Ich hatte meine ganz eigene Vorstellung davon, wie das alles laufen würde. Der VfB würde in der Offensive einfach nicht zu Potte kommen und am Ende besorgt Alexandru Maxim, der nach Mainz abgewanderte Liebling der Fans, den Rest: ein wunderschöner, ins Eck gezwirbelter Freistoß kurz vor dem Ende. Ich sah es fast so deutlich, wie ich den Freistoß in Hannover schon im Tor gesehen hatte, der uns direkt zum Aufsteiger gemacht hätte. Wir blieben verschont von jener grausamen Vorstellung und unter der drückenden Hitze Stuttgarts musste ich feststellen, dass das, was ich vor Cottbus und Berlin noch vermisst hatte, langsam zurückkehrt. Bock auf Fußball.

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Was wäre der Fußball nur ohne die kleinen und großen Traditionen? Es hat Tradition, dass langjährige VfB-Spieler nach einem Wechsel zu einem anderen Verein besonders gerne gegen uns treffen. Und es hat Tradition, dass die Stuttgarter Fanszene ihr erstes Heimspiel standesgemäß mit der Karawane Cannstatt beginnt. Jahr für Jahr ein tolles Gefühl, diese weiß-rote Menschenmenge zu begleiten und die Vorfreude zu spüren, die mir in den ersten beiden Pflichtspielen bislang noch verborgen geblieben war. „Alle in weiß“ ist das fortwährende Motto des Fanmarschs, der sich jeden August vom Cannstatter Bahnhof zum Stadion bewegt.

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Seit gut acht Jahren begleite ich nun die Karawane als Fotografin, immer wieder gern, aber in den letzten Jahren wurde es zunehmend schwieriger. Menschenmassen, die mit Smartphones am Straßenrand stehen, statt in der Gruppe mitzulaufen und somit ein Teil davon zu sein. Dass bei der Produktion nutzlosen Bild- und Videomaterials minderer Qualität nicht nur teilweise der reibungslose Verlauf der Karawane gestört wird sondern vor allem auch die Arbeit der Fanfotografen behindert wird, ist vielen Fans und Schaulustigen allerdings leider nicht bewusst. Von diesem heißen Tag wird mit Sicherheit nicht nur ein unglaublicher Torschütze hängen bleiben, sondern auch die Frage, wohin sich die Fankultur entwickelt.

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Von Neuem und Altem

Endlich wieder Samstag, 15:30 Uhr. Was hatten wir uns nicht darauf gefreut, wieder zu normalen Zeiten zum Fußball gehen zu dürfen, die Masse an Montags- und Freitagsspielen war in der vergangenen Saison nicht einfach zu organisieren. An den Abläufen hat sich jedoch wenig geändert. Das Laden von Batterien und Akkus, das Bereitstellen diverser Speicherkarten, das Waschen der weißten Heimtrikots und das Packen der jeweiligen Kamerataschen mit allem, was ich brauche, oder meine zu brauchen, vom Mikrofasertuch über die Schmerztablette bis hin zur Sonnencreme. Alles davon habe ich beim Fußball bereits bitter nötig gehabt.

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Wenn ich mich zurückerinnere an das letzte Jahr, zum Zweitligaauftakt gegen St. Pauli am Montagabend, starteten wir auch da mit der Karawane am Cannstatter Bahnhof. Zu einem Freund hatte ich gesagt, ich hätte noch gar nicht so recht Lust auf die zweite Liga, woraufhin er entgegnete, dass wir es nehmen müssen, wie es kommt und das beste daraus machen müssen. Und so sprach er davon, dass bei Spielen wie in Sandhausen das Wellblechdach wegfliegen muss, so leidenschaftlich sollte die Stuttgarter Fanszene der zweiten Liga begegnen – ein Jahr später darf man getrost resümieren, dass uns das auf beeindruckende Art und Weise gelungen ist und wir erneut vor einer großen Herausforderung stehen.

