Es ist viel zu tun in den letzten und auch in den nächsten Tagen. Da ich noch den Artikel zum Cottbus-Spiel und auch meinen Saisonrückblick in Kürze fertigstellen möchte, will ich euch nun noch teilhaben lassen an jenem denkwürdigen 09. Mai des Jahres 2009. Kein Tag wie jeder andere – das sind Ausflüge zu Fußballspielen ohnehin für mich nicht – aber was ich an jenem Tag erlebte, war von einem anderen Stern. Und auch darüber lohnt es sich zu schreiben.

Was war zu erwarten vom Top-Spiel gegen Wolfsburg? Zugegebenermaßen hätte diese Spielansetzung noch vor wenigen Jahren nicht zu den am meisten erwarteten und spanenndesten Top-Spielen des Spieltags gezählt, zu klar verteilt waren in der Vergangenheit die Rollen der dominierenden Mannschaft. Doch unter Trainer Felix Magath vollzog sich in der Autostadt eine Verwandlung, die man ruhigen Gewissens als enorm ansehen kann. Waren sie 2007 fast abgestiegen, erreichten sie 2008 den UEFA-Cup Platz (wenig erfreulich war, das es durch ein Spiel gegen uns besiegelt wurde) und 2009? Die Wölfe stehen an der Tabellenspitze, der VfB ist in Lauerstellung. Ein vorentscheidendes Spiel in Richtung Saisonfinale.

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Mannschaftsaufstellung

Entsprechend groß war natürlich auch die Anspannung und die Nervosität, die mit dem Näherrücken des 31. Spieltags einher ging. Ursprünglich hatte ich das Spiel gar nicht auf meiner Liste, doch die Gunst eines Bekannten im Tooor.de-Forum ließ mir die Zusage für das begehrte Spiel zukommen. Längst war klar, das ich den Verstand verloren hatte – ich füllte den Endspurt der Saison mit dem letzten verbleibenden Spiel des 4-Heimspiele-Saisonfinales, als ob ich es schon vorher geahnt hätte, dass es wundervolle Wochen werden würden.

In der Nacht davor war natürlich nur schwerlich an einen durchgängigen und ruhigen Schlaf zu denken, zu aufgewühlt war ich. Das Klingeln des Weckers und der damit verbundene Startschuss zum vorletzten Heimspiel der Saison ließ meine Vorfreude auf den langen Tag auch nicht unbedingt geringer werden. Los ging es am frühen Morgen mit dem traditionellen Abholen an der Haustüre. Nach einer Zwischenstation in Weißenfels, wo wir Mitfahrer und VfB-Dauerkartenbesitzer Torsten eingesammelt haben, konnte es losgehen. Es gab kein Zurück mehr.

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Nach einer langen und anstrengenden Fahrt fand man sich dann endlich ein, direkt gings zu Reinharts Stammkneipe “Ottos Vesperstüble”, was auch für mich ein wichtiger Anlaufpunkt geworden ist. Da ich mir 2 Wochen nach dem Frankfurt-Spiel zuvor mein geliebtes VfB-Shirt habe signieren lassen und mir die freundliche Mitarbeiter in der Reinigung um die Ecke keine großen Hoffnungen auf Konservierungsmöglichkeiten machen konnte, war klar, dass ich mir ein neues Trikot organisieren wollte.

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Kaum gesessen, schon steht man wieder.
Das 1:0 nach nur 28 Sekunden!

Das ohnehin schon schwer gebeutelte Sparschwein musste wieder dran glauben und so lief ich zum Fanshop rüber. In den letzten Wochen probierte ich im örtlichen Karstadt in Leipzig einige VfB-Trikots an und freute mich, dass mir die Kindergröße 176 noch gut passt. Ich wunderte mich schon, dass diese im Fanshop selbst sehr viel kleiner ausfiel. So griff ich zum einzigen Gomez-Trikot in Größe S, welches noch da war – aber auch das war zu Klein. Der Griff zu Größe M und die anschließende Beflockung machte mich nicht nur knapp 75 Euro leichter sondern auch sehr glücklich. Und auch, wenn ich mir wünschte, der VfB müsste den Gürtel in Sachen Saisonendspurt nach dem Wolfsburgspiel nicht enger schnallen müssen, so kaufte ich mir eben jenen noch dazu: einen schicken VfB-Gürtel.

