Wer mich kennt, weiß bereits, dass ich vor einem halben Jahr am Knie operiert wurde. Immer wieder werde ich seitdem gefragt, wie es mir ergangen ist, ob das Knie wieder heile ist und ob ich noch Schmerzen habe. Euch sei gesagt: Alles gut, “es läuft” quasi. Ein kleiner Blick zurück…

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Februar 2011:

Wir waren gerade erst aus Lissabon zurück, nächtigten in Köln und besuchten gleich noch das Auswärtsspiel in Leverkusen, wo alles begann. Oder vielmehr: bei dessen Rückfahrt. Enge Gänge in der Bahn, als Sonntag Abend jeder schnell nach Hause wollte, ein ungeahnter Schubser und höllischer Schmerz. Ich war nicht im Stande, mehr als “Mein Bein!” rauszubringen…

Die schockierten Mitreisenden konnten zunächst nur zuschauen, bis sich einer erbarmte, mir zu helfen. Er streckte mein Bein bis es “Knack” machte. Die Kniescheibe, die aus Ihrer Führung herausgesprungen war, sprang zurück und sorgte für sofortige Schmerzlinderung. Er fragte mich, ob dies schonmal passiert sei. Nein, antwortete ich. Vor Jahren hatte ich es schonmal gehabt, am selben Knie: links. Ich renkte sie mir damals selbst wieder ein, ging vor lauter Schock nicht zum Arzt.

Im Krankenhaus konnte man nichts entdecken, man schmierte mir Voltaren drauf und schickte mich nach Hause. Ein weiterer Arzt, spezialisiert auf Sportverletzungen, fand ebenfalls nichts und schickte mich nach Winnenden zum MRT und nach Ludwigsburg zum Orthopäden \” überall hieß es: “Es ist nichts”. Dabei beließ ich es vorerst.

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Oktober 2011:

Seit Monaten hatte ich immer wieder mal Schmerzen und ein instabiles Gefühl im Knie, dass ich mir verletzt hatte. Immer wieder war ich mal bei verschiedenen Ärzten, die mich allesamt weiterverwiesen. Schlussendlich bekam ich eine Überweisung zur Sportklinik Bad Cannstatt und bekam erst einen Termin für 2 Monate im Voraus.

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Dezember 2011:

Endlich Termin. Und dann ging es doch ganz schnell, der Oberarzt der Orthopädie, der schon mehrere VfB-Spieler auf dem Operationstisch hatte, diagnostizierte ein generell instabiles Knie durch 2 Luxationen, wie man zum Herausspringen der Kniescheibe sagt. Er empfiehl mir eine Operation, um die Kniescheibe zu fixieren, ich solle es mir überlegen. Würde ich die OP nicht machen, würde es meinem Knie aber nicht besser gehen, es wäre nur eine Frage der Zeit, bis es wieder passiert.

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Januar 2012:

Ich hatte es mir überlegt: ich wollte die OP. Denn ich wollte ja schließlich auch anfangen mit Sport, ein kaputtes Knie konnte ich dabei nicht gebrauchen. Der OP-Termin wurde schnell gefunden und auf den Spielplan des VfB sowie den Terminen im Geschäft abgestimmt \” leider musste ich den Termin so legen, dass ich zumindest ein Spiel verpassen würde. So musste ich beim Heimspiel gegen Hertha passen. Dafür könnte ich mir noch heute in den Allerwertesten beißen, denn wenn ich gewusst hätte, dass das Projekt im Geschäft gar nicht zum geplanten Zeitpunkt kommt, hätte ich ein anderes Spiel ausgesucht.

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Februar 2012:

Der OP-Tag war da. Früh morgens brachte mich Felix in die nur wenige Minuten entfernte Klinik, wo ich aufgenommen und mir alles erklärt wurde. Ein bisschen Bammel hatte ich ja schon. Am Nachmittag rollte man mich in den OP-Saal und verpasste mir eine Spinalanästhesie ins Rückenmark, ich wollte ja auch unbedingt bei Bewusstsein bleiben.

