Meistens habe ich immer genau gewusst, wie ich etwas sagen will. Und dann gibt es doch diese Tage, da bleibt einem jedes Wort im Halse stecken. Direkt vor uns liegt eine neue Spielzeit, die spannend und in vielen Facetten neu für uns sein wird. In den letzten Wochen hat sich viel geändert: ein neues Trainerteam, langjährige Spieler haben den Verein verlassen und Wolfgang Dietrich ist nach einer denkwürdigen Mitgliederversammlung zurückgetreten. Grund genug, sich auf die neue Spielzeit zu freuen, nicht wahr? Manches wird uns vertraut sein, die Gesichter, die wir im Stadion treffen, unser alter Dauerkartenplatz, das Kribbeln beim Blick in die Cannstatter Kurve. Doch es gibt Dinge, die sind nicht mehr wie vorher.

In den letzten Jahren habe ich euch mitgenommen auf unzählige spannende Auswärtsfahrten, habe Einblick gegeben in die Emotionen eines Heimsiegs, ihr habt mich begleitet beim auf- und absteigen. Jede Woche ein paar Zeilen niederzuschreiben, damit hat es vor vielen Jahren angefangen. Jede Woche eine ganze Menge Zeilen zu schreiben, so haben die meisten von euch mich kennengelernt. Mit jeder einzelnen Faser meines Herzens schrieb ich alle Emotionen heraus, vom himmelhochjauzenden Auswärtssieg bis hin zur schockierenden Heimpleite, von Sandhausen bis Lissabon, von der Champions League bis zum Abstieg. Man kann nicht sagen, es war langweilig beim VfB.

Ich dachte immer, das alles würde ewig so weiter gehen. Jedes Mal, wenn ich mal nicht auswärts fahren konnte, geschweige denn, sogar ein Heimspiel verpassen musste, riss es mir das Herz aus der Brust. Ich erinnere mich noch an den letzten November, als ich mit einem leichten Schmunzeln nach einem 2:0-Auswärtssieg das Max-Morlock-Stadion in Nürnberg verließ und wusste, dass es mein vorerst letztes Auswärtsspiel bis Ende Januar sein würde, mindestens. Letztendlich war es das letzte Auswärtsspiel bis Ende Mai. Erst zur Relegation war ich vor Ort und musste mit ansehen, wie der VfB erneut den Gang in die zweite Liga antreten musste. Dazwischen lagen einige Monate, die mir viel Zeit gegeben haben, Zeit für mich, Zeit zum Nachdenken und Zeit, tief verflochtene Traditionen in Frage zu stellen.

Wann ich das letzte Mal ganz unbefangen zu einem Auswärtsspiel gefahren bin, mit echter Vorfreude, ich kann mich nicht einmal mehr erinnern. Zuletzt war es mehr Verpflichtung den Fotos und diesem Blog gegenüber. Mir gut getan hat das meist nicht, bildete ich mir doch ein, überall mit dabei sein zu müssen, um echte Wertschätzung zu erfahren. Vielen von euch habe ich bereits in persönlichen Gesprächen gesagt, wie schwer ich mich bisweilen mit diesem Blog tue. Die Zeit, diese Zeilen niederzuschreiben, wurde im Laufe der Jahre immer länger, doch die Zeit, mich um mich selbst, liebende Menschen und meine Gesundheit zu kümmern, die kam immer kürzer als mir lieb sein konnte. Daher habe ich eine Entscheidung getroffen. Oder viel mehr zwei.

Fortan bin ich keine Auswärtsdauerkartenbesitzerin mehr. Von nun an werde ich nur noch dann auswärts fahren, wenn ich dies wirklich möchte. Aus Überzeugung, nicht aus Zwang. Für das Spiel und die Menschen, denen ich dort begegne, nicht für die Fotos und die reine Anwesenheitspflicht. Diese Entscheidung habe ich mir nicht leicht gemacht, doch der Prozess, der bereits letzten Sommer mit einer sehr langen Überlegungszeit noch einmal in einer Verlängerung mündete, zeigte mir nun meine Grenzen auf. Ich bin satt, ich will das nicht mehr. Nicht, weil ich nie Spaß hatte, sondern einzig und allein, um mir selbst Gutes zu tun, was zuletzt viel zu selten der Fall war.

Und auch die Spielberichte, die ihr seit Jahren hier zu lesen bekommt, wird es bis auf weiteres in dieser Form nicht mehr geben. 14 Jahre nach der Gründung dieses Blogs und zwölf Jahre nach meiner entflammten Liebe für diesen Verein will ich mich nun mehr um mich, meine Familie, meine Freunde und vor allem um meine persönliche Gesundheit kümmern. Ein Spielbericht hat, ungeachtet ob Sieg oder Niederlage, nicht selten sechs Stunden Aufwand oder länger in Anspruch genommen. Dem Gegenüber steht die Aussage, „Ich mag ja deine Berichte – aber sie sind viel zu lang!“, sinkende Besucherzahlen zunehmend weniger Resonanz. Die Zeit war gekommen, in Frage zu stellen, ob ich diese Zeit nicht besser investieren kann. Nun habe ich eine Antwort auf diese Frage.

Hätte man mich vor einem Jahr gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, die Auswärtsdauerkarte aufzugeben und die Art des Blogschreibens zu überdenken, ich wäre in schallendes Gelächter ausgebrochen. Wer mich gut kennt, weiß, dass der Januar 2019 vieles geändert hat. Manchmal sind es die kleinen, unscheinbaren Dinge, die die größte Auswirkung haben. Mein guter Freund Daniel wird das Erbe meiner Auswärtsdauerkarte antreten und seine Leidenschaft für den Verein in die Stadien Deutschlands hinaustragen. Und dieser Blog wird bestehen bleiben, er wird befüllt, wenn mir danach ist und bleibt ein Zeugnis dessen, was mich all die Jahre ausgemacht hat. Danke an alle, die mich die letzten Jahre begleitet haben – und danke vor allem an jene, die verstehen können, warum ich eine Veränderung brauche.

Wer übrigens Bilder sucht: diese gibt es in bekannter Manier bei vfb-bilder.de zu sehen.

„Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen: es muss anders werden, wenn es gut werden soll.“

Georg Christoph Lichtenberg

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