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Ein weiteres Mal geht es um nichts anderes als den Klassenerhalt. Ein weiteres Mal geht es gegen die gleichen Gegner. Ein weiteres Mal geht es in die gleichen Städte und Stadien. Wer hier zwischen den Zeilen ein gewisses Maß an Bundesligaverdrossenheit herauszulesen vermag, hat vielleicht gar nicht so Unrecht. Das Bedrückendste an all dem ist, wie niedrig wir unsere Ansprüche schrauben müssen, wobei mir natürlich bewusst ist, dass alles andere nach einem Jahr Bundesligaabstinenz naiv wäre. Auf der anderen Seite erinnere ich mich gern zurück, an die internationalen Spiele im Europapokal, die tollen Touren und beeindruckenden Erlebnisse. Hart arbeiten und bescheiden bleiben, lautet das Motto. Aber ganz aus dem Kopf bekommt man es wohl nie.

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Bollahitz in Bad Cannstatt

Alles war vorbereitet, alle Taschen gepackt, alle Verantwortlichkeiten geklärt. Einer von unseren Fotografen steht immer oben auf der Brücke, lange bevor sich die Karawane am Cannstatter Bahnhof überhaupt erst in Bewegung setzt, in diesem Jahr war diese Ehre erneut Felix vorbehalten, während ich beim Derbymarsch die Stellung hielt. Kaum etwas ist Beeindruckender als dieser pompöse Anblick der Massen, der sich von der Schleyerbrücke soweit das Auge reicht bis zum Ende der Mercedesstraße erstreckt. Bepackt mit dringend notwendigen anderthalb Litern Wasser setzte ich mich zusammen mit der Karawane in Bewegung.

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„Zehn Grad weniger hätten es auch getan“ meinte ein Freund zu mir, der als Ordner für einen reibungslosen Ablauf sorgte. Ich nickte, stimmte ihm wohlwollend zu und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Man könnte meinen, Petrus macht den ersten Heimspieltag extra für uns gefühlt nochmal doppelt so heiß wie üblich. Die Sonnencreme hatte ich dabei, aber an mehr als eine Lage hatte ich nicht mehr gedacht, das Ergebnis starrte mich später krebsrot im Spiegel über dem Waschbecken an.

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Wohin man auch schaute, überall waren die Smartphones. Jeder machte Bilder, andere sogar ganze minutenlange Videos. Dass dies nicht erwünscht war, konnten viele nicht verstehen. Zum einen die fragwürdige Qualität, zum anderen das Behindern der Fanfotografen durch das „Ins Bild laufen“ und „Im Weg rumstehen“ bei der Rückwärtsbewegung (ich laufe meist rückwärts), und auch die zu schützende Privatsphäre der Ultras spielt hier eine gewichtige Rolle. Zwar lässt sich das bei einer solchen Massenveranstaltung nur schwer kontrollieren, doch wer lässt sich da schon gerne aus kürzester Entfernung die Kamera oder das Smartphone ins Gesicht halten? Für hochwertiges Bild- und Videomaterial gibt es nicht grundlos die zahlreichen Fanfotografen.

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Vom Sinn und Unsinn von Smartphones

Jahr für Jahr werden es mehr, die sich lieber mit ihren Smartphones am Straßenrand und auf der Brücke postieren und auf der Suche nach ein paar Likes bei Instagram und Co. nicht selbst bei der Karawane mitlaufen. Auch aus diesem Grunde endete die Karawane unerwartet bereits lange vor der Schleyerbrücke, sehr zum Verdruss von Felix, der zu diesem Zeitpunkt schon gut zwei Stunden in praller Hitze gewartet hatte. Mit einem dichten roten Nebel war der Marsch beendet und wir konnten vom ersten Tagesordnungspunkt zum eigentlichen Ereignis übergehen, dem ersten Bundesligaheimspiel für Hannes Wolf, für Simon Terodde und einige andere auch.

