Ein schönes Gefühl, Derbysieger zu werden. Obwohl ich mir Tatsache durchaus bewusst bin, dass nur das Duell gegen Karlsruhe das einzig wahre und echte Derby ist, so bietet uns Freiburg ein kleineres, aber dennoch intensives Duell. Am späten Freitag Abend holten wir nicht nur einen erhofften Auswärtssieg, sondern auch die Gewissheit zurück, dass es nicht unbedingt das zehnfache an Torchancen braucht, um effektiv zu sein.

Flutlichtspiele am Freitag Abend haben schon etwas Besonderes, dazu die Atmosphäre. “Dank” der DFL werden wir noch einige Flutlichtspiele haben, wir hatten (soweit ich weiß) noch nie so viele Freitagsspiele wie in dieser Hinrunde. Ein Grund dafür ist wohl das Ausbleiben der internationalen Spiele, die uns in den letzten Jahren dafür mehr Sonntagsspiele gebracht haben. Wenig erfreulich jedoch bei weiter entfernten Spielorten, darunter auch neulich in Berlin und demnächst in Bremen.

Einen Tag Urlaub habe ich mir genommen, viele sind direkt nach der Arbeit aufgebrochen, haben ebenfalls Urlaub eingereicht gehabt, manche haben es vielleicht gar nicht geschafft ins knapp 200 Kilometer entfernte Freiburg. Der ursprüngliche Plan, schon am frühen Morgen aufzubrechen, ging nicht auf: erst kurz vor 14 Uhr am Nachmittag ging es los im T-5 Transporter mit Gerd, Ingrid, Katrin, Bruno, Philipp und uns beiden.

Viel habe ich nicht mitbekommen von der Fahrt ins als malerisch bekannte Breisgau im äußersten Südwesten des Landes, fast schon an der Grenze zu Frankreich und zur Schweiz. Die meiste Zeit habe ich dann doch geschlafen, die stickige Luft begünstigte die schweren Augen zusehendst. Bei einem kurzen Zwischenstopp an einem Rastplatz 40 Kilometer vor Freiburg inklusive Kaffee und selbstgebackenem Zwetschgenkuchen sammelten wir noch einmal die Kräfte fürs Spiel, wir würden sie brauchen.

Viel hat nicht gefehlt zwischen dem Auto und der Decke des Parkhauses, in dem wir während des Spiels geparkt hatten. Wenige Sekunden nach uns fuhren auch die Albstadt-Schneiders hinter uns ein, war für ein Timing. Gemeinsam ging es los zu Fuß, etwa einen Kilometer lang. Vergleichbar mit der Strecke vom Cannstatter Bahnhof zum Neckarstadion. Keine besonders attraktive Strecke, wie ich sagen muss \” von malerischer Gegend war hier nicht viel zu sehen.

Unterwegs begegneten uns natürlich zahlreiche Freiburger \” von hitziger Atmosphäre, Anfeindungen und Hass war hier nichts zu spüren. Unterwegs begegneten wir Daniel, der bepackt mit einem Reise-Trolley offenbar Großes vorhat. Grund dafür ist aber keine Schmuggelware, sondern die anschließende Reise nach England. Angekommen vorm Stadion am Gästeblock gingen wir auch schon bald hinein. Weibliche Besucher mussten Geduld mitbringen, für 1.500 Fans gab es nur eine einzige Ordnerin zur Kontrolle.

Es ist ja nicht so, dass ich nicht gewarnt wurde: es gibt bessere Gästeblöcke als den in Freiburg. Schlechte Sicht und hohe Zäune die den Blick aufs Feld versperren. Da man aber alles nehmen muss, wie es kommt, war auch das ein Umstand, den wir hinnehmen musste. Mittlerweile fing es leicht an zu regnen, die vorderen Reihen wurden somit nass.

So einige bekannte Gesichter waren hier, darunter auch Marcel, den ich seit etwa 2 Jahren kenne und wir uns fast immer und überall am und im Stadion antreffe, sowie viele andere, die mich mehr oder weniger seit 4 Jahren begleiten. Die Suche nach dem geeigneten Platz war unterdessen gar nicht so einfach.

Wir postierten uns schließlich auf der linken Seite des Blocks, von wo ich Fotos machen wollte, geschützt vom Regen, doch mit dem unansehnlichen und Sicht versperrendem Zaun nebendran. Erwartungsgemäß steht man ja natürlich immer da, wo der Durchgang ist. Während sich Dutzende Menschen an uns vorbeischoben, füllte sich der Gäste-Stehblock zusehendst und sollte die Basis für ein erfolgreiches Spiel bilden. Weiße und rote Luftballons wurden für eine kleine Brustring-Choreographie ausgeteilt.