Das war ja noch der entspannteste Teil der ganzen Geschichte, ich schwätzte mit dem Narkosearzt und ließ mir von meinem Chirurgen auf dem Monitor erklären, was ich grade bei der Kniespiegelung beobachten kann. Bei der OP selbst machte er den Bildschirm aus \” “damit Sie nicht auf die Idee kommen, das selbst nachzumachen”. Pfft. Nach 45 Minuten war es vorbei und ich wurde nach kurzem Aufenthalt im Aufwachraum in mein Zimmer zurückgeschoben, wo Felix bereits auf mich wartete.

Er überreichte mir das aktuelle Jahrbuch vom VfB, mit der Rückseite voran, versehentlich mit Edding beschmiert \” “Wer war das, warum ist das vollgesaut?” – “Drehs mal um”. Und vorne war die Unterschrift unseres Neuzugangs Vedad Ibisevic drauf. “Blätter weiter”. Seite um Seite, von fast jedem Spieler ein Autogramm, mit Widmung: “Für Ute, alles Gute”, “Gute Besserung für dein Knie”, “Für Ute, alles Liebe” und viele mehr. Was für eine Geste. Die Freudentränen ließen sich nicht verbergen.

Kurz darauf ließ die Betäubung langsam nach und der schwierigste Teil begann. Hochdosiertes Schmerzmittel im Tropf, es war die Hölle. Das unerwartet gute Essen, die netten Zimmergenossinnen, das freundliche Personal und die Besuche von Felix machten es erträglich an den 5 Tagen in der Klinik. Wenn er mal nicht da war, sammelte er noch die restlichen Unterschriften ein.

Die richtige Hölle war für mich jedoch der Samstag, Heimspiel im Neckarstadion, ohne mich. Das hat es zuletzt im April 2009 gegeben. Fast 3 Jahre ohne verpasstes Heimspiel, Bundesliga, DFB-Pokal, Champions League, Qualifikationsspiele, Europa League \” ich hatte immer alles mitgenommen. Bis mich mein Knie daran hinderte. Mir blutete das Herz. Und nein, es hätte nicht das 0:0 gegen Kaiserslautern sein dürfen, nein, es war das grandiose 5:0 gegen Hertha. Autsch. Das werde ich mir nie verzeihen.

Währenddessen hatte ich die ersten Sitzungen Physiotherapie, ging die ersten schweren Schritte mit Kniebandage und Schiene an selbstverständlich roten Krücken. Dinge, die selbstverständlich waren, waren hier eine große Tortour. Anheben, Vorsetzen, Durchstrecken, Aufsetzen, Abrollen, Anheben \” auch genannt: ein Schritt. Von den Schmerzen mal ganz zu schweigen. Oft lief ich mit zusammengebissenen Zähnen meine Runden in den langen Fluren der Klinik und übte das Treppensteigen aufwärts und abwärts.

Nach 5 Tagen durfte ich dann heim. Zum Abschluss holte ich mir noch ein Autogramm von Dr. Raymond Best, Mannschaftsarzt beim VfB und ebenfalls angestellt in der Sportklinik. Mein Glück, dass er grade da war. Begeistert von den anderen Autogrammen seiner Schützlinge verewigte er sich ebenfalls. Dann ging es zurück nach Hause, mit einem Umweg zur Apotheke für das erste Paket Schmerzmittel, Antibiotika und Thrombose-Spritzen, die ich mir selbst verabreichen musste.

Alle paar Tage schleppte ich mich die Straße hinunter zur Physiotherapie und übte mit Felix regelmäßig bei Spaziergängen und Muskelaufbauübungen daheim. Die Spaziergänge waren freilich nicht angenehm bei Eiseskälte und einer glitschigen Schneeschicht auf den Gehwegen. Nach und nach fühlte ich mich besser, der Muskelaufbau wurde besser und ich brauchte weniger Kraft für die Krücken.

Ende Februar bin ich dann sogar wieder ins Stadion gegangen, am letzten Wochenende vor Ende der Krankschreibung. Heimspiel gegen Freiburg. Weit entfernt vom Stehblock, gesundheitlich und räumlich. Eine neue Perspektive, auf einem Haupttribünensitzplatz. Mit dabei: Felix, Krücken, Spiegelreflexkamera. Es hatte durchaus etwas für sich.

