Es wäre so typisch gewesen. Als Nico Karger in der 93. Minute mit dem Kopf den Ball in die Maschen drosch, rutschte mir zeitgleich das Herz in die Hose. Eine gefühlte Ewigkeit hatte es gedauert, bis ich entdeckte, dass der Linienrichter die Fahne oben hatte. Es wäre das 2:2 gewesen, das uns wenige Sekunden vor Schluss erspart geblieben ist und damit den Schlusspunkt setzte hinter eine zum Ende hin enorm nervenaufreibende Partie. Da hätte es die Aussage, es sei keinesfalls Abseits gewesen, nicht einmal dazu gebraucht.

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Zum Schönheitspreis taugt das Spiel nicht unbedingt, wenngleich das nach 18 Minuten schon ein wenig so aussah. Vielmehr müssen wir uns die Frage stellen, warum man sich selbst immer so das Leben schwer macht. Warum schafft man es manchmal einfach nicht, trotz bester Gelegenheiten den Sack zuzumachen? Warum bringt man sich unnötig selbst in die Situation, dass das Spiel wieder offen werden lässt? Am Freitagabend hatten wir ein bisschen Glück gehabt, wohlwissend, dass nicht viel fehlte, um dies überzustrapazieren.

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Zwei Tage danach sitze ich nun vor meinem Rechner, lehne mich entspannt zurück, nehme einen Schluck Kaffee und freue mich über ein unheimlich tolles Wochenende, das nun schon fast hinter mir liegt. Was mit dem Heimsieg begonnen hatte, fand in einem tollen Tag auf dem Trainingsplatz seine Fortsetzung und in einem entspannten Fernsehabend seinen krönenden Abschluss. Hängen bleiben wird aber auch Hannes Wolfs letzte Auswechslung acht Minuten vor Schluss. Der Retter ist wieder da.

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Schwieriges Umfeld?

Ich war durchaus überrascht. Über 50.000 verkaufte Tickets, mit über 54.000 Zuschauern rechnete man an einem Freitagabend um 18:30 Uhr. Nach der Schmach von Dresden kann sich das wahrhaft sehen lassen, hinzu kommt natürlich auch die für die meisten Berufstätigen mehr als ungünstige Uhrzeit. Steuert der VfB hier auf einen rekordverdächtigen Zuschauerschnitt in Liga 2 hin? Ich will die Motive der Einzelnen nicht in Frage stellen, sondern genieße es, solange es geht. Und dennoch: es gab Zeiten, da hatten wir nicht einmal in der ersten Liga solche Zuschauerzahlen.

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Diese seltsamen, gemischten Gefühle. Irgendwo zwischen dem Wunsch nach Wiedergutmachung (sofern das überhaupt möglich war) und dem eigenartigen Bauchgefühl, ein weiteres Mal den gern gesehenen Aufbaugegner zu geben, schlich ich mich in den frühen Morgenstunden ins Büro, nicht mit mehr beladen als meiner Kamera und einer Tasche mit Trikot, meinem Mittagessen und meinem Bauchtäschle. Stets mit dem Gedanken beim Spiel am Abend, versuchte ich mich so gut es ging abzulenken. Es gelang mir nicht.

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Schon in der S-Bahn Richtung Stadion traf ich meine ehemalige Kollegin Nadine, die mit ihrem Sohn Jan Luca unterwegs war und das gleiche Ziel hatte wie ich. Sei dieses Treffen auch unerwartet gewesen, so verabredeten wir uns sogleich für den Tag darauf beim Mannschaftstraining, am liebsten mit bester Stimmung. Doch dafür musste sich der VfB erst einmal gegen zuletzt weitgehend zahnlose Löwen erfolgreich zur Wehr setzen. Meine Befürchtung war nur, dass Dresden noch größere Spuren hinterlassen hat, als uns allen lieb sein konnte.

