Jadon Sancho in der 3. Minute. Marco Reus in der 23. Minute. Francisco Alcácer in der 25. Minute. Und Maximilian Philipp in der 85. Minute. Mein wenig motiviertes Ich will mir damit an diesem kühlen Montagabend sagen, dass ich es damit auch gut sein lassen könnte. Wer braucht hier einen umfangreichen Spielbericht, der die Bandbreite meiner Emotionen wiedergibt und in einem Archiv aufgenommen wird, bei dem es Freude bereitet, es auch fünf Jahre später noch zu lesen? Warum sollte ich weit ausholen über etwas, das in – verhältnismäßig – wenigen Worten ebenso Platz findet? Ich tue mich schwer, Dinge auf einmal anders zu machen, als ich es all die Jahre gewohnt war. Aber ist es nicht wirklich an der Zeit, den Dingen den Raum zu geben, den sie verdienen? Auch, wenn das nur ein kleiner Raum ist? Ein Selbstversuch in lediglich anderthalb Seiten.

Drei Wochen sind vergangen seit dem Heimsieg gegen Bremen, nachdem doch alles so viel besser werden sollte. Man brauchte dieses Erfolgserlebnis so dringend, dass man überall davon sprach, der Groschen müsse erst einmal fallen, damit alles besser wird. Dass das nicht immer so sein muss, zeigte nicht zuletzt die Abstiegssaison, die auch mit einem Auswärtssieg in Hannover am sechsten Spieltag ihren grausamen Lauf nahm. Hannover, ja. Dort, wo wir nicht hingefahren sind, mangels Mitfahrgelegenheit und vor allem mangels Lust. Es folgte eine Schmach, die uns dafür zumindest von Tayfun Korkut erlöst hat. So böse es klingt, so erleichtert fühlt es sich an.

Und wieder ein Neuanfang. Markus Weinzierl hat auf dem Trainerstuhl Platz genommen und lässt sich den Versuch, diesen Chaosverein zum Klassenerhalt zu führen, mit Sicherheit fürstlich bezahlen. Es hätte uns schlimmer treffen können, bedenkt man die Verfügbarkeit eines Markus Gisdol. Markus Weinzierl hätte es dafür beim ersten Spiel nicht schlimmer treffen können. Als Tabellenletzter – Pardon, Vorletzter, dank Düsseldorf – gegen den Tabellenführer, der mit so viel Schwung ins Rollen gekommen ist, dass nichts vor ihm sicher ist. Alles neu dank neuem Trainer? Neues Selbstbewusstsein? Neue Erfolge? Wer von uns hat das denn wirklich geglaubt?

(Nicht) Zu viel verlangt

Er wird Zeit brauchen, das wieder aufzubauen,was durch das defensive System seines Vorgängers kaputt gegangen ist. Da reicht auch keine Länderspielpause, es wird noch Wochen in Anspruch nehmen, die Abläufe einzustudieren und die Mannschaft fit für die Rückrunde zu machen. Fitness. Schnelligkeit. Konzentration. Mut. Leidenschaft. Alles, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, kaum etwas war davon zu sehen in den letzten frustrierenden Wochen. Und obwohl jeder wusste, welcher Gegner im Neckarstadion zu Gast war, das Ergebnis spielte für die allerwenigsten eine Rolle. Nur eines wollten wir sehen: dass sie Moral zeigen alles geben. Eigentlich sollte das nicht zu viel verlangt sein. Eigentlich.

Für mich hat Anfang des Jahres ein langsamer Prozess begonnen, den ich schon vor Jahren hätte beginnen sollen. Weg von der Einstellung, dass das einzig Wichtige in meinem Leben dieser Kläpperlesverein ist, der es in hübscher Regelmäßigkeit schafft, meine Launen derart zu beeinträchtigen, dass die wirklich wichtigen Dinge des Lebens auf der Strecke geblieben sind. Hat die Rückrunde auch Spaß gemacht, so bin ich doch nun auf einem guten Weg. Wenn es gut läuft, freue ich mich, wenn nicht, darf es mir auch mal egal sein. Oder etwa nicht?

Vom Spiel selbst war nicht viel zu erwarten, eine Wiederholung wie im vergangenen Jahr würde es nicht geben. Umso mehr freute ich mich, kurzfristig Patrick treffen zu können, dem ich schon einige Jahre bei Twitter folge und sich nun endlich mal die Gelegenheit für ein kurzes Treffen ergab – Aschaffenburg ist schließlich nicht der allerschnellste Weg. Was passierte, nachdem sich unsere Wege trennten, schwebt bereits in einem fast schon undurchdringlichen Nebel. Die Highlights nochmal anschauen oder mir die Entstehungsgeschichte aller vier Tore nochmal anschauen? Nein danke.

Die Bürde des Markus Weinzierl

Drei Tore in 25 Minuten. Salopp könnte man beinahe sagen, die Borussia hat den VfB eine halbe Stunde durchgevögelt und ihn dann links liegen lassen. Dass sie für mehr keine Lust hatten, eröffnete zwar in der zweiten Halbzeit die Gelegenheit zum Aufziehen des eigenen Spiels (sofern man so nennen kann) – und wer weiß, was passiert wäre, wäre kurz nach Wiederanpfiff schon das 1:3 gefallen – für mehr reichte es dann aber doch nicht. Es bleibt nur zu hoffen, dass Markus Weinzierl einen schnellen Weg findet, Zugang zu diesem offensichtlich doch nicht so hervorragend zusammengestellten Kader zu finden.

Heraus aus dem Tabellenkeller, gute Arbeit abliefern, Weiterentwicklung der Mannschaft – dann kann man auch mal ein paar Jahre an einem Trainer festhalten. Ein hehres Ziel für den Verein mit dem (vermutlich?) größten Trainerverschleiß. Klingt einfach, wird aber Jahr für Jahr wieder von neuem aufgerollt. Ich bin müde, so verdammt müde. Es scheint fast so, als wäre es vollkommen egal, wie sehr die Fans die Mannschaft daheim und auswärts unterstützen, wie groß die Identifikation in der Region ist, ein jedes Jahr spätestens im Herbst wird der Trainer gegangen und die Schuldigen ist, wie immer, das kritische Publikum, das schwierige Umfeld, die Fans, die seit Jahren beinahe nichts anderes kennen als Dauerfrust.

Rege ich mich nun darüber auf, zermartere mir das Gehirn und schiebe tagelang Frust, weil der VfB die höchste Heimniederlage seit beinahe vier Jahren kassiert hat? Ich will das nicht mehr. Es gab zu viele Jahre, da hätte ich ein sechsseitiges Pamphlet verfasst und wäre drei Tage mit einem miesepetrigen Gesicht herumgelaufen. Da tun es auch anderthalb Seiten und ein Tag ein miesepetriges Gesicht. Mein Herz wird immer weiß-rot schlagen – aber vielleicht habe ich nunmehr begriffen, dass es um so viel mehr geht im Leben. Und das hat nichts mit einem Verein zu tun, der einem das Leben schwer macht.

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