Endlich habe ich ihn, den ersten Auswärtsdreier bei einem Bundesliga-Spiel. Es war der 5. Anlauf (nach Niederlagen in Wolfsburg im Mai und November 2008 sowie Berlin im August 2007 und Oktober 2008), und es ist überhaupt der 2. Auswärtssieg für mich (nach dem DFB-Pokal-Spiel in Lüneburg im August).

Die Witterungsbedingungen kann man am Besten so beschreiben: kalt, nass, widerlich. Und dennoch erlebte ich einen tollen Tag in der Lausitz, den ich mir auch vom ekelhaften Wetter nicht habe vermiesen lassen. Mit Weihnachtsmarkt, Altstadtschlendern und ein wenig Shopping wurde es das perfekte Programm vorm Spiel, auf das ich mich schon seit über einem Jahr gefreut habe. Letzte Saison hat ein Sturm dafür gesorgt, dass das Spiel abgesagt werden musste und ich so kurzfristig keinen Urlaub fürs Nachholspiel unter der Woche bekommen habe.

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Diesmal mit meinen Eltern unterwegs, von denen meine Mutter absoluter Fußballneuling war und mein Vater vor über 35 Jahren  (über 10 Jahre vor meiner Geburt) das letzte Mal in Cottbus im Stadion war, gings frühs um 8 los. Ich wollte ja schon um 7 fahren, da der Routenplaner knapp 3 Stunden als Fahrzeit berechnet hatte. Auf einer nahezu leeren Autobahn kamen wir gut durch den Verkehr auf dem Weg in die Lausitz, frisch ausgestattet mit einem neuen Navigationssystem machte das ganze nur umso mehr Spaß.

Statt knapp 3 Stunden waren wir schon 2 Stunden später da, spazierten dort erstmal ein wenig durch die Innenstadt, besuchten den Weihnachtsmarkt und aßen zu Mittag, bevor es etwa um 13 Uhr zum Stadion ging, wo sich bereits schon einige Fans beider Lager einfanden. Ausgestattet mit einer frisch gepressten Stadionzeitung mit 2 als Weihnachtsmänner verkleidetenen Cottbusspieler auf dem Titelblatt wartete ich vorm Stadion noch auf meine beiden Verabredungen, bevor es dann durch die Kontrollen ging.

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Bereits im Vorfeld las ich auf der VfB-Webseite, dass man am Besten ohne jegliche Form von Rucksäcken, Handtaschen und Gürteltaschen zum Stadion kommt, diese würden einem in jedem Falle abgenommen werden, was dann auch tatsächlich so passierte. Meine Batterien, in der Hoffnung, man würde nicht allzu genau nachschauen, wurden entdeckt und somit war ich schnell mal 4 Hochleistungsakkus für meine Digitalkamera los, sowie einen Kugelschreiber, den ich für den Fall der Fälle als Autogrammstift nehmen wollte. Aber selbstverständlich waren “Wurfgeschosse” und “Stechwerkzeuge” unerwünscht. Das “Stadion der Freundschaft” glänzte nicht mit GASTfreundschaft, jedenfalls noch nicht. Lächerlich machten sich die zahlreichen Ordner mit der Bitte, doch bitte mal kurz die Schuhe auszuziehen, aber da ich ja schon fast durchwar, ließ ich auch das noch grummelnd über mich ergehen.

Endlich durch die Kontrolle schwätzte ich noch mit Phil, den ich vom tooor.de-Forum kenne und man sich für diese Partie ein erstes Kennenlerntreffen vorgenommen hat und mit dessen Begleitpersonen, von denen es einer natürlich nicht unterlassen konnte, die Ernsthaftigkeit meiner Leidenschaft für den VfB in Frage zu stellen. Was solls, trotzdem tolles Treffen, und als er sich seinen Platz im Block sicherte, folgte unmittelbar Treffen Nummer 2 mit Rouven, ebenfalls das erste Treffen, ich kenne ihn von studiVZ.