Das erste Mal muss ich sie überhört haben: die Durchsage an alle Spätkommer, dass das Spiel wegen Verkehrsbehinderungen eine Viertelstunde später angepfiffen werden würde. Na großartig. Aber eine faire Geste denen Gegenüber, die die ersten Minuten wohl verpasst hätten.

Ein Stromausfall bei der Straßenbahn hat wohl hunderte Zuschauer im Verkehrschaos stecken lassen, auch andere Fahrzeuge und Reisebusse, es war das reinste Durcheinander im Umkreis des Dreisam-Stadions (aktuell auch als Badenova-Stadion bekannt). Für diejenigen, die nach dem Spiel früh heimwollten, nicht gerade toll. Ich gehörte dazu, wollte ich mich doch schnellstmöglich um die Bilder kümmern, die während und nach dem Spiel entstehen sollten.

Schon vor dem Anpfiff gab es etliche Pfiffe sowie Schmähgesänge und -gesten auf beiden Seiten, das gehört dazu, so klein der Derby-Charakter auch sein mag. Das Spiel stand jedoch im Vordergrund und unsere Mannschaft dabei zu unterstützen, so gut wir nur konnten, sie nach vorne zu schreien und nach 90 Minuten hoffentlich einen Auswärtssieg feiern zu können.

Mit dem Herauslaufen der Mannschaften ergaben die Luftballons einen Brustring im Gästeblock, fast noch amüsanter das Wegschlagen, Zerplatzen und Zertreten der mit Luft gefüllten Kautschuk-Masse. Here we go, es konnte losgehen. Mit Anspannung und ein wenig Nervosität ging es los, lautstark und selbstbewusst.

Selbstbewusst begann auch der SC Freiburg, der die erste Chance des Spiels schon nach wenigen Sekunden hatte. Es war auch bei diesem Spiel wie so oft schwer, vorauszusagen, wem hier mehr Siegerpotenzial inne wohnt. Waren es die Freiburger, die vor einer Woche eine 0:7-Klatsche bei den Bayern kassierten und auch Wiedergutmachung hofften? Oder waren es doch wir, die wir vor einer Woche souverän gegen Hannover gewannen und den Aufwärtstrend weiter fortsetzen wollten?

Nach den ersten Freiburger Warnschüssen fanden unsere Jungs immer besser ins Spiel, stabilisierten sich in der Defensive und übernahmen die größeren Spielanteile. Chancen der Gastgeber wurden entweder schnell unterbunden oder scheiterten spätetestens an Sven Ulreich, der eine solide Leistung zeigte. Mit breiter Brust gestartet, wurde schnell nachgelassen: Freiburg \” sowohl Mannschaft als auch Fans \” hatten uns nicht wirklich etwas effektives entgegen zu setzen.

Es tat gut zu sehen, das unsere Mannschaft stabil ist. Ballkontrolle, Passspiel, Konter umsetzen, schnell umschalten. Wir haben den 6. Spieltag wohlgemerkt, und haben soweit ich mich erinnere schon jetzt mehr Punkte als zu einem späteren Zeitpunkt der Hinrunde in der vergangenen Saison. Wir täten gut daran, einmal nicht mit einer schlechten bis sehr schlechten Hinrunde zu starten. Als bisheriges Manko haben wir die Chancenverwertung ausmachen können, doch so viele Chancen gab es in diesem Spiel gar nicht.

Zugegeben, dieses Spiel war kein Augenschmaus, doch auch solche Partien erlebst du in jeder Saison mehrere Male. Das kleine Derby gegen Freiburg war an jenem Tag eine davon. Für die Tabelle ist jedes Spiel wichtig. Fürs Gemüt haben ein paar Begegnungen besonderen Stellenwert. Denn Siege schmecken umso süßer und Niederlagen treffen einen doppelt bitter. Und wie an jedem einzelnen Spieltag gilt: Das Beste hoffen und das Schlimmste erwarten.

Man wusste gleich, dass diese Verletzung ein größeres Ausmaß hat. In der 25. Minute verletzte sich der Freiburger Ferati so schwer bei einem Zweikampf, dass er vom Feld getragen werden musste. Wie ich später erfuhr, war ihm offenbar die Kniescheibe rausgesprungen. Kenn ich doch von irgendwoher. Bei jeglicher Rivalität, die jedes Spiel und besonders kleine und erst recht große Derbys mit sich bringen: eine folgenschwere Verletzung wünscht man niemandem. Auch, wenn es sich aus unserem Munde im Eifer des Gefechts anders anhören mag.

