Eine merkwürdige Stimmung hier. Die Leute lächeln, ein Abstieg ist rechnerisch nicht mehr möglich und der VfB gilt damit als gerettet. Es ist ein verhaltenes Lächeln. Ich kann nicht lächeln. Für mich die nächste schlimme Offenbarung dieser Saison. Die Mundwinkel hängen nach unten, der Kopf ist gesenkt. Ich habe keine Worte dafür. Sämtliche Versuche, mich wieder aufzubauen und mich alleine mit der Tatsache zu trösten, dass wir nicht mehr absteigen können, schlagen fehl.

Natürlich ist es gut, dass wir nicht mehr absteigen können. Doch ich habe Angst. Vor Berlin und vor den Bayern. Vor gut einer halben Stunde trat das ein, was ich schon befürchtet hatte. Der heutige Gegner hieß Greuther Fürth. Jawohl, die Mannschaft, die bereits letzte Woche als erster definitiver Absteiger fest stand. Sie hatten nichts mehr zu verlieren, und genau darin lag meiner Ansicht nach von vornherein die Gefahr. Am Ende stand es 0:2. Eine Woche nach dem 0:3 gegen Augsburg. Ist es peinlich? Definitiv. Schäme ich mich? Ein bisschen schon.

“So ein schönes 4:0 tät mir heut gefallen!” – ich war optimistisch vor dem Spiel, traf vorm Neckarstadion noch gute Freunde. Auf ein perfektes Fußballwetter mussten wir verzichten, es regnete schon seit den frühen Morgenstunden. Nach der herben Niederlage bei den bayerischen Schwaben musste es doch irgendeine Antwort geben. Es gab keine Antwort. Nur viele neue Fragen, die am ersten Tag des nächsten Monats beantwortet werden können.

Mir schwant Böses

Die Blamage in Augsburg hatte ich bisher noch nicht ganz verkraftet. Zu überraschend die Schwäche des VfB und die Stärke des Gegners, es musste dringend Wiedergutmachung her. Man könnte meinen, da kämen die bereits abgestiegenen Fürther gerade recht. Die ehemals “Unaufsteigbaren” stiegen letzten Sommer in die 1. Liga auf, 18 Punkte holte man aus 31 Spielen, Torverhältnis 22:55, 3 Siege, 9 Unentschieden und 19 Niederlagen. Der Traum war am Ronhof schnell ausgeträumt.

Was hatten sie denn noch zu verlieren? Nichts. Und genauso traten sie auch auf. Wenn wir nur mit einer ähnlichen Einstellung nach Berlin fahren, können wir uns nichts vorwerfen. Doch davon sind wir noch weit entfernt. Ich bin mir nicht sicher, wie die Mannschaft sich das mit der Vorbereitung auf Berlin gedacht hat \” noch möglichst viele Punkte holen, tollen Fußball spielen, niemand verletzt sich und man versöhnt sich nach so einer Saison mit den Fans. So wäre wohl der Plan gewesen. Umsetzung: mangelhaft.

Falls man es aus den ersten 2439 Zeichen noch nicht herauslesen konnte: ich bin angefressen. Und zwar so richtig. Nicht die Tatsache, überhaupt verloren zu haben, noch nicht einmal in erster Linie die Tatsache, dass es ausgerechnet Fürth war, nein, vielmehr die Gewissheit, dass solche Spiele uns zur Lachnummer der Nation machen. Die Bayern sitzen vor ihrem Fernseher und lachen sich tot. Und eine Mannschaft wie der VfB will nach Berlin fahren, geschweige denn mit erhobenem Haupt?

In den letzten Zügen der 34er-Saison

Ein weiteres Mal habe ich keine Lust, mich konzentriert dem Rückblick auf das Spiel zu widmen. Schnell über die Bühne bekommen und den Rest des Sonntags für andere Dinge nutzen können. Wie gut das funktioniert, werde ich in ein paar Stunden sehen. In dieser Saison liegt die durchschnittliche Dauer der Spielnachbereitung mit dem Sichten, Bearbeiten und Verteilen der Bilder sowie dem Schreiben des Artikels und dessen Publikation \” wenn es gut läuft – bei ca. 4-6 Stunden. Viel Zeit, wenn man bedenkt, dass ich es mir genauso gut einfach machen könnte: “Scheiß Spiel”, Bilder dazu, das wars.