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Bevor auch ich mich zu meinem Platz begeben wollte, war ich noch stark am überlegen, ob ich den jungen Mann, der schon die ganze Zeit in meiner Nähe herumlief, ansprechen soll oder nicht. Natürlich nicht ohne Grund, er sah einem mir ebenfalls von studiVZ bekannten jungen Mann zum verwechseln ähnlich. Eine SMS, ob er in Cottbus ist und ein kurzes Anklingeln, während ich direkt dahinter stand und darauf lauerte, er würde zum Handy in die Jackentasche greifen, blieben ohne jegliche Reaktion. Dann war es wohl doch nicht, der Martin. Schade eigentlich.

Mit der eigentlich offensichtlichen Gewissheit, es käme nicht zu einem unerwarteten und vor allem unabgesprochenen Treffen, machte ich mich auf, vorbei an dem türkischstämmigen Ordner, dem ich grinsend mit der Weihnachtsmütze auf dem Kopf mein Ticket zeigte, hatte ich es vor mir: das Spielfeld im Stadion der Freundschaft in Cottbus, wo sich die Mannschaften bereits warm machten.

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Zunächst ein paar Fotos gemacht, kurze Diskussion mit dem Ordner, von dem ich 30 Sekunden lang nicht begriffen habe, das er wollte, ich würde doch vom rot gekennzeichneten Geländerbereich verschwinden, der als Notausgang permanent freigehalten werden muss. Als es klingelte, widmete ich mich weiter meinen Fotos mit dem festen Vorhaben, mit einer größeren Fotoausbeute wieder zurückzukommen als es zum Länderspiel in Berlin und zum Auswärtsspiel in Wolfsburg der Fall war, die beide derbe in die Hose gingen. Ich war dennoch optimistisch, und das ist angesichts eines fehlenden Mario Gomez schon ein kleines Wunder.

Der Himmel war nach wie vor wolkenverhangen, doch der Regen sollte noch ein wenig auf sich warten lassen. Der Anpfiff kam und wurde von etwa 17.200 Fans, beide Lager in weiß-rot, bzw. rot-weiß gekleidet, optimistisch und gutgelaunt zur Kenntnis genommen. Es konnte losgehen, das vorletzte Spiel des Jahres 2008. Meine Eltern drängte ich derweil, von den fast schon sichtbehinderten (Metallzaun) Sitzplätzen in Block S1 in die untere Reihe etwas weiter rechts umzuziehen – nicht ganz uneigennützig, war es doch um einiges näher dran am Block N, in dem ich wohl gestanden hätte, wären meine beiden Erzeuger nicht mit nach Cottbus gefahren.

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Lange dauerte es nicht und schon hopste ich aufgeregt voller Freude und Elan durch die Reihen, meine Weihnachtsmütze wedelte wild im kalten Lausitzer Wind an jenem Nikolaustag. Schon nach 4 Minuten erzielte Roberto Hilbert die Führung für den VfB, was zu großem Jubel beim mitgereisten Anhang sorgte. Wie später herauskam war der Treffer in geborgten Schuhen erzielt worden: Hilbert, der beim Warmmachen seine Schuhe kaputtgemacht hatte (man möchte hier keine Absicht unterstellen) und auch seine Ersatzschuhe unbrauchbar waren, zu deren Mitnahme jeder Spieler verpflichtet ist, lieh im unser Youngster Christian Träsch, der kürzlich im Spiel gegen Werder Bremen einer Mörderfackel mit 112 km/h abgezogen hatte (schönes Tor – hier das Youtube-Video) sein Ersatzpaar aus. Ich selbst konnte es nicht genau sehen, da es auf der anderen Seite des Spielfelds fiel, aber das Tor bejubelte er mit dem Zeigefinger auf Träsch zeigend, die Faust ballend und zur Ersatzbank sprintend, um ihn dort zu umarmen und ihm symbolisch für die Glück bringenden Schuhe zu danken – schöne Geschichte, schönes Tor, schöner Anfang für den VfB Stuttgart.