Im Fanshop selbst verabredete ich mit dem Bekannten vom Tooor.de-Forum, dem ich die Karte zu verdanken hatte. Wir staunten nicht schlecht, tippte er – den ich vorher noch nicht persönlich kennengelernt hatte – mir auf die Schulter und wir beide sahen uns mit einem vielsagenden “Wir kennen uns vom Sehen”-Blick an. Wie klein die Welt doch ist, ist manchmal schon wirklich erstaunlich, ich sah ihn schon beim Auswärtsspiel in Cottbus und beim Heimspiel gegen die Bayern, beide Spiele waren ein gutes halbes Jahr her und doch erinnerte man sich sofort, trotz der Anwesenheit von Scharen an Menschen, denen man an jenen beiden Tagen am 06. und 13. Dezember über den Weg gelaufen sein muss.

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Torero zum Zweiten, das 2:0!

Frisch beladen mit neuen Errungenschaften ging es zurück zum Otto, eine weitere Station eines Laufweges, der mich an jenem Tag von einer Seite des Stadions zur anderen jagte. Nicht fürs Stadion benötigtes Zeug ließ ich von Reinhart ins Auto einschließen und machte mich nur mit dem Nötigsten – und mit dem nagelneuen Gomez-Trikot natürlich – auf den Weg in Richtung PSV, der Gaststätte des Polizeisportvereins, wo ich mit meinen leuten treffen wollte. Vor Ort traf man sich und wir staunten nicht schlecht: es waren so viele Leute wie schon lange nicht mehr. Es lohnt sich schon, das alles mittels SMS und Telefonaten zu organisieren, ansonsten bekommt man die weiß-rote Bande von VfB-Fans nicht in den Griff.

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Nach einem tollen Treffen gings dann auch schon ins Stadion, erstmalig war ich in keiner der beiden Kurven platziert sondern ganz offiziell auf der EnBW-Tribüne (Gegentribüne), am Rand zur Cannstatter Kurve. An meinem Platz angekommen fiel mir gleich der Zaun auf, der direkt rechts von mir stand und so die Sicht aufs Spielfeld und auf die Cannstatter Kurve behinderte – nach dem Spiel sollte es mir ohnehin egal gewesen sein, immerhin war die Karte ermäßigt und für 15 Euro günstig erstanden. Die Anspannung, die kribbelnde Vorfreude im Stadion war deutlich zu spüren, vom Block 32 in der Cannstatter Kurve bis hin zur hintersten Reihe der Untertürkheimer Kurve, jeder freute sich auf dieses Spiel.

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Ole Ole Ole Ola

Endlich konnte es losgehen, der Ball rollte und nach 90 Minuten Spielzeit sollten wir klüger sein. Durchaus nichts neues: die Tatsache, dass ich sobald der Ball in Richtung des gegnerischen Tores kommt, alles mit meiner Digitalkamera aufzeichne. Ich ahnte ja gar nicht, wie sehr mir diese Fähigkeit in Mark und Blut übergegangen ist. Viele haben noch nicht einmal an ihren Plätzen gesessen, noch nicht einmal 30 Sekunden waren gespielt – so konnten alle, die sich eben erst gesetzt haben, schon gleich wieder aufstehen: Mario Gomez schoss nach 28 gespielten Sekunden das 1:0 für den VfB Stuttgart – willkommen zu Hause, willkommen zu einem beeindruckenden Spiel. Das ging ja schonmal gut los. Meinte übrigens auch mein VfB-Kumpel Franz, dessen gleich lautende SMS mich nach ca. 50 gespielten Sekunden erreichte.

Das war natürlich der perfekte Startschuss für eine klasse Stimmung im Stadion. Etwas neidisch schweifte mein Blick oft vom Spielfeld ab durch den eisernen Zaun hindurch auf die Cannstatter Kurve, in der ich jetzt gerne gestanden hätte. So oder so, ich war unbeschreiblich happy über dieses schnelle Tor, weiß man doch nur zu gut, ein schnelles Tor ist förderlich, um dem Gegner den Zahn zu ziehen – und eben jene Zähne sind bei starken Wölfen umso gefährlicher. Also nur raus damit.