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Gute Seiten, schlechte Seiten

Mit der Cola in der linken Hand, dem Fleischkäsbrötchen in der rechten Hand und mit der Dauerkarte zwischen die Lippen gepresst betrat ich den Block, ließ mir noch ein Cannstatter Blättle zwischen zwei ausgestreckte Finger klemmen und lief hinunter zu meinem Platz, der noch völlig verwaist war. Die meisten meiner Freunde und Bekannten waren noch nicht da, wen wundert es aber, ich war sehr früh dran. Warum eigentlich? Hätte ich da nicht eine Bahn später nehmen können? Vermutlich hätte sich dann das Ausmaß von Murphys Gesetz gezeigt, die Bahn wäre ausgefallen oder sonst irgendwas.

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Das Gute an Freitagsspielen: man hat noch das ganze Wochenende vor sich und kann es mit schönen Dingen füllen. Das Schlechte: wenn der VfB verliert, droht einem ein Wochenende der Übellaunigkeit, zumindest in meinem Fall. Bis zu diesem Punkt war ich noch vorsichtig hoffnungsvoll, mit einem Heimsieg die Scharte ein Stück weit wieder auszuwetzen, die die Partie letzte Woche hinterlassen hatte. Das änderte sich, als die Mannschaftsaufstellung die Runde machte, die für Toni Sunjic einen Platz in der Startelf vorgesehen hatte. Mir schwante Böses. Oder vielmehr: uns allen.

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Benjamin Pavard würde also nicht spielen. In Gedanken war ich bei meinen neuen Freunden aus Frankreich: einige Tage zuvor schrieb mich auf Englisch ein französischer Familienvater aus der Nähe von Lille an, der mit seiner Tochter (großer Fan unseres neuen Abwehrspielers) Tickets für das Spiel hatte und Tipps haben wollten, wie sie dort am besten hinkommen. Jetzt hatten sie extra die gut 700 Kilometer auf sich genommen – und jetzt spielt das große Idol noch nicht einmal?! Vielleicht war dies dann aber gar nicht so schlecht, wie sich am Tag darauf noch zeigen sollte.

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Tore mit Ansage – oder etwa nicht?

Die Cola war leer und die Krümel meines LKW auf meinem Pulli verteilt, da konnte es losgehen. Dicht drängten sich die Massen, hin und wieder passiert das eben, aber besonders ungewöhnlich angesichts der gewöhnungsbedürftigen Anstoßzeit. Irgendetwas muss der VfB dann doch an sich haben, um selbst zu unchristlichen Zeiten die Menschen ins Stadion zu locken. Ist es eine neu gewachsene Aufbruchsstimmung? Oder sind es, schwäbisch-logisch, die günstigeren Ticketpreise? Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen.

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Zwölf einhalb Jahre ist es her, dass es in der Liga das letzte Aufeinandertreffen beider Clubs gab. Es wurde mal wieder Zeit, das dachten sich auch die gut 8.000 Gästefans, die sich auf den Weg gemacht hatten. Vor 55.100 Zuschauern betraten die Protagonisten schließlich das Spielfeld, mit skeptischem Blick beäugt, insbesondere von jenen, die sich auf den Weg nach Dresden gemacht hatten, doch nicht ohne Hoffnung, ein Spiel wie gegen Fürth würde sich wiederholen.

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Simon Terodde war zurück. “Endlich” sagen die einen, andere wiederum stellten in diesem Moment die Frage nach der Effektivität des von Bochum gekommenen einstigen Torschützenkönigs. Ihn hatte ich genau im Blick, denn mein Kumpel Sascha, der vor dem Spiel gegen Fürth voller Überzeugung ankündigte, Carlos Mané würde zwei Tore schießen, sagte: “Terodde, Mané und vielleicht noch Ginczek” – mal sehen, ob er ein weiteres Mal recht haben würde.