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Vergessen wir das, was in Berlin passiert ist, hier und heute sollten drei Punkte geholt werden. Das sage ich durchaus ängstlich mit Blick auf den Spielplan, denn in vier Wochen empfängt der VfB den FC Augsburg und lässt wieder sämtliche Alarmglocken schrillen. Gegen Mainz nicht zu gewinnen wäre schon bitter, denn auf Schalke darf man sich nicht zu viel ausrechnen. Gefolgt von Spielen gegen Wolfsburg und Gladbach könnte der FCA sonst auch in diesem Jahr zum ultimativen Schleudersitz für einen VfB-Trainer werden. Ich habe aufgehört, zu zählen, wieviele Trainer nach Partien gegen Augsburg gegangen sind – oder gegangen wurden.

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Auch gegen Mainz habe ich keine allzu guten Erinnerungen. Lediglich vor gut zwei Jahren avancierte das Heimspiel gegen die Rheinhessen zu einer dreiteiligen epischen Schlacht um den Klassenerhalt, als man fast aussichtslos drei Spiele in Folge gewinnen musste und Mainz noch vor Hamburg und Paderborn das erste „Opfer“ war. Niemals wieder, sagte ich damals, wollte ich noch einmal einen solchen Abstiegskampf miterleben, der uns bis zum Schluss an den Nerven zehrt. Da lachte der Fußballgott und sprach „Moment, halt mal mein Bier!“

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Wiedersehen macht nicht nur Freude

Ein Lächeln huschte über meine Lippen, kurz bevor ich die Treppe hinabstieg zu meinem Platz in einer der ersten Reihen unten im Block 33. Leise murmelte ich „Willkommen zu Hause“, ließ meinen Blick über die sich füllenden Reihen schweifen und stelle erneut fest, wie beeindruckend es sein kann, wenn ein Großteil der VfB-Fans dem Aufruf nach „Alle in weiß“ gefolgt ist. Auch auf das Wiedersehen mit langjährigen Freunden und Bekannten hatte ich mich gefreut, endlich waren wir wieder hier, im Neckarstadion, in der ersten Bundesliga, bei unseren Weggefährten, deren Herz für den gleichen Verein schlägt.

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Lediglich knapp 1.000 Mainzer hatten sich auf den Weg gemacht, ungeachtet der überschaubaren 200 Kilometer. Ein Clinch zwischen Fans und Vereinsführung hinderte die restlichen paar tausend daran, ebenfalls dabei zu sein. Eine fast schon logische Konsequenz: kein ausverkauftes Haus. Zum ersten Heimspiel. Nach dem Aufstieg. Für Stuttgarter Verhältnisse ein bedauerlicher Zustand, da waren wir ja sogar zu Zweitligazeiten besser gewesen. Auf der Gegentribüne hätte ich an diesem heißen Tag nicht sitzen wollen, denn hinter dem neu sanierten Stadiondach knallte den vorderen Reihen im Unterrang die erbarmungslose Sonne ins Gesicht. Trotz Schatten war es in der Kurve aber auch nicht wirklich kühler gewesen. Es nutzte alles nichts.

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Viele Fragen, die man sich im Vorfeld dieser Partie gestellt hatte, drehten sich um die Personalie Alexandru Maxim. Würde es eine offizielle Verabschiedung vor der Partie geben? Würde er im Spiel zeigen, was viele Abgewanderte bereits vor ihm gezeigt haben, nämlich das magische Aufblühen beim neuen Club? Würde er ausgepfiffen werden, da man nicht verstehen konnte, zu einem durchschnittlichen Ligakonkurrenten zu wechseln? Am Ende des Tages konnten alle drei Fragen mit „Nein“ beantwortet werden, ein Geschmäckle bleibt dennoch. Er hätte hier glücklich werden können – wenn er es nur selbst gewollt hätte.

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Alles auf Anfang

Schon bald rollte der Ball und offenbarte uns ein zunächst taktisch geprägtes Spiel, wie man so schön sagt, wenn nicht viel passiert. Holger Badstuber gab sein Startelfdebüt vor neuer, heimischer Kulisse, nachdem es mit der Abwehr in Berlin noch nicht so ganz klappen wollte, und auch Dennis Aogo spielte von Beginn an. Dass beide alten Herren eine gewichtige Rolle spielen sollten, ahnten die beiden nicht, und viel weniger das skeptische Publikum. Die Hitze und in vielen Fällen das Bier hatten einigen Zuschauern zugesetzt, erst mit dem Kopfball von Stefan Bell nach einem Freistoß von Alexandru Maxim wachten viele erst so richtig wieder auf. Ein Glück, dass Ron-Robert Zieler zur Stelle war.