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Die pure Schusskraft, das 3:1!

Eine Angriffswelle nach der anderen rollte auf das Tor zu, welches Diego Benaglio hütete, seines Zeichens ehemaliger VfB-Spieler. Und wer sich von den Emotionen des schnellsten Tores der Saison gerade erst wieder beruhigt hatte, bekam nun wieder ordentlich Puls in den Adern: erneut war es Mario Gomez, der die Bude machte und mich nach dem 2:0 in der 20. Minute an meinem Kumpel Franz per SMS antworten ließ: “Geil, ich krich gleich Zuständ”. Dieser Mann ist unglaublich.

Nur für wenige Minuten sollte sich mein außerordentlich gutes Bauchgefühl für den positiven Ausgang dieser Partie verflüchtigen: Als Edin Dzeko in der 36. Minute das Anschlusstor zum zwischenzeitlichen 2:1 machte, begannen furchtbare 10 Minuten bis zum Ende der 1. Hälfte. Es wollte nichts mehr so recht gelingen, stattdessen war auf einmal Wolfsburg die spielbestimmende Mannschaft und über den Ausgleich hätten wir uns auch nicht einmal beschweren dürfen. Eine Zitterpartie, da kam die Pause gerade zur rechten Zeit: durchatmen und Kraft tanken, das galt für die Spieler genauso wie für die Fans, die ein klasse Spiel zu sehen bekamen.

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Frohen Mutes, noch weitere Tore für den VfB sehen zu können, freute ich mich natürlich auf die 2. Halbzeit, in der ich die Tore für meine eigne Mannschaft direkt vor mir gesehen hätte – wenn auch mit einem störenden Metallzaun, der von mir kurzerhand als Stativ für etwas ausgeglichenere Foto- und Videoaufnahmen umfunktioniert wurde, frei von meinem gewohnten Gezitter und Gezappel.

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Einer geht noch! Das 4:1!

Eine Zeit lang passierte nichts weiter, doch meine Kamera lief unbeeindruckt weiter, bei jeder Torchance für die Schwaben wurde der Aufnahmeknopf gedrückt und gleich wieder zum Stoppen betätigt, wenn die Situation bereinigt oder die Chance versemmelt war. Ich nahm es ihnen jedoch nicht übel, immerhin hatten sie sich wieder gefangen nach den nervenaufreibenden Minuten kurz vor der Halbzeitpause.

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Danke, Mario! Dem Applaus hast du dir verdient!

Was in der 63. Minute geschah, wird in die Saisonhistorie 2008/2009 mindestens als “Die pure Schusskraft” eingehen: mit einer, entschuldigt den Ausdruck, “Mords-Wuchtbrumme” wurde der Ball unhaltbar zum 3:1 in die Maschen gedroschen. Ich hielt die Kamera drauf, sah das Tor vor meiner Nase und riss sofort die Arme – samt laufender Kamera – in die Luft. Wohlwissend, meine eigene Stimme nur ungern als Tonaufnahme zu hören, vergaß ich das jedoch im Eifer des Jubels und brüllte hochzufrieden, wobei hochzufrieden in diesem Spiel noch die Untertreibung der Woche ist, ein genüssliches “Jaaaaa, Baby!” ins weite Rund des Neckarstadions in Stuttgart. Hatte ich bereits erwähnt, dass Mario Gomez unglaublich ist? Habe ich das? Nunja, dann sei dies hiermit noch einmal bestätigt.

Der Drops war gelutscht, Wolfsburg würde dieses Spiel verlieren, dank eines überragenden Mario Gomez, der an jenem Samstag Nachmittag ein weiteres Mal der hellste Stern am Stürmerhimmel war. Vielmehr stellte sich die Frage: wie hoch würde der VfB dieses Spiel gewinnen? In den Reihen der Wolfsburger konnte Jeder den Kräfteverschleiß ausmachen, kurz: sie gaben sich auf.

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Ooooh, wie ist das schön!