Nach etwa einer halben Stunde ging der Pulsschlag kurz ins Unermessliche, ich wurde umgestoßen von vielen aufgeregten Menschen, stieß mir an den Betontreppen das Knie an und schrie so laut ich nur konnte. Szenen einer Massenpanik? Nein, es war das Führungstor für den VfB, Martin Harnik \” von dem ich vom ersten Tag an viel gehalten habe \” traf zum 0:1 aus Freiburger Sicht. Jener Schmerz vermag sogar schön zu sein. Das erinnert mich doch glatt an die blauen Beine von Glasgow.

Weiter die Breisgauer fest im Griff war der VfB hier hoch zu Ross, und das zu Recht. Mit der nicht unverdienten 0:1-Führung im Rücken ging es in die Halbzeit, es war bereits 21:30 Uhr. Zeit, meinen schon recht geschundenen Hals ein wenig zu reparieren, die Trinkpäckle zu je 500ml haben wir problemlos mit reinnehmen dürfen, unsere Rettung vor Austrocknung und horrenden Getränkepreisen am Imbisstand. Erstmal na hocke!

Wer hoffte schon nicht darauf, dass es genauso gut für uns weitergehen würde. Wie eng es noch werden würde, steht weit vorne auf der Liste der Fußballerlebnisse, auf die man gern verzichten möchte. Zur zweiten Hälfte spielten unsere Jungs auf das Tor vor dem Gästeblock, sofern man das “vor” nennen konnte, bei der gästeunfreundlichen Stadionplanung.

Der hohe Metallzaun und jeweils eine Meter Zwischenraum trennte uns von den anderen Blöcken, wo sich Freiburger und Stuttgarter mischten. Die einen sangen mit und waren voll bei der Sache, hüpften, klatschten und schrien sich die Seele aus dem Leib. Und die anderen.. nunja, die machten gar nichts.

Denn von Support war nichts zu hören. Lediglich sehen konnte man gelegentlich ein kurzes Klatschen oder Hüpfen in der Freiburger Fankurve, sonst war der Support nicht erstligareif. Zu Hören war nichts \” bis auf hier und da ein “Stuttgarter Arschlöcher”. Wie niedlich, als ob wir darauf keine kreativen Antworten hätten.

Dass sich sowas auch auf die eigenen Mannschaft übertragen kann, zeigte Freiburg wahrhaftig in Form des Negativbeispiels: Ideenlosigkeit und \” soweit unterstelle ich \” Lustlosigkeit. Mit dem wichtigen ersten Tor waren Hoffnungen und Begehrlichkeiten geweckt, der Weg zum Auswärtssieg sah gar nicht so schlecht aus. Trotzdem gab es erst einmal keine weiteren Tore zu bejubeln, der Ball ging hin und her, keine zwingenden Großchancen auf beiden Seiten.

Einerseits bedenklich, wenn du dir keine Chancen erspielt, andererseits vielleicht auch ganz gut, wenn du viele Großchancen vertust, kann dir auch keiner wegen mangelnder Chancenverwertung ans Bein pinkeln. Noch 1 oder sogar 2 Tore obendrauf, und hier wäre Ruhe im Karton gewesen. Ein Tor Vorsprung ist, wie wir auch letzte Woche gegen Hannover erlebt haben, mitunter eine äußerst beunruhigende und nervöse Angelegenheit.

Bald gibt es wieder in den meisten Apotheken Brustkaramellen zu kaufen. Ich freue mich schon, wohltuende Wirkung, beruhigen den Hals und helfen bei Kratzen im Rachen. Wie ich darauf komme? Ich hätte gerne welche dabei gehabt. Nach dem wunderschönen 0:2, erneut durch Martin Harnik, war meine Stimme nach 73 Minuten völlig im Eimer. Ohne dass ich zu diesem Zeitpunkt ahnen konnte, dass der Drops noch nicht ganz gelutscht ist.

“Das lassen sie sich jetzt (hoffentlich!) nicht mehr nehmen” wird der eine oder andere gedacht haben. Und das zu Recht! Während wir uns schon mental auf die Siegesfeier vorbereiteten, machte sich bei den Freiburgern so etwas wie Aufbäumen breit. Waren sie vielleicht noch nicht angeschlagen genug? Einen Vorwurf muss man dem VfB allerdings machen: das man sie zurück ins Spiel hat kommen lassen. Ihnen reicht ein Spieler, Papiss Demba Cissé, der das Tor treffen kann. Er tat es, 5 Minuten vor Schluss zeigte die Anzeigetafel nur noch 1:2. Jetzt bloß nicht in Panik geraten!