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Auftakt nach Maß

Gegen diese Löwen muss doch etwas gehen. Noch war ich einigermaßen gelassen, fast so, als ob ich es geahnt hätte, wie viele Nerven mich diese Partie hinten raus noch kosten würde. Wie schon gegen Fürth war ich in den ersten Minuten weitgehend mit der Kurve beschäftigt und haderte mehr mit den großen Jungs direkt neben mir, die mich bei der „Arbeit“ behinderten, als aufs Spielfeld zu schauen. Amüsanterweise war das im letzten Heimspiel ganz genauso abgelaufen, bis das Raunen schnell lauter wurde und in einem kolossalen Aufschrei seinen Höhepunkt fand.

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Vor der Untertürkheimer Kurve passierte es nach nur sechs Spielminuten, ein verlängerter Kopfball, ein paar Pässe, die ich in der Deutlichkeit durch meinen flachen Standpunkt in der Kurve so gar nicht richtig wahrnehmen konnte und schon war der Ball drin: durch die Hosenträger des beinahe schon bemitleidenswerten Keepers hindurch feierten wir Berkay Özcan als ersten Torschützen der Partie, frohen Mutes, noch mehr zu sehen. Und wir wurden erhört.

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Trotz aller Bemühungen bleibt die Stimmung in der Cannstatter Kurve meist nur auf einem durchschnittlichen Level, wobei viel mehr gehen könnte, wenn man es schaffen würde, die Außenblöcke mitzureißen – leider sind sie voll von Gelegenheitsstadionbesuchern und jenen, die nur zum Bier trinken und wegen der günstigeren Karten in der Kurve stehen, mit Stimmung haben diese relativ wenig am Hut. Bedauerlich, aber ein Umstand, an dem sich so schnell vermutlich nichts ändern lässt.

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Nur nicht zu früh freuen

„Ouuuuuuuuuuuuuh!“ Es war nur das Außennetz, doch im Augenwinkel sah ich, wie vereinzelte von ihren Plätzen aufsprangen oder zumindest ganz kurz die Arme in die Luft gerissen haben. Takuma Asano wurde an diesem Abend leider kein Torschütze, dafür aber… äh… ja, wer genau eigentlich? War es Simon Terodde oder doch Timo Baumgartl, der jubelnd abgedreht war? Völlig wurscht. Wenige Minuten nach dem Beinahe-Tor fiel es dann doch, Gestocher im Strafraum, beide gehen mit dem Fuß hin.

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Sascha, gute zwei Meter weiter unten im Block, hing kopfüber über dem Geländer, schrie seine Freude heraus und drehte sich zu mir um, mit einem Blick der mir sagen sollte „Ich glaub, das war Terodde“. Dass es ihm im Nachgang tatsächlich angerechnet werden würde, ist auch einer dieser Treppenwitze der Geschichte. Als ich Simon Terodde am nächsten Tag persönlich fragte, wer das Tor gemacht habe, beanspruchte er es für sich. Angeblich hat Timo Baumgartl freiwillig darauf verzichtet, es solle uns recht sein, wenn Simon Terodde auch in dieser Saison zum Torschützenkönig wird.

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Was kam eigentlich von den Sechzigern? Nicht viel, um es mal höflich auszudrücken. Nur ein paar wenige Male kamen die Spieler in unsere Hälfte hinein, der VfB hatte wirklich alles im Griff. Bestens, dachte ich mir, jetzt noch ein paar Tore, um die Tordifferenz ein bisschen wieder auszugleichen und ich könnte ganz entspannt und beruhigt ins Wochenende starten. Aber wir kennen unsere Pappenheimer. Man sollte sich nie zu früh freuen.