Schon der Blick aus dem Fenster am Morgen war schon nicht besonders Mut machend. Es hatte sich eingeregnet, lange Hose, festes Schuhwerk und ein nicht gerade dünner Pulli sollten uns kleiden wir das vorletzte Heimspiel der Saison. Nicht mehr lang und bald hätten Felix und ich es geschafft: unsere erste komplette 34er-Saison, das Ziel, auf dass wir die ganzen Monate hingearbeitet haben, in gut 2 Wochen wird es soweit sein. Bis dieser Tag gekommen ist, würden jedoch noch die Spiele gegen Fürth, Schalke und Mainz auf dem Plan stehen.

Der Regen war unangenehm, doch zum Glück nicht zu kübelmäßig heftig wie in der Fast-Abstiegs-Saison gegen Leverkusen, als man den ganzen Tag mehr oder weniger durchnässt war. Im Stadion sind wir zumindest im Trockenen, jedenfalls die meisten. Die Erinnerungen waren da an das letzte Heimspiel der vergangenen Saison, als gegen Wolfsburg wasserfallartige Regenmassen über das Stadiondach in den Innenraum schwappten und beim zwischenzeitlichen 0:2-Rückstand für Belustigung sorgten.

Zwei Spieler im Fanblock

Die Zeit bis zum Anpfiff zog sich ewig. Ich beobachtete, wie sich die Plätze füllten, laut Christoph von unserem Fanclub sollten es heute durch die “Familientag”-Aktion über 50.000 Zuschauer werden. In Kombination mit dem unmittelbar angrenzendem Wasen-Gelände und dem darauf statt findenden Frühlingsfest sollten die Massen angezogen werden und so das Stadion füllen. Nur wenige Gäste hatten sich auf den Weg gemacht, der Gästeblock wurde durch eine Absperrung sogar nochmal künstlich verkleinert, es reichte für die mitgereisten Franken.

Mit wehenden Fahnen begrüßten wir sie wie jedes Mal, die üblichen Verdächtigen in der Cannstatter Kurve. Fast. Zwei haben sich heute dazugesellt, die normalerweise nicht da sind. Niemand geringeres als unsere Spieler Vedad Ibisevic und Georg Niedermeier, die beide in Augsburg ihre fünfte, bzw. zehnte Gelbe gesehen hatten und somit gesperrt waren für die Partie gegen Fürth.

Mit Ansage ging es in den Ultrablock hinein, laut Augenzeugenberichten hatten die Beiden viel Spaß und beteiligten sich auch rege am Support \” eine tolle Aktion der Beiden! Die meisten Spieler der Bundesliga würden es sich an solchen Tagen auf der VIP-Tribüne gemütlich machen. Hoffnungsvoll, aber dennoch aufgewühlt, stand ich da im Block 33. Das Spiel konnte beginnen. Etwas für die Tordifferenz tun, ein paar Plätze gut machen und weiter Selbstvertrauen tanken. Gegen bereits abgestiegene Fürther kann das doch nicht so schwer sein. Zumindest dachte ich das. Noch.

Sieg gegen Fürth? Machbar!

Das Spiel lief, auf der Anzeigetafel stand es 0:0. Fast schon gähnend wartete man auf den ersten Treffer des Spiels, so wirklich große Torchancen konnten sich beide Mannschaften noch nicht erspielen. Kurzzeitig war ich der jungen Dame zu meiner Linken dabei behilflich, ihr iPhone wieder zu bekommen \” es fiel auf die Betonstufe, eine unachtsame Bewegung mit dem Fuß und schwupps, war es unter der Klappstufe mit den Europapokal-Sitzplätzen verschwunden. Mit viel Fummelei bekamen wir das Telefon wieder raus, sehr zur sichtlichen Erleichterung der Dame.

