten Fleck hatten und aufsteigen konnten. Das Gefälle wird immer größer, der Graben immer weiter, der Fan immer kleiner. Wo bleibt da eigentlich der Spaß?

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Klare Marschrichtung

An all das wollte ich dennoch erst einmal nicht denken, ich wollte einfach nur einen entspannten, sonnigen und lustigen Tag genießen und mich nicht aufregen, sollte der VfB erwartungsgemäß gegen die Mannschaft verlieren, die unter Julian Nagelsmann die Champions League anpeilt. Schon in Leverkusen war es mein Bestreben, es einfach auf mich zukommenzulassen, bis ich auf einmal dastand mit weit aufgerissenen Augen und nicht wusste, wo oben und unten ist. Sie sollen Leidenschaft zeigen und beweisen, dass sie die Spannung so lange hochhalten können, wie es nötig ist. Und darüber hinaus, wie wir bereits vergangenes Wochenende am eigenen Leib zu spüren bekommen haben.

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Jetzt aber schnell hinein in den Block, ich war ohnehin schon deutlich später dran als sonst. Über manche Stellen in der Cannstatter Kurve waren Stäbe mit bemaltem Segeltuch gespannt. Ich war neugierig, was darauf zu sehen sein würde, sollte aber noch bis zur Halbzeitpause warten, bis ich es mir auf dem Smartphone ansehen konnte. Abgebildet war die Cannstatter Altstadt, die S-Bahn-Brücken und die Neckarbrücken, untermalt von epischer Gänsehautmusik und begleitet von zehntausenden kleinen Fähnchen im Stadion ein mehr als würdiger Rahmen für das letzte Heimspiel.

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Sobald der Ball rollte, war klar, woraus die Hoffenheimer Absichten bestanden. Schnell nach vorne, schnell das Tor machen, schnell die Gewalt über das Spiel erringen und diese nicht mehr aus der Hand geben. Wir mögen sie zwar ganz und gar nicht, aber man muss anerkennen, dass Julian Nagelsmann aus dieser Truppe eines rausgeholt hat und sie nicht ganz zu Unrecht da oben stehen. Die Marschrichtung der Gäste war klar, aber was war eigentlich die des VfB? Vermutlich genau die gleiche wie in den letzten Wochen auch: den Gegnern massiv auf die Nerven gehen, Frust hervorrufen und genau im richtigen Moment zur Stelle sein. Minimale Chancenerarbeitung, maximaler Ertrag. Ganz konträr zu dem, was wir hier unter Alexander Zorniger erlebt haben.

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Right in the feels

Die Gäste drückten und Santi Ascacibar sah die gelber Karte, soweit also alles normal bei einem VfB-Spiel. Dass ich noch einmal sagen würde, wie stabil die Abwehr des VfB ist, hatte ich nicht für möglich gehalten. Entweder war einer der vier Jungs zur Stelle, oder es war ein erneut überragender Ron-Robert Zieler, Hoffenheim bekam es schon früh zu tun mit dem, was schon so viele Gastmannschaften zuvor hier im Neckarstadion massiv genervt hatte. An einen Zufall, dass man gerade dann einen schlechten Tag erwischt hat, glaube ich mittlerweile nicht mehr. Lukas Rupp hatte bei seiner Rückkehr nach Stuttgart weitmehr einen schlechten Tag: er riss sich nach gut 20 Minuten das Kreuzband und musste raus, da half auch der Trost des Leidgenossen Daniel Ginczek nicht.

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Viele Möglichkeiten würden uns die Gäste aus dem Kraichgau nicht lassen, das wussten wir. Aber wir wussten, wie gnadenlos effektiv der VfB zuletzt mit seinen Chancen war und selbst mit einem einzigen Torschuss ein Spiel entscheiden kann. Da kam die Flanke von Christian Gentner gerade recht, im hohen Bogen in den Strafraum. Und noch während ich die Szene durch den Sucher meiner Kamera beobachtete und sehen konnte, wie der Ball im Netz landete, die Zuschauer in der Untertürkheimer Kurve kollektiv aufsprangen und sich die Jubeltraube an der Eckfahne versammelte, in diesem Moment hatte ich da so ein Gefühl.

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Vor der Partie hatte ich mich noch an meine Freundin Jasi gewandt und sagte “Ich werde das Gefühl nicht los, dass Gomez heute endlich sein erstes richtiges Heimtor macht”. Und ohne auf die Ansage des Torschützen über die Anzeigetafel abzuwarten, hatte ich es gewusst. Aber es fühlte sich so unendlich viel besser an als noch vor 112 Tagen gegen die Hertha. In Spiel eins nach seiner Rückkehr hatte ich noch keine Antwort, heute hatte ich sie. Da stand ich nun, nach 25 Minuten, und hatte eine Antwort. Zum ersten Mal seit gut neun Jahren schrie ich seinen Namen. So wie damals, als ich noch nicht wusste, wie sehr meine Zuneigung zum VfB eigene Wellen schlagen würde.