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Eines musste man ihnen lassen, der VfB wusste bisher zu gefallen, auch wenn ihm nach vorne noch die nötige Durchschlagskraft fehlte. Die Krux mit der Chancenverwertung wird uns vermutlich verfolgen bis ans Ende aller Tage. Wieviele Möglichkeiten wir alleine in dieser Partie haben liegen lassen ist ärgerlich, auch wenn es am Ende schon noch zum Sieg gereicht hatte. Auf meinem Rücken trug ich einen Turnbeutel mit der Aufschrift „Hätte, hätte, Fahrradkette“ – Alexandru Maxim hätte ja in der Nachspielzeit auch den Siegtreffer für die Mainzer machen können. Genauso wie Simon Terodde, der nach Chadrac Akolos tollem Sololauf den Ball nicht genau genug vor die Füße gespielt bekommen hatte. Manchmal entscheiden dann doch wenige Zentimeter.

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Von der merkwürdig gedämpften Stimmung im Berliner Gästeblock war kaum noch etwas zu spüren, die Kurve war aufgewacht und gab sich redlich Mühe, die Mannschaft nach vorne zu schreien, auch wenn hier natürlich noch Luft nach oben ist, ein Thema, das uns alle angeht. Ein Tor kurz vor der Pause, das hätte doch etwas, doch fallen wollte es nicht. Stattdessen ließ der Pausenpfiff noch einen kurzen Applaus für eine bisher ordentliche Leistung zu und ließ schließlich viele um mich herum zu Boden sinken, ein erholsames Päuschen auf den Stufen des Stadions. Wie naiv ich doch war, zu glauben, dass anderthalb Liter vor dem Spiel reichen würden und eine große Capri-Sonne für den Rest. Ich hatte mich geirrt, doch den selben Fehler wie vor sechs Jahren wollte ich nicht machen. Was, wenn ich dadurch vielleicht Simon Teroddes erstes Bundesligator verpasse?

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The Good & The Badstuber

Ich hasse es, Dinge zu verpassen. Ich habe es einst gehasst, nicht zu jedem Heimspiel fahren zu können. Ich habe es gehasst, dass ich nicht dabei war, als Martin Harnik das erste Tor vor der neuen Cannstatter Kurve geschossen hat. Ich habe es gehasst, dass ich das sensationelle 4:4 in Dortmund verpasst hatte, weil ich wenige Wochen zuvor, am Knie operiert wurde. Ich werde mich eines Tages damit arrangieren müssen, dass ich Dinge verpassen werde, nicht zu Spielen fahren kann und mich eines Tages nicht mehr zu den Allesfahrern zählen kann. Doch solange es geht, verpasse ich ungern die Dinge. Bei diesem Spiel rechnete ich fest mit Simon Teroddes erstem Treffer in der höchsten deutschen Spielklasse. Bekommen haben wir eine ganz andere, unerwartete Premiere.

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Der VfB und seine Eckbälle, lange Zeit eine mehr als unglückliche Geschichte. Ein unverwertbares Schüsschen auf Kniehöhe war meist die Quintessenz der Standardsituationen, erst in der Zweitligasaison besserte sich die Statistik ein wenig auf. Zurück in der Bundesliga hat man es jedoch mit ganz anderen Verteidigern und ganz anderen Torhütern zu tun. Dass es René Adler, meinen Leipziger Landsmann, zwischenzeitlich nach Mainz verschlug, ging mir übrigens komplett raus. Das hat man davon, wenn man bei der Aufstellung der Gäste aus Betroffenheit weder hinhören noch hinsehen mag, da man noch nicht soweit ist, den einen Namen bei den Anderen zu entdecken.