Die Stimmung in der Cannstatter Kurve kam nur äußerst schwer in Tritt, erst in der 18. Minute wurde es interessant \” auch auf dem Spielfeld. Es gab Freistoß in der Hälfte der Fürther, Alexandru Maxim \” wer auch sonst \” sollte ihn treten. Über den Rumänen sage ich schon seit Wochen “Der isch subbr!”, seine ruhenden Bälle sorgen für Torgefahr, es war ein rares Gut in den letzten drei Jahren. Ein langer Ball, ein Kopfball, aber kein Tor. Shinji Okazaki, der für Vedad Ibisevic randurfte, köpfte am Tor vorbei.

Es war die erste Großchance in der ersten Halbzeit und eine von Vielen, denen wir nachweinen würden. Auch nur vier Minuten später fehlte nicht viel zur 1:0-Führung. Nunja, ein Vorlagengeber fehlte irgendwie. Da brachte auch die schöne, wenn auch blinde Hereingabe von Christian Gentner nichts. Wie oft das Raunen in den ersten 45 Minuten durchs Stadion hallen sollte, wussten wir noch nicht. Es brachte einen wirklich zur Verzweiflung, und dennoch glaubten wohl die meisten Zuschauer, dass es Sieg gegen Fürth die Pflicht wäre, unsere Kür wartet in Berlin auf uns.

Viele Chancen, keine Tore

Es ist beinahe unmöglich, alle Torchancen aufzuzählen, die der VfB im ersten Durchgang hatte. Im Minutentakt tauchten sie vor dem Kasten von Keeper Wolfgang Hesl auf. Die Spielvereinigung Greuther Fürth fand in der ersten Halbzeit so gut wie nicht statt \” wie auch die Fans, die sich trotz des bereits feststehenden Abstiegs auf den Weg ins gut 215 Kilometer entfernte Ländle machten. Sie standen still in ihrem kleinen Gästeblock. Keine Fahnen, keine Doppelhalter, keine Schals \” nach dem Einlaufen der Mannschaften sah und hörte man nichts weiter von den Franken.

Sind wir denn die einzige Partie, in der noch kein Tor gefallen war? In der Tat. Überall fielen schon die Treffer, darunter auch in Bremen gegen Hoffenheim, sehr zu unserer Freude führte Bremen bereits mit 2:0, der Weg für Hoffenheim in die 2. Liga wäre somit frei gewesen. Drückende Überlegenheit, massig Gelegenheit, doch noch stand es 0:0. Sie sollten anfangen, die Treffer zu machen, sonst wirds schwierig mit dem von mir ersehnten 4:0-Sieg.

Es wäre ein wunderschöner Treffer geworden. Ibrahima Traoré passte auf der rechten Außenseite auf Shinji Okazaki, der den Ball nach innen flankte. Ein Fürther Bein war dazwischen, grätschte den Ball nach hinten weg. Schnell reagierte unser rumänischer Neuzugang, mit einer schnellen Körperdrehung drosch er den Ball in Richtung Tor. Angespanntes Luft-Anhalten. Komm, komm, komm, komm! Die Hand von Wolfgang Hesl lenkte den Ball noch knapp über den Kasten.

Wie viele Chancen braucht der VfB eigentlich noch?

Manchmal ist es doch wirklich zum Haare raufen. Während die Stimmung in der Kurve besser wurde, wurde die Verzweiflung immer größer. Es hätte hier schon 5:0 stehen können, das Fürther Tor schien wie zugenagelt. Es ging schon auf die Halbzeitpause hin, auf der Haupttribüne setzten schon die ersten Massenbewegungen ein \” man will ja als Erster am Buffet sein, nicht wahr?! Noch wenige Minuten zu spielen, vielleicht klappts ja besser, wenn die Jungs in Richtung Cannstatter Kurve spielen.

Was wohl unsere beiden Spieler gerade machen? Die feierten mit den Fans und genossen einmal die Atmosphäre von der anderen Seite. Sie sahen mit zu, wie ein Fürther unseren Österreicher foulte, ein schnell ausgeführter Freistoß und der Weg war frei für den schnellen Ibrahima Traoré. Alleine vor Wolfgang Hesl, das muss es doch jetzt endlich sein? 38 Minuten waren bisher gespielt, lange genug habe sich Fürth gegen das Unvermeidliche gewehrt. Der Guineaer zog ab, wenige Meter trennten uns von der 1:0-Führung. Gespanntes Warten.