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An Tagen wie diesen

Als ich mich dabei ertappte, musste ich selber lachen. Die Bilder der Szene, die zeigen, wieviel ihm dieses erste Heimtor bedeutet, werden auch dann noch hängen bleiben, wenn die Saison 2017/2018 schon längst vorüber ist. In diesen Tagen wird uns bewusst, dass so manches, was wir befürchtet hatten, nicht eingetreten ist. Der VfB ist nicht abgestiegen und hat vorzeitig den Klassenerhalt klar gemacht, er hat nicht die Füße hochgelegt und sich auf die Patzer der Konkurrenz verlassen. Simon Terodde hat den 1. FC Köln nicht zum Klassenerhalt geschossen und hat den VfB salutierend überholt. Und Mario Gomez? Der macht wider Erwarten das, wofür er geholt wurde: Tore machen. Und das in dem Alter.

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Noch am Abend zuvor saß ich mit meinem damaligen Arbeitgeber Daniel und seiner Frau Regina im Clubrestaurant 1893, und auf die Frage, wie es am nächsten Tag ausgehen würde, antworteten Daniel und ich nahezu zeitgleich “Haja, 1:0, reicht doch”. Nun stand es 1:0 und ich wusste noch nicht so recht, ob ich aufgrunddessen überrascht sein sollte, oder gerade eben nicht. Der VfB hat zweifellos überrascht in den letzten Wochen und bewies einmal mehr, warum ihm seit langer Zeit der Begriff Rückrundenmannschaft nachhängt.

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Auch während des Spiels offenbarte sich in der Cannstatter Kurve, wieviel Feuer und Leidenschaft die Anfangschoreographie in die Partie hineingetragen hatte. Der Boden vibrierte und ein Wechselgesang mit den anderen Tribünen, der schon sehr lange nicht mehr so laut gewesen war. Das hier ist unsere Festung, unser Zuhause. Und es fühlte sich so gut an. Nicht wenige würden am Ende dieses Tages sagen, dass man genau für solche Spiele ins Stadion geht. So oft hatten wir bittere Rückschläge hinnehmen müssen, und an solchen Tagen werden wir daran erinnert, wofür wir das alles auf uns nehmen.

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Mit einem Mann weniger

So breit unser Lächeln zur Halbzeitpause noch gewesen war, so manchem entschwand es nach Wiederanpfiff. Wir lieben unseren Santi Ascacibar für seine harte und leidenschaftliche Spielweise, der Preis dafür sind allerdings zahlreiche gelbe Karten. Für den quirligen Argentinier war der Tag nach 65 Minuten beendet, der VfB musste zu zehnt weiterspielen. Dass die Haupttribüne den Abräumer mit Standing Ovations in die Kabine verabschiedete, zeugt von dem Geist, den wir an Santi schätzen und lieben gelernt haben.

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Wir lagen zwar in Führung, aber eine gute halbe Stunde mit einem Mann weniger auf dem Feld war nun nicht unbedingt das, was für gewöhnlich am Ende des Tages drei Punkte bringt. Unter normalen Umständen würde ich jetzt schreiben, wie unruhig das Publikum wurde und dass ein Raunen durch die Reihen ging, aber unserer guten Laune tat der Platzverweis keinen Abbruch, im Gegenteil. Jetzt erst recht! Das dachten sich nur leider auch die Hoffenheimer, die umso mehr anrannten. Ron-Robert Zieler und seine Vorderleute unter Dauerbeschuss, kaum noch Entlastung für den VfB. Das konnte nur schiefgehen, hätte man denken können.

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Geradezu verbissen schmissen die Gäste alles nach vorne, was sie hatten, auf Gedeih und Verderb wollten sie zumindest den Ausgleich. Das Problem war nur, dass unsere Mannschaft da so gar nicht mitspielen wollte. Ein Freistoß blieb bei Dennis Aogo hängen und Erik Thommy sah den davon geeilten Mario Gomez. Der Hoffenheimer Kevin Akpoguma war ihm bereits beim 1:0 zugeteilt und rannte auch dieses Mal nur tatenlos nebenher.

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Was zum…?