Mit Jens Lehmann praktisch vor der Nase, nur wenige Meter entfernt, hatte ich natürlich gehofft, er würde nicht allzu viel zu tun bekommen und ich würde das Spiel dann lieber in der 2. Halbzeit so richtig auf mich zukommen lassen können. Noch waren sie nicht allzu geschockt von dem sehr frühen Rückstand und begünstigt durch einige Fehlpässe und einen zähen Spielfluss fanden die Lausitzer immer besser ins Spiel, erzwangen Freistöße, Eckbälle und günstige Einwürfe. Ich wurde unruhig, alle mitgereisten VfB-Fans wurden unruhig, dass Energie Cottbus nicht die allerschlechteste Mannschaft ist, wenn sie mal ihren Tag haben, weiß man als Bundesliga-Experte nicht erst seit heute. Der FCE, wie er im Wechselgesang der eigenen Fans besungen wird, wurde Stück für Stück besser, machte jedoch die Tore nicht. Mit rasendem Puls erlebte ich kurz vor der Pause noch eine Szene, von der jeder im Stadion zu 95% überzeugt war, Lehmann würde die 5. gelbe Karte kassieren und damit gegen die Bayern nächsten Samstag fehlen. Glück gehabt, nur eine gut gemeinte Verwarnung des Schiedsrichters.

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Wir nahmen die Führung mit in die Halbzeit und während ich mich an einem schönen warmen Tee bei doch recht kühlen und ungemütlichen Witterungsbedingungen labte, hoffte ich weiter, der VfB würde mindestens dieses knappe 1:0 über 90 Minuten retten und ich könne mit symbolischen 3 Punkten im Gepäck wieder nach Hause fahren und nach 2 verpatzen Spielen im Stadion endlich mal wieder etwas so richtig erfrischend Erfreuliches schreiben.

Weiter gings mit Halbzeit 2, die Stimmung war bestens auf beiden Seiten, für beide wäre noch etwas an diesem Abend dringewesen, bedenkt man alleine die letzten 10 Minuten der 1. Halbzeit. Wie bereits freudig erwartet hatte ich nun den Energie-Keeper Tremmel mit blauem Torwart-Trikot vor der Nase, in der Hoffnung, ich würde ihn vielleicht noch ein paar Mal hinter sich greifen sehen.

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Die 2. Halbzeit begann, wie die 1. Halbzeit aufhörte, ein spannendes, energiereiches (es grüßt: der Wortwitz!) und offensiv geführtes Spiel beider Mannschaften. Soviel zu dem, was jeder Fernsehreporter mit Fußballsachverstand kommentiert hätte, ich wollte nur eins: den Sieg, und um die Stimmung in der Dezemberkälte hochzuhalten: vielleicht noch das eine oder andere Tor. Meine Jungs berappelten sich wieder und spielten wieder stärker und souveräner, somit war es nur noch eine Frage der Zeit, bis ich ein Tor aus nächster Nähe sehen konnte. Kräftig durchatmen hieß es dann aber doch noch einmal, ein Glück, dass der Traumschuss von Jula in Wembley-Tor-Manier an den Pfosten nur vor der Line aufkam, das wäre der nicht ganz unverdiente Ausgleich für den FC Energie Cottbus gewesen.

Nach einer klugen Ballstaffette und einem köstlichen Zuckerpass auf unseren Tschechen Jan Simak, der schon gegen Schalke ein absolutes Wahnsinnstor erzielte, bekam ich das, was ich mir wünschte: das Tor direkt vor meiner Nase. Als der Ball nach gut einer gespielten Stunde ins Netz einschlug, kannte die Freude kein Halten mehr, aber ob es reichen würde? Allzu oft wird man mit einer doch recht komfortablen Führung nachlässig und beginnt Fehler zu machen, die zu Gegentoren führen können – ich hoffte das Beste, dass diesmal alles gut gehen würde.

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Nur 5 Minuten später setzte Sami Khedira, der Mann für die wichtigen Tore, den Deckel drauf und erzielte das 3:0 aus Sicht des VfB direkt vor mir, rechts von mir im Stehblock machten sich einige jungen Männer bereits obenrum frei, das amüsant erstaunte “Gugge Ma, de Naggschn!” bekam ich nur zur Hälfte mit, genauso wie den Schlag gegen mein Knie, den mir im Übereifer der Freude unabsichtlich die Stuhlreihe vor mir verpasst hat.