Die letzten 7 Minuten plus 3 Minuten Nachspielzeit wurden zur nervlichen Tortour für jeden Brustringträger. Es wurde ziemlich eng und wir fürchteten, das Spiel würde kippen und eine einzige Unachtsamkeit den Ausgleich und damit den verlorenen Lohn für engagierte Bemühungen bedeuten. “Macht bloß keinen Scheiß”, immer wieder spulte ich diesen Satz immer und immer wieder innerlich ab.

Das beste probate Gegenmittel wäre ein erneutes VfB-Tor gewesen, was aber trotz diverser Freistöße in den letzten Minuten, begleitet von Freiburger Pfiffen und Buh-Rufen, nicht gelingen wollte. Man verstand es, sich zusammen zu reißen und die wenn auch am Ende knappe 1:2-Führung ruhig über die Bühne zu bringen. Ich blickte um mich, überall weit aufgerissene Augen, fast schon hörbare Herzschläge. Der Abpfiff des Schiedsrichters ging im Jubel der Nacht unter.

Es war vollbracht, der nächste Sieg in einer Hinrunde, die getrost schlimmer zu erwarten war, einfach der Gewohnheit halber. Freude und besonders Erleichterung waren spürbar, man wusste um die letztendliche Knappheit des Spiels in den letzten Minuten. Mitfahrer Bruno freute sich natürlich auch, man kann sich wahrlich schlimmere Partien als erstes Auswärtsspiel aussuchen. Ich weiß, wovon ich rede.

Minutenlang feierten wir noch, mit uns, mit der Mannschaft, stolz auf unsere Mannschaft und \” das kann ich nicht verschweigen \” uns selbst. Welch wichtige Rolle das Publikum bei einem Spiel haben kann, haben wir heute gesehen. Solange du nicht laut genug bist und nicht alles menschenmögliche tust, geht deine Mannschaft unter. Bist du jedoch laut und beherzt, spürt das auch die Mannschaft. Jener berühmter Funke ist auf die Jungs übergegangen, wir dankten es Ihnen mit Beifall und einer Welle.

Eines muss man dem Freiburger Stadion lassen: die “Stadionshow” und die musikalische Untermalung ist hier besser gelungen als im heimischen Stuttgart. Noch verblieben wir eine Weile bis die meisten den Gästeblock verlassen haben, was nützte es, wenn wir sofort nach draußen drängten und dabei 30 Mal stecken bleiben. Ich holte noch die Batterien ab, die ich beim Ordner abgeben musste, die letzten Freunde und Bekannten, die unserer Fahrgemeinschaft nicht angehörten, wurden verabschiedet \” “Kommet gut hoim!”.

Zurück im Parkhaus schnell noch was gevespert, dann ging es auch schon direkt los. Wieder verbrachte ich die meiste Zeit wieder mit dem, was ich neben Stadion-Fußball, Webseitengestaltung und Fotografie auch ganz gut kann: Schlafen. Der Rückweg zog sich recht lang, aber das kann auch an den Schmerzen im Bein gelegen haben, die mit zunehmender Fahrtdauer schlimmer wurden und man sich ja während der Fahrt nicht mal einfach so die Beine vertreten kann.

Viel habe ich auch hier erneut nicht mitbekommen, nur die Unfallstelle, bei der wir an einem ausgebrannten Auto vorbeifuhren und den VfB-Bus, den wir überholten. Als wir nach Stuttgart reingefahren sind, trafen wir Jens, Daniel, Christoph, Franz und Sammy \” sie fuhren neben uns mit lauter Musik. Einen Plausch durch geöffnete Fensterscheiben ließen wir uns auch nicht nehmen, bevor sich die Wege wieder trennten und wir nach Hause gefahren wurden, nach Cannstatt.

Bevor ich mich ins Nest gehauen hab, zog ich noch schnell die Bilder rüber, erstellte eine Auswahl und hatte somit schonmal die Basis-Vorarbeit fürs schnelle Bearbeiten und Hochladen der Bilder für vfb-bilder.de. Dann siegte aber doch die Müdigkeit, und so legte ich mich dann auch mal schlafen. Kurz nach um 3 Uhr in der Nacht. Grinsend. Siege sind ja immer was Tolles. Doch gegen Baden nochmal ein bisschen toller.

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