Es ging einfach zu schnell für mich. Habe ich bei einer normalen Torchance immernoch genug Zeit, den Fokus aufs Tor richtig einzustellen und abzudrücken, hielt ich meine Kamera ohne Fokussierung hoch, drückte ab und heraus kamen zwei unscharfe und schräg gekippte Bilder, die genau die Momente dokumentieren, 1.) als Oliver Baumann dachte, er hätte den Ball und 2.) als Oliver Baumann den Ball durch die Beine bekam. Es ist stets schwer, unbeteiligten solche Momente zu beschreiben, aber “totale Eskalation” trifft es vermutlich noch am ehesten.

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Statt ein scharfes Bild des Doppeltorschützen zu bekommen, der bis zu diesem Tag ausschließlich auswärts getroffen hat, hielt ich die Kamera auf die Kurve. Diese weit aufgerissenen Augen, diese Jubelfäuste, die Umarmungen, das Lachen und Schreien, die ganze Leidenschaft einer sensationellen Kurve, festgehalten auf einem einzigen Bild. Hin- und hergerissen zwischen tollen Fotos und der Angst vor der nächsten Bierdusche umarmte ich erst einmal meine Nebenleute. Mit einem Mann weniger auf dem Platz 2:0 in Führung gegen den nächsten Champions League Aspiranten. Wenn man uns das mal vor einigen Monaten gesagt hätte.

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“Das sind Gefühle, wo man schwer beschreiben kann” sagte einst Jürgen Klinsmann. Es ging um nichts mehr, doch der VfB zeigte hier, dass er nicht immer zwangsläufig die gleiche faule Selbstgefälligkeit zeigt, die er in so manch ähnlicher Situation schon oft hatte. Seltsam zu beobachten, dass man sich hier oft gegen die Großen leichter tut, als gegen destruktive Mannschaften, die im Abstiegskampf stecken. Wir waren zum ersten Mal seit vielen Jahren in der Bundesliga keine davon, jedenfalls nicht mehr seit dieser phänomenalen Rückrunde, die bis auf wenige Ausnahmen schon ganz gut war. Wenn nur da nicht das Geschmäckle mit unserem Hannes wäre.

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Feuer frei für einen feucht-fröhlichen Abschluss

Bis zum Abpfiff ließen sie nichts zu. Die Abwehr ließ nichts zu. Der Torwart ließ nichts zu. Wir Fans ließen nichts zu. Selbst die Latte und der Linienrichter ließen nichts zu, dass am Ende doch etwas Glück dabei war, ist uns bewusst. Mit dem Meisterlied stimmten wir uns auf den Abpfiff ein, das letzte Heimspiel der Saison neigte sich dem Ende zu. Zur Mannschaft am Mittelkreis stieß noch das Team hinter dem Team, alle Trainer, Betreuer, Ärzte und andere, die mit und für die Mannschaft arbeiten. Teilweise mit den Kindern im Schlepptau liefen sie unter tosendem Applaus zur Cannstatter Kurve und bekamen das Dankeschön, das sie für die letzten Wochen unterm Strich verdient hatten.

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Die Ehrenrunde blieb ihnen nicht erspart, einmal komplett ums Stadion herum, während sich die Kurve nur ganz langsam leerte und den Blick freigab auf die Vielzahl der zerknüllten blauen Papiertafeln, die bei der Choreo den Neckar symbolisierten. Keiner wollte so recht nach Hause gehen, erst spät verlief sich die Menge, auf den Wasen, in die Kneipen, oder einfach nur nach Hause. Lange war ich auf den Beinen an diesem Tag, die Quittung ließ nicht lange auf sich warten. Brotfertig schleppte ich mich nach Hause, öffnete genüsslich mein Bier und setzte mich an die Fotos. Hätte ich die Kraft gehabt, weiterzufeiern, ich hätte Gebrauch davon gemacht. Aber ich konnte nicht mehr.

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Die allerletzte Ehrenrunde dieser Spielzeit steht uns in einer Woche bevor. Das letzte Spiel in München, wie schon so oft in den letzten Jahren. Ein Ausflug, bei dem es für viele Leute so gar nicht um die Punkte oder Höhe der Gegentore geht, sondern um die Anzahl vernichteter Biere. Ein feucht-fröhlicher Abschluss sei jedem von uns zugestanden, haben wir doch endlich das, was wir schon so lange nicht hatten: ein paar ruhige, letzte Spiele. Vor einigen Wochen sagte ich, man müsse vor den letzten drei Spielen gegen Leverkusen, Hoffenheim und München durch sein. Zwei der drei Spiele hat der VfB nun gewonnen. Und wenn es der liebe Herrgott so will, endet nächsten Samstag eine vollkommen verrückte Rückrunde. Das Schöne ist ja, dass es egal ist, solange wir nur uns haben.

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