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Die ominöse halbe Stunde

Wie furchtbar ironisch es doch ist. Vor einer Woche hatte der VfB in Dresden eine halbe Stunde lang eigentlich alles im Griff, hatte sogar das tausendprozentige 1:0 auf dem Fuß und kassierte in den darauffolgenden sechs Minuten ganze drei Tore, von denen er sich nicht mehr erholen konnte. Hier führte man nun mit 2:0. Bis zur 36. Minute. Ein Freistoß für die Gäste vor der Cannstatter Kurve. Tor. Aus heiterem Himmel. Nichts, aber auch wirklich gar nichts hatten sie dem VfB bis zu diesem Moment entgegen zu setzen und nun ließ man sie wieder herankommen und baute sie auf.

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Ein direkter Freistoß, ins Torwarteck, zuerst durch die Mauser und dann Mitch Langerak durch die Finger geflutscht. Levent Aycicek schürte die Hoffnung von 8.000 mitgereisten Münchnern, die derzeit keine einfache Zeit durchleben müssen. Noch führten wir, aber wer konnte uns das garantieren, dass es so bleiben würde? Im Gegenteil, eine knappe Führung hat uns schon oft nicht zum Sieg gereicht. Ich wurde unruhig, wie auch große Teile des Stadions, die nun schlagartig ein wenig nervös wurden. Und wie sich noch zeigen sollte, nicht ohne Grund.

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Wäre Christian Gentners noch abgefälschter Schuss noch ins Münchner Tor getrudelt, wer weiß, ob sich die Löwen davon noch hätten erholen können, doch blieb es bei dem undankbaren und beklemmenden Gefühl, dass es am Ende furchtbar schief gehen könnte. Ungemütliches Raunen machte sich breit, als die Mannschaften in die Kabine liefen und uns eine Viertelstunde Verschnaufzeit einräumten. Ein ganz mieses Gefühl machte sich breit, weniger wegen des knappen Ergebnisses, vielmehr durch die Tatsache, schon jetzt vier gelb verwarnte Spieler auf dem Feld stehen zu haben.

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Kurz vorm Platzverweis

Ob wir diese Partie vollständig zu Ende spielen können, wagte ich schon jetzt zu bezweifeln. Mit Kevin Großkreutz, Christian Gentner, Carlos Mané und Matthias Zimmermann hatten wir schon zu viele auf dem Feld, die potenziell zum Schutz runtergenommen werden könnten oder gar sollten, allen voran der etwas hitzköpfige Kevin. Damit rückte das Comeback von Daniel Ginczek in weite Ferne, wie könnte man ihn bringen, wenn alles so knapp ist und wenn man eher die vorbelastete Abwehr austauschen muss als einfach nur für das gute Gefühl?

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Irgendwie hatte ich das alles schon befürchtet. Hannes Wolf mache ich keinen Vorwurf, er wird wohl nach den richtigen Worten gegriffen haben, als er sein Team in der Kabine noch einmal um sich scharrte, das Problem ist der Schlendrian und die nachlassende Leistungskraft, wenn es beim VfB mal vermeintlich gut läuft, die schnelle Zufriedenheit hat uns schon viele Punkte gekostet. Man sollte meinen, dass sie es mittlerweile besser wissen, doch das tun sie einfach nicht.

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So blieb es beim knappen 2:1 und man fand einfach kein spielerisches Mittel, den alten Toreabstand wiederherzustellen und etwas zu erreichen, was sich wirklich im Rahmen einer Wiedergutmachung bewegt. Und schon wieder sind wir beim selben Thema angelangt: die Chancenverwertung. Hätte der VfB nur die Hälfte aller Hochkaräter verwandelt, wir wären nie abgestiegen, hätten in Dresden gepunktet und hätten das Spiel gegen die Sechziger vielleicht mit 3:1 oder 4:1 deutlich und verdient gewonnen. Doch grau ist bekanntlich alle Theorie.