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Ein paar Minuten waren im zweiten Durchgang gespielt, der VfB spielte nun auf – wie meine Freundin und Nebensteherin Isabell immer sagt – „das Lieblingstor“ vor der Kurve. Ein neues Gesicht stand da an der Eckfahne, Neuzugang Dennis Aogo sollte die Ecke hineinbringen, in der Hoffnung, die bisherige Torgefahr endlich in ein Tor ummünzen zu können. Ich habe nicht einmal richtig sehen können, wer alles mit nach vorne gegangen war, ich sah auf einmal viele hochgerissene Arme und dann sah ich ihn direkt vor mir, wie er mich mit weit aufgerissenen Augen anschaute, mich anschrie und seinen Emotionen freien Lauf ließ. Es war nicht etwa ein langjähriger Weggefährte, mit dem ich hier in der Kurve schon viel Freud und Leid durchlebt hatte. Nein. Es war ein neues Gesicht. Es war Holger Badstuber.

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Vor den schwummrigen Augen

Für den Eckball hatte ich meine Kamera wie so oft in die Luft gehalten, drückte den Auslöser der Serienbildfunktion und hoffte wie immer das Beste. Doch als sich die Jubeltraube unmittelbar vor mir postierte, versagten meiner Kamera, oder vielmehr meiner Speicherkarte die Nerven. Schon die Bilderreihe, wie der Eckball ins Tor segelte schrieb so viele Bilder auf die 32 GigaByte große Speicherkarte, dass die Kamera beim Torjubel kaum hinterher kam. Für eine einzige halbwegs scharfe Aufnahme reichte es dann doch. Was für ein Knaller. Was für ein Tor. Was für eine Geschichte.

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Was hatte ich den Holger Badstuber nicht immer bemitleidet, wenn ihn eine Verletzung erneut zurückwarf. Ein Tor hatte er bisher erst erzielt, fast acht lange Jahre ist das nun her, in denen er sich immer wieder zurückgekämpft hat und sich damit nicht nur unter den Bayern-Fans Respekt verschaffte. Skeptisch war man aus gutem Grund, als er in Stuttgart vorgestellt wurde, „Wenn er fit bleibt“ wurde zum meistgebrauchten Begriff. Und nun direkt in die Startelf, mitten ins Herz. Man sagt, das sind so die Geschichten, die der Fußball schreibt. Und da stand er und schrie mich an, uns alle. Wen das kalt lässt, hat den Fußball nie wirklich geliebt.

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Die längst schon überfällige Führung war da und trotzdem war noch einige Zeit zu spielen. Nach gut 65 Minuten wurde mir schließlich etwas schwummrig vor den Augen und für einen kurzen Moment dachte ich, dass es mich gleich, wie man in Schwaben so schön sagt, „neibutzt“. Ein kleiner Schluck vom Rest meiner Capri-Sonne musste ausreichen, nach kurzer Zeit ging es dann wieder. Wie man später erfahren konnte, war nach den Vorkommnissen beim Aufstiegsspiel der Caterer Aramark ein weiteres Mal heillos überfordert, es gab weder Wasser noch Cola, nur noch lauwarmes Bier aus zwei einzelnen Zapfhähnen für den gesamten Block. Rausgehen war für mich keine Option, ich wollte nichts vom Spiel verpassen.

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Entscheidung verpasst

Der VfB machte das wirklich ziemlich gut, zugegebenermaßen gegen erschreckend schwache Mainzer, aber er versäumte, den Sack endgültig zuzumachen. Das spürte die Kurve und wurde in den letzten Minuten immer lauter und euphorischer, auch wenn die Außentemperaturen nicht gerade für körperliche Höchstleistungen geschaffen waren. Man sehnte sich nach Erlösung, nach den ersten drei Punkten der neuen Saison. Zum Greifen nah waren diese, als Giulio Donati und René Adler unseren Simon Terodde von den Beinen holten und jeder sofort „Elfmeter!“ schrie. Eine sofortige Entscheidung gab es nicht, bange 30 Sekunden waren vergangen, während über unseren Köpfen auf der Anzeigetafel der Hinweis „Video Assist“ zu sehen war.

