Eiskalt kroch es in einem nach oben. Das Gefühl, dass die letzten Tage als Erstligist ein weiteres Mal gezählt sind. Und die Kälte, die sich durch die Betonstufen durch die Füße nach oben bahnte. Es dürften die schlimmsten Zeiten als VfB-Fan sein, seit, ja, seit dem Abstieg 2016. Die Protagonisten sind weitgehend andere, das hilflose Gefühl der Ohnmacht, an all dem nichts ändern zu können, ist dennoch das gleiche. Darüber etwas zu sagen, geschweige denn zu schreiben, fällt Woche für Woche immer schwerer. Und so sehr ich all die Jahre immer gehofft habe, nie einen Abstieg miterleben zu müssen, so sage ich jetzt das gleiche wie einst vor drei Jahren. Es wäre verdient.

Dabei ist “verdient” so ein seltsames Wort in Verbindung mit einem Fußballfan und seinen Anhängern. Beinahe die komplette Mannschaft, die seit Beginn dieser Saison den Beweis schuldig geblieben ist, dass sie in die erste Liga gehört und der siebte Platz nicht nur ein positives Versehen war, hat den Abstieg verdient. Wolfgang Dietrich hat den Abstieg verdient. Und ja, vielleicht hat auch Markus Weinzierl den Abstieg verdient, wobei fraglich ist, wieviel man aus dieser Mannschaft hätte wirklich rausholen können.

Die einzigen, die den Abstieg nicht verdient haben, werden auch in der nächsten Saison wieder ins Stadion gehen. Die, die jede Woche singen und schreien. Die, die sensationelle Choreographien vorbereiten. Die, die an all dem keine Schuld tragen. Alle anderen können gehen, wenn sie wollen. Nur die Fans bleiben. Ist das nicht irgendwie unfair? Diesem Moment beiwohnen zu müssen (beziehungsweise zu wollen, wobei “wollen” dann mindestens ebenso ein seltsames Wort ist), fällt schwer. Vor zwei Jahren hätte mich das vielleicht noch gebrochen, heute ist es eine fast schon stoische Gelassenheit. Dass ich damit nicht alleine bin, weiß ich ganz genau, wissen wir doch alle tief in unserem Inneren, dass sich nichts zum Besseren ändern wird – ganz egal, in welcher Liga. Das macht das drohende Unheil allerdings nicht besser. Im Gegenteil.

Wisst ihr noch, damals…?

Ich will einfach nur noch, dass es vorbei ist. Nicht mehr jede Woche verlieren. Nicht mehr verzweifelt nach Ablenkung suchen. Nicht mehr dabei zusehen, wie jede einzelne Entscheidung des Vereins ein noch viel größeres Loch reißt. Gerade in Momenten wie diesen eine Gelassenheit zu entwickeln, hätte ich selbst nie für möglich gehalten. Eine andere Wahl hatte ich nicht. Was hätte ich denn tun sollen? Eine späte Erkenntnis, die mir viele Jahre Frust, Enttäuschungen und Wut auf Dinge, die ich nicht beeinflussen kann, hätte ersparen können. Egal ist es mir natürlich nicht, wie könnte es das auch. Aber ich habe beschlossen, mir davon nicht mehr meine Laune versauen zu lassen. Das klappt bisher ganz gut. Wie das am 34. Spieltag oder gar in der Relegation aussieht, das steht auf einem ganz anderen Blatt.

Im Grunde habe ich nichts anderes erwartet, als ich das Haus verlassen hatte. Das Wetter der letzten schmuddeligen Tage setzte sich auch am Samstag fort, bei ungefähr fünf Grad über Null. Auf meine Freunde, die ich vom Twitter-Stammtisch #tpstgt kenne, freute ich mich. Auf das Spiel eher nicht. Entweder würde der VfB komplett unter die Räder kommen oder sich letztlich nur knapp geschlagen geben müssen – so oder so, verlieren würde man höchstwahrscheinlich trotzdem irgendwie. Es gab Zeiten, da fehlte mir nie der Optimismus, den nächsten Gegner schlagen zu können. Einst gab es das Gefühl, voller Stolz für den eigenen Verein zu sein. Heute ist davon nicht mehr viel übrig geblieben.