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Welch elendiger Grashalm

Für Aufsehen sorgte nach Wiederanpfiff nicht der VfB, sondern der Gästeblock mit einer Pyro-Aktion, unverständlicherweise landeten auch Bengalos auf dem Rasen und wurden in Richtung der Nachbarblöcke gefeuert. Mehr als Verachtung habe ich dafür nicht übrig und so schaute ich wieder nach dem VfB. Vielleicht war es ganz gut so, dass ich das Elend nicht mit eigenen Augen sah, es offenbarte sich mir erst, als ich mir später die Highlights ansah. Bei Toren vor der Cannstatter Kurve kann ich mich in den meisten Fällen nur auf mein Gehör verlassen, es sei denn, der Ball schlägt weiter oben ein und die Leute neben mir sind nicht bereits auf die Mauer vor ihnen geklettert.

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Lauscher auf, doch ich bekam nur ein „Neiiiiiiiiiiiinnnnnnn!“ Ein einziger Grashalm muss es gewesen sein, der etwas einzuwenden hatte. So etwas kann man nur beschreiben und verstehen, wenn man es selbst mit seinen eigenen Augen gesehen hat. Simon Terodde von der einen Seite, parallel zur Torlinie, Carlos Mané von der anderen Seite, parallel zur Torlinie, direkt in die Arme des Torhüter. Das. Gibt. Es. Nicht. Das muss doch das 3:1 sein, schienen sich alle im Stadion zu fragen, in einem kollektiven Aufschrei der Entrüstung, der Verzweiflung, des Entsetzens.

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So etwas rächt sich meist, das wissen wir ja. Und so wartete ich. Auf das erlösende eine Tor. Auf den Ausgleich. Auf den Abpfiff. Das Problem war nur: bis dahin waren es noch gut 20 Minuten. Eine lange Zeit, wenn man bedenkt, dass uns in Dresden nur sechs für drei Gegentore ausreichten, oder im positiven Sinne, dass wir gegen Fürth nach vier Minuten zwei Tore gemacht hatten. Das Zittern ging also weiter und dauerte länger, als uns lieb war.

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Er ist wieder da!

Dass sich die Münchner am Ende der Partie lautstark über das nicht gegebene Tor in der Nachspielzeit aufregen würden, war uns bewusst, doch im Gegenzug erwähnte nicht einer der Sechziger, dass es in der 72. Minute einen Handelfmeter für uns hätte geben müssen. Das wäre das dritte dringend benötigte Tor gewesen. Doch wer sollte es denn machen? Einige Spieler machten sich längst vor der Untertürkheimer Kurve warm, die kleinliche Auslegung von Schiedsrichter Arne Aarnink ließ mich eher glauben, man nimmt einen der immernoch vier gelb verwarnten Spieler vom Platz.

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Später sagte er, er habe die Tränen in den Augen gehabt. Verdenken kann ich es ihm nicht, im Gegenteil, das sind diese besonderen Geschichten, die der Fußball schreibt. Zehn Minuten vor dem Ende der Partie nahm Co-Trainer Miguel Moreira ein Trikot in die Hand und zeigte damit in Richtung der Untertürkheimer Kurve. Sehen konnte ich es nicht, welche Nummer darauf stand, ich rechnete mit Benjamin Pavard oder Jean Zimmer, nachdem ja die halbe Mannschaft bereits gelb verwarnt auf dem Platz stand.

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Die Untertürkheimer Kurve erhob sich. Die Haupttribüne erhob sich. Die Gegentribüne erhob sich. Es wurde laut, sehr laut. Das konnte nur eines bedeuten: die Rückkehr von Daniel Ginczek. Sei sie auch noch so unerwartet, angesichts der spontanen Kadernominierung als auch angesichts des mehr als knappen Spielstands, so riskierte Hannes Wolf es dennoch. Stehende Ovationen für den Mann, der seit einem Jahr nicht mehr auf dem Platz stand und dessen sehnlichst erwartete Rückkehr nun bevor stand. Dafür lieben wir den Fußball. Für Emotionen wie diese und die Momente, in denen wir sie alle teilen können.