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Benjamin Brand zeigte nach gefühlten fünf Minuten schließlich auf den Punkt und ließ uns jubeln, nur mich nicht, denn bekanntlich kann ein Elfmeter auch verschossen werden. Wie das geht, konnten wir sehen: „Klong!“ machte es, als Simon Terodde das Leder ans Aluminium drosch und damit Mainz eine erstklassige Konterchance gestattete. „Pass auf, das wär jetzt soooo typisch!“ seufzte ich zu meiner Nebensteherin Jasmin, die womöglich das Gleiche gedacht hatte. Es wäre schließlich nicht der VfB, wenn er sich nicht hin und wieder zu solcher Slapstick hinreißen lassen würde, nicht wahr?

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Der Supergau blieb des direkten Ausgleichs blieb uns zwar verschont, bewahrte uns aber nicht von dem unangenehmen Gedanken, dass die Partie in ihren letzten Zügen doch noch kippen könnte. Zwei Mal musste Ron-Robert Zieler noch parieren, davon einmal sogar noch in der Nachspielzeit. Einmal tief durchatmen, liebe Freunde. Es war vollbracht, der erste Heimsieg, die ersten drei Punkte. Sei der Start in Berlin noch mehr als unbeholfen und unglücklich gewesen, so kann das erste Heimspiel unter Umständen elementar sein, ist es doch die erste Begegnung zwischen Mannschaft und Fans nach der Sommerpause.

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Bier statt Bilder

Noch einmal mit der Mannschaft feiern, noch einmal gemeinsam hüpfen, noch einmal das Grinsen im Gesicht von Hannes Wolf beobachten, wie er mit seinem Co-Trainer am Mittelkreis steht und sich das wohl schönste Bild der Welt angesehen hatte. Niemand kann voraussagen, wie die nächsten Wochen laufen werden, ob man aus den nächsten schweren Spielen den einen oder anderen Punkt holen kann, auf dass Augsburg nicht wieder zum ultimativen Knackpunkt avanciert. Er wird sich beweisen müssen, genauso wie seine Mannschaft. Auch für uns Fans wird es eine Herausforderung, denn der schwelende Konflikt mit dem DFB wird zunehmend zur Belastung. Doch heute gab es einen ersten Grund zur Freude, nicht nur alleine wegen Holger Badstuber.

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Nassgeschwitzt von oben und unten befand ich mich wahrscheinlich in bester Gesellschaft, es ging wohl allen so. Nicht einmal in Sandhausen hatte mich die Hitze auf eine so harte Probe gestellt wie hier. Der Kreislauf war im Keller, aber für ein paar herzliche Umarmungen (auch wenn nicht unbedingt angenehm war) reichte es dann doch noch. Auf dem Weg zu mehr Gelassenheit zog es mich auch nicht nach Hause, ungeachtet der beträchtlichen Menge an Bildmaterial, die am Abend noch auf mich warten würde, sondern in den Biergarten mit unseren Stamm-Auswärtsfahrern Gerd und Ingrid.

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Ein lauschiges Plätzchen, ein kleines bisschen kühler Wind bei deutlich gesunkenen Temperaturen, dazu ein eiskaltes Bier. Bis in die Nacht hinein würde ich noch Bilder machen müssen, doch bereut hatte ich die Entscheidung für das Bier und gegen die Fotos nicht. Ich war froh, dass ich hier saß, im Kreise meiner Lieblingsmenschen. Die Begegnungen, die der Fußball für mich brachte, sind so viel mehr wert als die Spiele selbst. So sehr ich auch hoffte, Simon Teroddes erstes Bundesligator sehen zu dürfen, es gelang leider nicht. Murphys Gesetz besagt, dass er es in zwei Wochen nach der Länderspielpause in Gelsenkirchen machen wird. Gerade dann, wenn wir nicht dabei sind – eine Entscheidung, die mir so viel schwerer gefallen ist, als die Fotos nach dem ersten Heimspiel für ein paar Stunden ruhen zu lassen. Aber so ist das Leben. Niemand hat gesagt, es wäre leicht.

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