“PLONG!” machte der Ball und klatschte mit voller Wucht an den Pfosten. Nein, nein, nein, das darf doch nicht wahr sein! Wie kannst du aus so einem Winkel den Außenpfosten treffen? Spätestens jetzt hätte das Führungstor fallen müssen \” ich sage bewusst nicht “können”, sondern “müssen” \” das 1:0 war hier sowas von überfällig. Mit dem 0:0 ging es dann in die Pause. Irgendwie unbefriedigend, aber noch war das Spiel ja nicht vorbei.

Vom gestohlenen Elfer zum geschenkten Tor

Erst fünf Minuten waren gespielt im zweiten Durchgang, als es wütende Rufe der Entrüstung gab \” gegen Schiedsrichter Guido Winkmann, der das Strafraumfoul von Edgar Prib gegen Martin Harnik nicht mit einem berechtigten Elfmeter ahndete. Er ließ weiterspielen, sehr zu unserem Ärger. Nach den vielen Möglichkeiten in der ersten Hälfte wäre dies die beste Möglichkeit gewesen, in Führung zu gehen.

Denn wir durften ja eines nicht vergessen: holen wir hier nicht mindestens einen Punkt, sind wir von den Ergebnissen der Spiele Bremen gegen Hoffenheim und Frankfurt gegen Düsseldorf abhängig. Maßlose Verärgerung von allen Seiten, selbst wenn es vor dem Strafraum gewesen wäre, hätte es zumindest einen Freistoß geben müssen. Man haderte sichtlich mit dieser Fehlentscheidung, wie sehr, sollte sich wenige Sekunden später zeigen.

Es gab wieder Freistoß für die Gäste, ein langer Ball auf einen schwarz gekleideten Fürther, Gotoku Sakai war bei ihm, wollte im Strafraum klären \” und traf dabei unglücklich ins eigene Tor. Keine Chance für Sven Ulreich. Nur schwer zu sehen von der Cannstatter Kurve, es dauerte einige Zeit, bis klar wurde, dass Fürth hier ein Tor geschossen hat. Welch bitterböse Ironie \” zuerst schafft es der VfB nicht, seine unzähligen Torchancen zu nutzen und fängt dann plötzlich an zu treffen: ins eigene Tor. Man da lachen oder weinen?

Die Linie verloren

Reaktion? Fehlanzeige. Christian Gentner zog fünf Minuten später aus der Distanz ab, drosch den Ball aber weit über das Tor. Sie hatten ihre Linie durch das schmeichelhafte 0:1 der Gäste völlig verloren. Ich dachte an die Masse der Torchancen im ersten Durchgang, wurde nachdenklich und schüttelte schlussendlich den Kopf, wie viele andere auch. Von der Haupttribüne kamen die ersten Pfiffe, bei jedem Fehlpass, bei jeder nicht verwerten Chance, von letzterem gab es genug, dass es für drei Spiele gereicht hätte.

Viel war ihnen vor 48.300 Zuschauern nicht eingefallen, um sich gegen die drohende Niederlage zu wehren. Sie zogen sich zurück, fingen an zu mauern und zogen sich mit vermehrten sinnlosen Rückpässen den Unmut der Fans zu. Es wurde minütlich stiller in der Cannstatter Kurve. Wo die Fans in der ersten Halbzeit zumindest noch mitgeklatscht und zaghaft mitgesungen hatten, hielten sie nun inne und verschränkten die Arme vor der Brust. Die Nähe zur Haupttribüne ließ sich wahrlich nicht abstreiten, viele von ihnen wären dort besser aufgehoben.

Noch gut 20 Minuten, es wurde Zeit, langsam nervös zu werden. Wer wollte zwei Wochen vor dem großen Pokalfinale in Berlin schon daheim 0:1 gegen den ersten Absteiger verlieren? Von dieser Einstellung war bei unserer Mannschaft nicht viel zu sehen, sie spielten lieber hinten rum, als würden sie bereits 3:0 führen. Taten sie aber nicht. Die Pfiffe von allen Seiten, auch die Cannstatter Kurve meldete sich immer lauter zu Wort. Aus dem mehr oder weniger eingeplanten Heimsieg wurde mehr und mehr eine Blamage.