Draußen wurde es immer ungemütlicher, aber auch in der Cannstatter Kurve war es nicht sehr viel besser. Das “Wenigstens im Trockenen” verkam zur (nicht ganz) trockenen Theorie, denn in den den ersten Reihen der Kurve drückt der Wind den Regen ins Stadion hinein. Mit den Händen in den Jackentaschen vergraben und der Nase im Halstuch versteckt wartete ich auf den Anpfiff, darauf dass die Reihen sich füllen und auf das unweigerliche Schicksal, das ein weiteres Mal über den VfB kommen würde. Nein, Spaß macht es in diesen Zeiten nicht wirklich, VfB-Fan zu sein. Meine Gedanken schwiffen ab, zehn Jahre in die Vergangenheit, als Mario Gomez beim Heimspiel gegen Hamburg in der Nachspielzeit das 1:0 machte und die Idee zur Dauerkarte geboren wurde. Seither verpasste ich nur zwei Heimspiele aus gesundheitlichen Gründen.

Noch immer auf der Suche nach Hoffnung

Die Geschichte des Spiels ist eigentlich gar keine, so schnell wie sie erzählt ist. Viel konnte man der Mannschaft zumindest kämpferisch nicht vorwerfen. Das Dumme ist nur, dass das alleine nicht reicht. Weder für eine individuell gut besetzte Truppe wie Leverkusen, noch für jeden anderen Gegner in der Liga. Defensiv ein wenig verbessert zu manch anderen Spielen in den vergangenen Wochen, wenn du aber vorne nicht zum Abschluss kommst, Bälle verlierst und die einfachsten Mechanismen nicht funktionieren, dann musst du dir die Frage gefallen lassen, gegen wen du gedenkst noch Punkte zu holen. Eine Halbzeit ohne Gegentor wurde mit einem zaghaften Applaus bedacht, es braucht aber dringend drei Punkte. Aber wie?

Die Frage nach den Punkten hatte sich schon bald erledigt. Aus dem Spiel heraus ließen sie kein Tor zu, da brauchte es schon eine Standardsituation. Die Strafraumgrenze, das Foul, der Pfiffe. Alle Hoffnungen, doch noch irgendwie zu punkten, zerschellten am Boden als Kai Havertz das Tor machte. Es gab keine Worte dafür, wie dämlich dieses Tor zustande kam. Und in Sachen “Dämlich” hatte der VfB noch einiges zu bieten in dieser Partie. Ohne nennenswerte große Chancen schwand die Hoffnung zusehendst, den Ausgleich zu machen, wenngleich ein Punkt nicht einmal genug gewesen wäre. Drei Minuten Nachspielzeit reichten nicht aus, wie wohl auch drei weitere Stunden nicht ausgereicht hätten, um zu treffen.

Mehr Treffsicherheit bewies da Santiago Ascacibar. Es ist durch nichts zu entschuldigen, so die Nerven zu verlieren, zeigt es doch aber den Gemütszustand des gesamten VfB ganz deutlich. Einen Gegenspieler anzuspucken gehört sich nicht, das gehört folgerichtig mit rot und intern mit einer Geldstrafe bestraft. Das viel größere Problem wird sein, dass uns einer der wenigen Kämpfer auf dem Platz diese Saison wohl eher nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Das nennt man dann wohl einen Bärendienst, den er uns erwiesen hat. Eiskalte Stimmung in der Kurve, frostige Pfiffe. Ab kommender Woche soll das Wetter wieder besser werden. Dass es beim VfB besser wird, wage ich aber zu bezweifeln. Und ich hasse es, dass es schon soweit kommen musste.

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