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Fokus auf Karlsruhe

Tick. Tack. Tick. Tack. Pfeif endlich ab! Drei Minuten Nachspielzeit, eine elend lange Zeit, in denen uns mit dem nicht gegebenen Treffer noch einmal mehr das Herz in die Hose rutschen sollte. Wirklich gewundert hätte es wohl die wenigsten, denn wer beste Chancen nicht zu verwerten weiß, der erfährt für gewöhnlich auf schmerzhafteste Art und Weise vom Gegner, wie man es hätte besser machen können. Heute blieb es uns erspart, nicht viel hatte gefehlt, um das Spiel gänzlich noch aus der Hand zu geben. Das alleine sollte Hannes Wolf Anreiz genug sein, die Köpfe gehörig zu waschen, als hätte die Mannschaft verloren.

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Nie wieder Schlendrian. Leichter gesagt, als getan. Die meisten Reaktionen sahen gleich aus. „Puuuuuh“ gehörte wohl zur häufigsten Äußerung, ergänzt von jenem gestenhaften Handwedeln unterhalb des Kinns. Das war verdammt knapp, uns allen dürfte das bewusst sein. So fiel auch das Feiern mit der Mannschaft entsprechend besonnen und kurz aus, vielleicht haben sie auch einfach nur nicht die Pfiffe von vergangener Woche vergessen. Ungeachtet der Tatsache, dass wir nun noch am Dienstag ein Pokalspiel in Gladbach haben, so ist der Fokus doch schon voll und ganz auf das Derby am nächsten Sonntag gerichtet. Spannend, ohne jede Frage, und mit Sicherheit auch alles andere als ein gewöhnliches Auswärtsspiel.

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Fürs erste durften wir mit einem Lächeln im Gesicht die Heimreise antreten. Über ein Viertel der Saison ist nun vorüber und wir haben ein ums andere Mal schmerzhaft verstehen müssen, dass die Favoritenrolle nicht nur Gutes mit sich bringt, sondern oft auch eine Bürde ist. Selbst für mich wird es noch schwere Zeiten geben in dieser Saison, in denen ich akzeptieren muss, dass man nicht jedes Spiel gewinnen kann und dass es Tage gibt wie vergangene Woche in Dresden.

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Von alten Wegen und neuen Freunden

Bis weit nach Mitternacht saß ich noch am Rechner, bereitete die Bilder für die Veröffentlichung vor, schaute noch in den sozialen Netzwerken vorbei und versuchte, zur Ruhe zu kommen. Was sich einfach anhört, ist in Wahrheit aber Schwerstarbeit gewesen. Wie sollte es mir denn nach diesem Spiel gelingen, meinen Puls herunterzufahren, wenn ich nur daran dachte, wie knapp das Ergebnis am Ende doch war, zumal ich erst draußen vor dem Block von meinem Chef erfuhr, es sei kein Abseits gewesen?

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Gegen zwei Uhr nachts war dann auch mein Tag endlich beendet und am nächsten Morgen sollte es mich ein weiteres Mal Richtung Stadion ziehen. Felix war schaffen, während ich mit der Kamera bewaffnet und mit einem Kaffee in der Hand zum Stadion lief. Unzählige Male bin ich diese Strecke bereits gelaufen, doch niemals alleine. Die von den Bäumen gefallenen Blätter unter meinen Füßen raschelten, bis ich am Trainingsgelände neben dem Stadion ankam.

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Lange musste ich nicht auf sie warten, auf meine Verabredung mit Stéphane und seiner Tochter Maxyne aus der Nähe von Lille, die sich am frühen Morgen zuvor auf den Weg nach Stuttgart machten. Sicherlich wird da auch Benjamin Pavard eine große Rolle gespielt haben, der mir inmitten einer französisch sprechenden Kleingruppe mit einem Augenzwinkern sagte „Ik sprecke Deitsch, ein bisschen“. Ein toller Nachmittag, ein tolles Wochenende. Es sollte immer so sein. Wohlwissend, dass es das niemals sein wird. Aber hoffen darf man ja.

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