Die Nerven verloren

Die nächste Chance für die Fürther, Nikola Djurdic war bereits an Sven Ulreich vorbei, aus spitzem Winkel traf er beinahe zum 0:2 \” der Ball ging wie bei Ibrahima Traoré aber auch nur an den Außenpfosten. Wohlgemerkt an genau den selben, den unser schneller Flummiball getroffen hatte. Glück für uns, dass es hier nicht schon vorzeitig vorbei war. Wenigstens noch den Ausgleich schießen, irgendwie? Frankfurt und Bremen führten aktuell mit jeweils 2:0, was uns zum sicheren Klassenerhalt gereicht hätte. Doch sich hier bis auf die Knochen blamieren, das muss nun nicht wirklich sein. “Aufwachen, Aufwachen, Aufwachen!” schrien wir aus der Kurve zur Mannschaft, die herumirrte wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen.

Wieder waren die besser gewordenen Fürther im Vorwärtsgang, Antonio Rüdiger klärte gegen Felix Klaus, der dabei zu Fall kam. Die Situation war eigentlich schon vorbei, Abstoß für Sven Ulreich, auch die TV-Kameras waren schon wieder zurück geschwenkt ins Mittelfeld. Keiner hat es so richtig begriffen, Guido Winkmann bekam ein Signal vom Linienrichter vor der Haupttribüne und machte auf dem Fuß kehrt, rannte zu unserem deutschen U21-Nationalspieler und zeigte ihm glatt Rot! Bitte was? Lange Diskussionen, Christian Gentner, Sven Ulreich und sogar der von Wolfsburg ausgeliehene Felipe Lopes versuchten, die Situation zu klären.

Keine Chance, langsam trabte der 1,90 Meter große Hüne vom Platz. Zusätzlich gab es Elfmeter für Fürth. Kann mich mal bitte jemand wecken, das muss ein Alptraum sein! Das war das mutmaßliche 0:2, ich war mir ziemlich sicher. Unser Ulle ist leider kein geborener Elfmeter-Killer, zuletzt hielt er im November 2010 gegen Torsten Frings \” beim 6:0-Sieg gegen Bremen. Ich rechnete schon damit, dass der Gästeblock gleich jubelt. Er tat es nicht. Ulle hielt bravourös. Im Gegenzug gab es den direkten Konter, wie wäre es genial gewesen, wenn dieser im Ausgleich geendet hätte. Er tat es nicht.

Das Spiel verloren

Nur noch fünf Minuten. Ein Freistoß von Alexandru Maxim fand den Kopf von Felipe Lopes, nur knapp ging der Ball übers Tor. Was zu Beginn des Spiels wie eine leichte Aufgabe aussah, mauserte sich nun zum personifizierten Alptraum. Das konnte doch echt nicht wahr sein. Dachte man sich offenbar auch auf der Haupttribüne, in den letzten Minuten verließ gut die Hälfte der Zuschauer dort ihren Platz.

Nach einem wieder über Fürths Tor gedroschenen Ball wurde ein Abstoß von Wolfgang Hesl zur Vorlage für die Gäste, Ibrahima Traoré verlor den Zweikampf und der Weg war frei für die zwei Fürther, die durch die Abwehr (oder was auch immer das darstellen sollte) brachen und zu zweit gegen Ulle ein leichtes Spiel hatten. Noch einmal rüber gelegt, Ilir Azemi musste einfach nur seinen Fuß hinhalten. Es stand 0:2. Null zu Zwei. Es war die vorletzte Minute der regulären Spielzeit.

Es gab zwei Minuten Nachschlag. Nicht, dass es uns auch nur im Entferntesten irgendwas genutzt hätte. Wer es nicht schafft, zumindest ein paar wenige von gefühlten 79318934 Torchancen zu verwerten, der wird auch in zwei Minuten Nachspielzeit das Tor nicht treffen. War es dem Fehlen von Antonio Rüdiger geschuldet, der sonst hätte klären können? Vielleicht? Jubel und Freude im Gästeblock, es sind ihre letzten Wochen im Oberhaus des deutschen Fußballs. Wütende Pfiffe von allen anderen Seiten.