Nicht einmal mehr 15 Minuten waren noch zu spielen. So sehr erhofft wurde mein Wunsch erfüllt: noch einmal die Tormelodie des VfB hören, noch einmal in diesem ohnehin schon wahnsinnigen Spiel gemeinsam mit den anderen Fans steil gehen. In der 77. Minute platzte das Stadion endgültig aus allen Nähten: das 4:1. Da gab es kein Halten mehr, abgesehen von den Gästefans wurde jeder in diesem Stadion Zeitzeuge einer unglaublichen Geschichte. Wer hat denn das Tor gemacht? Diese Frage muss man nicht stellen, man stelle sich einfach nur in diesem Moment mein zufriedenes Lächeln vor und hat die Antwort.

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Nur 2 Minuten später erhob sich jeder im Stadion von seinem Platz: unter tosendem Applaus und “Mario Gomez!”-Sprechchören durfte er den Platz verlassen unter dem verdienten Extra-Applaus der entzückten Zuschauer. Minutenlang wurde er gebührend gefeiert, was für eine Show, was für eine Riesenleistung. Und wenn ich heute daran zurückdenke, dass ich dieses Spiel gar nicht auf meiner Liste hatte…

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Laola-Welle

Wie unendlich genüsslich waren die letzten Minuten doch, zum Zunge schnalzen schön. Mit einem ohrenbetäubenden “Einer geht noch, einer geht noch rein!” begleiteten wir unsere Jungs bis zum Schluss. Der Ärger über den von Ciprian Marica (für Mario Gomez ins Spiel gekommen) nur an die Latte gesetzten Ball verflog schnell, niemand hielt es noch auf den Plätzen. Der Sieg, der abgesehen von den letzten 10 Minuten vor der Pause, nie in Gefahr war, wurde nach 90 Minuten besiegelt und wurde sofort ausgezeichnet mit dem Siegel “richtungsweisend”. Für die Pessimisten und Realisten unter uns war diese Partie allenfalls aus der Abteilung “Froh, wenn zumindest ein Punkt bei rumkommt”. An dieser Stelle herzliche Grüße an Jonas.

Für Spiele wie diese kann man viele Worte finden, ich entscheide mich kurzum für “unglaublich”. Nach der Ehrenrunde der Jungs und dem schnell verflogenen Frust über die ebenfalls erzielten Siege der Konkurrenz ging es auch schon wieder rüber zum PSV, wo man mich bereits grinsend erwartete, wohlwissend, dass dieses Spiel mehr Emotionen freigesetzt hat, als so manch anderes Spiel. An einem warmen Tag kam dann auch der kühlende Regen einer Erlösung gleich. Nach einem kurzen Plausch mit meinen Jungs und Mädels ging es abermals zurück zum Otto, wo mich zwei ebenfalls breit grinsende Herren in Empfang nahmen: Reinhart und Torsten, sie sahen mir meine Stimmung an. Jenen Gesichtsausdruck kann man am besten mit “Honigkuchenpferd” bezeichnen.

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Wir singen UMBA UMBA UMBA Tätäräääää!

Nach einem verdienten Bierchen ging es wieder in Richtung Heimat. Wenn wir nicht hätten fahren müssen, ich hätte vermutlich noch 24 Stunden später auf der Holzbank gesessen und glücklich vor mich hin gegrinst. Mein Puls kam langsam wieder etwas nach unten und ein anstrengender Tag forderte seinen Tribut, nach nicht einmal 200 absolvierten Kilometern nickte ich ein und schlief…und schlief… und schlief.

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Danke, Danke, Danke!

Daheim abgesetzt und schon einige Zeit “vorgeschlafen” war nun nicht mehr sofort an Nachtruhe zu denken. Sofort wurde der Rechner angeworfen und der Fernseher angeschalten, natürlich wollte ich mich vorm erneuten Einschlafen in den sich überschlagenden Pressemeldungen suhlen. Frisch gebadete in eben Jenen legte ich mich ins Bett… und träumte…und träumte… und träumte. Von einem Mann, der eine Mannschaft im Alleingang erledigen kann. Und von der ganzen Mannschaft, die ihn so exzellent in Szene gesetzt hatte. Und ich bin sicher, ich habe noch im Schlaf zufrieden gelächelt, voller Stolz, was ich an jenem 09. Mai 2009 gesehen hatte.

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