Das Wetter wurde schlechter, es regnete mittlerweile seit Minuten durch, schließlich wurde es sogar Schneeregen, der mir direkt auf den Kopf rieselte, ich habe mich wegen chronischem “Ins-Gesicht-Rutschen” bereits von meiner Weihnachtsmütze verabschieden müssen. Es war kalt. Es war widerlich. Es war mir egal. Bei mir war nur noch pure Freude, nicht weniger bei den Kollegen aus dem Ländle.

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Und dann war er endlich da, der ersehnte Schlusspfiff. Ich hätte nichts gegen ein 4:0 oder 5:0 zum Aufpolieren unserer Tordifferenz (derzeit +3) gehabt, doch ich freute mich offenkundig über den gelungenen Auswärtssieg, der die Niederlagen in Berlin und Wolfsburg schon zur Hälfte vergegessen macht.

Nach einer etwas kurz geratenen Verabschiedung der Jungs (die ich angrinste und bejubelte als hätte man grade gegen Barcelona einen 0:2-Rückstand in ein 3:2 in einem Champions League Spiel umgedreht) war es auch für uns Zeit zu gehen. Ich holte noch das abgegebene Zeug in dem kleinen Kabüffchen ab, wo ich meine “gefährlichen Wurfgeschosse” und das “lebensbedrohliche Stechwerkzeug” zuletzt gesehen habe und dann gings direkt zum Auto, mit dem wir nach gut 10 Minuten wieder auf dem Heimweg waren.

Alles, was ich an diesem Tag gegessen hatte, war eine einzige Scheibe Toast mit Erdbeermarmelade, ein Schokololly als Nikolausgeschenk und eine kleine, aber überaus leckere Bockwurst im Brötchen auf dem Weihnachtsmarkt – entsprechend hungrig war ich beim Aufbruch, keine Schnittchen eingepackt und noch mindestens 2 Stunden Heimfahrt vor mir, na wunderbar.

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Normalerweise hätten wir erst in der Nähe von Dresden an unserer, ja fast schon Stamm-Raststätte gehalten, wie hielten aber dann doch schon früher, und das war auch genau gut so. Während ich mir etwas leckeres aussuchte, kamen zur Tür einige VfB-Fans reinspaziert, die noch gute Stimmung verbreiteten und mir erneut ein Lächeln auf die Lippen zauberten. Mittendrin entdeckte ich ein bekanntes Gesicht, das mich grinsend anschaute und mir zuwinkte. Das kann doch nicht wahr sein!

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Durch einen riesen Zufall kam ich doch noch zu dem Treffen, von dem ich mich vorm Stadion gedanklich schon verabschiedet hatte: ohen Weihnachtsmütze hatte mich besagter Martin endlich erkannt und wir unterhielten uns noch kurz, was eine tolle Überraschung war und den gelungenen Tag noch ein wenig verschönerte. Er war es tatsächlich gewesen, den ich vorm Stadion gesehen hatte, doch hatte er sein Handy lautlos und bekam von der SMS und dem Test-Anruf nichts mit. Aber so sehr ich mich wunderte, das er es wohl doch nicht war, den ich vorm Eingang gesehen hatte, so sehr freute ich mich jetzt, dass es nach verpatzten Versuchen beim Derby gegen Karlsruhe und dem Spiel in Wolfsburg nun endlich geklappt hatte.

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Wieder zu Hause war ich dann halb 9 abends, unterkühlt, mit Schmerzen am Knie, heiser vom Singen und Schreien aber grinsend wie ein Honigkuchenpferd. Ein toller Tag in Cottbus, der mir meinen lang ersehnten, ersten Bundesliga-Auswärtssieg brachte. Im fünften Anlauf der erste Auswärtsdreier, und dann möge man mir noch einmal sagen, ich wäre nicht geduldig genug…

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