Schützenhilfe aus Frankfurt

Die Reaktionen fielen entsprechend aus. Gut ein Viertel hatte das Stadion bereits vor dem Abpfiff verlassen. Ich wäre am Liebsten auch gegangen, doch ein Fan bleibt bis zum bitteren Ende. Es war durchaus bitter. Ich meine, Hallo?! Fürth ist erster Absteiger. Ihnen diesen letzten Erfolg zu gönnen, nach Frankfurt zu schauen und mich über das 3:1 gegen Düsseldorf zu freuen, ich kann es nicht. Hoffenheim erzielte durch den Ex-Stuttgarter Sven Schipplock noch zwei späte Tore und spielte 2:2, wir dürfen uns einzig und alleine bei der Eintracht für die Schützenhilfe bedanken.

Auf mich wollte ja keiner hören, als ich nach der Niederlage in Augsburg zur Vorsicht geraten hatte. Hätte Hoffenheim sogar noch gewonnen, hätte Düsseldorf gewonnen… Hätte, hätte, Fahrradkette. Es war im Prinzip scheißegal. Wir waren durch, der Mannschaft könnte jetzt eigentlich alles am Arsch vorbei gehen. Oh Moment, sie tat es ja offenbar auch schon die letzten 45 Minuten lang. War es das von Fredi Bobic ausgerufene Schaulaufen für Berlin, das den Jungs den Kopf blockiert hatte?

Auf dem Rasen kauerte ein todtrauriger Alexandru Maxim. Es ist nicht seine erste Niederlage mit dem VfB, doch er identifiziert sich, man sah ihm an, wie sehr ihn das mitnahm. Auch Gotoku Sakai, Eigentorschütze und damit mutmaßlich verantwortlich für den Ausgang der Partie, war einfach nicht zu trösten. Die Hände stützte er in die Hüfte, biss sich selbst auf die Lippe. Mit hängenden Köpfen liefen sie in die Kurve, verhaltener Applaus, es waren mehr Pfiffe als Händeklatschen dabei.

Gedanken ans Pokalfinale

Ich glaubs nicht. Lange starrte ich wortlos hinaus aufs Spielfeld, das Stadion hat sich schnell geleert. Langsam lief ich hoch zum Rest des Fanclubs, auf Felix war mittlerweile dazu gekommen. Alle lächelten und sagten mir, wir seien jetzt sicher und könnten nicht mehr absteigen, das wäre doch durchaus ein Grund zur Freude. Ich empfand keine Freude. Ich empfand nur Frust, Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit. Wie sollte ich da lächeln können?

Über den gesicherten Klassenerhalt hätte ich mich doch eigentlich freuen müssen, oder ihn zumindest wohlwollend zur Kenntnis nehmen können. Ich übersprang kurzerhand diese Phase und ging direkt hinüber zur emotionalen Vorbereitung aufs Pokalendspiel in Berlin. Wie, das frage ich auch euch, liebe Leser, wie sollte es der VfB anstellen, gegen die übermächtig scheinenden Bayern zu bestehen? Wie will man gegen eine Mannschaft Tore schießen, die über eine stabile Abwehr hinaus auch noch einen Sturm hat, der selbst in einer B-Elf für eine Klatsche sorgen kann?

Nichts vermochte mich zu trösten. Meine gute Laune an diesem Tag verlor ich mit dem Eigentor unseres Japaners, bis heute, Sonntag Abend, ist sie nicht zurückgekehrt. Ich habe große Sorgen. Wir fahren nach Berlin, chancenlos, um den wahrscheinlich höchsten Sieg in einem Pokalfinale zu sehen. Dabei noch dümmer auszusehen als einst die Duisburger gegen Schalke im Jahre 2011, ist dabei noch nicht einmal so unrealistisch. Felix bleibt dabei: er wird 50 Euro auf den Stuttgarter Pokalsieg wetten. Und er wird reich dabei. Reich an Erfahrung.

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