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März 2012

Insgesamt war ich 3 Wochen krankgeschrieben. Obwohl man mir empfohlen hat, es nicht zu überstürzten, wagte ich mich auf Arbeit. Der Weg war länger und beschwerlicher, das Umsteigen mit Bus und Bahn etwas komplizierter als sonst. Doch ich überstand es, mit freundlicher Unterstützung meiner im Erdgeschoss behausten Programmierer-Kollegen, die mir Asyl gegeben haben und ich mehrere Wochen bei den Jungs verbrachte. Eine tolle Erfahrung für beide Seiten.

Von nun an ging ich in Sindelfingen unweit vom Büro zur Physiotherapie, wo ich kompetent und freundlich betreut wurde. Dort brachte man meine Muskeln wieder auf Vordermann und verlangte mir alles ab bei Übungen, die sehr klein aber äußerst anstrengend und effektiv waren.

Zwei weitere Heimspiele erlebte ich dann noch auf den Rängen der Haupttribüne: das enttäuschende 0:0 gegen Kaiserslautern fast unter dem Dach sowie den Last-Minute-Sieg gegen Nürnberg am Rande zur Cannstatter Kurve, beides jeweils mit der guten Kamera. Es ist schwer, sie wieder wegpacken zu müssen, denn in die Stehblöcke darf ich sie ja nicht mitnehmen.

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April 2012

Ein weiterer Meilenstein: die Krücken durften weg. Darüber hinaus hatte ich die erste Nachsorgeuntersuchung in der Sportklinik, planmäßig nach 2 Monaten. Dort war der Chirurg sehr zufrieden und bescheinigte mir überdurchschnitte Fortschritte, ich solle so weitermachen. Gesagt, getan. Da ich ohne Krücken nun voll belasten konnte, oder vielmehr musste, starte ich die Probe aufs Exempel.

Ich hatte vorsorglich alle Stehblockspiele innerhalb der ersten 2 Monate nach der OP abgesagt. Gegen Mainz daheim und auswärts in Augsburg wollte ich wieder mit dabei sein, und ich tat es auch. Mittlerweile war ich schon wieder ganz gut zu Fuß, auch wenn weite Strecken natürlich eine Herausforderung darstellten. Im Gästestehblock war es einfach toll. Wieder mittendrin bei den Leuten, jeweils nach einem Rückstand gewannen wir beide Spiele noch deutlich. Ich war wieder da, wo ich hingehörte!

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Mai 2012

Zwar war ich noch nicht wieder bei 100%, doch das Knie erholte sich zusehendst noch mehr. Weite Strecken zu laufen war kein Problem mehr. Einige Monate zuvor schwor ich mir bereits: Sobald das Knie wieder heil sein würde, würde ich anfangen, Sport zu machen. Ich habs durchgezogen, fing an, mit Felix ordentliche Strecken mit dem Fahrrad zu fahren und meldete mich Ende des Monats im Fitnessstudio an. Schon bald sollten sich erste Ergenisse einstellen.

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August 2012

Ich gelte nun offiziell als rehabilitiert. Die zweite und letzte Nachsorgeuntersuchung in der Sportklinik 6 Monate nach der OP verliefen sehr zufriedenstellend. Würden die Operationsnarben nicht noch so rot und relativ frisch aussehen, würde man nicht merken, es sei erst ein halbes Jahr her. Man würde nur selten sehen, dass sich jemand nach einer derartigen OP so schnell erholt. Innerlich grinste ich in mich hinein, dachte aber ebenfalls an die Schmerzen und die harte Arbeit. Es hat sich gelohnt.

Nachwievor geh ich ins Fitnessstudio, Felix hat sich mittlerweile auch angemeldet. Das Knie meldet sich nur noch selten, lediglich die komplette Beugung aus eigener Kraft kostet noch etwas Mühe, aber das werde ich in ein paar Monaten hoffentlich im Griff haben.

Es war die richtige Entscheidung. Ohne die OP wäre die Kniescheibe bald wieder rausgehübt, Sport wäre damit nur eingeschränkt möglich gewesen. Nun kann ich Sport machen, mehr als ich vorher konnte. Und es tut gut.

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