Ja, wir stecken noch mitten in der Vorbereitung. Ja, die Mannschaft ist natürlich noch nicht eingespielt, wenn sie erst seit zwei Wochen miteinander trainiert. Ja, die Abstimmung im Team funktioniert noch nicht einwandfrei. Ja, der heutige Gegner startet bereits eine Woche später in die Saison und steht schon voll im Saft. Aber trotzdem: tut eine 4:1-Niederlage wirklich Not? Manche meinen, ein gehöriger Tritt auf die Euphoriebremse täte gut. Doch ich frage: Welche Euphorie meinen sie denn genau?

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Die Euphorie, nach der letzten erfolgreichen Saison noch einen draufzusetzen und erwartungsgemäß in den Europapokal einzuziehen? Die Euphorie, die Liga aufzumischen mit ein paar neuen, jungen Wilden? Die Euphorie, mit dieser Truppe sogleich Angst und Schrecken zu verbreiten und den eigenen Fans Freude zu bereiten? Ich bin mir nicht sicher, von welcher Euphorie die Rede sein soll. Denn es gibt schlichtweg keine, jedenfalls nicht in meinen Augen.

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Nicht wieder bis zum allerletzten Spieltag zittern müssen – das ist der fromme Wunsch eines jeden VfB-Fans, den die letzte Spielzeit unglaublich viel Kraft und Nerven gekostet hat. Ohne jede Frage, was bisher passiert ist, lässt zumindest den Glauben am Leben, dass es etwas werden könnte, mit einer weitgehend sorglosen Saison. Robin Dutt hatte Wort gehalten und nach seiner Brandrede zwei Tage nach dem Klassenerhalt schon ordentlich ausgemistet. Darf man gespannt sein? Ja. Euphorisch? Nein. Dafür haben wir zu viel erlebt.

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Stuttgart international… kann man nur besoffen sehen!

Es ist die latente Angst, einen weiteren Alptraum zu erleben, die mich umgibt. Wie schön wäre es doch mal, ein wenig sorgloser das Leben als Fußballfan genießen zu können, auwärts zu fahren und der Dinge zu harren, die da kommen, statt die Niederlage bereits im Kopf zu haben. Wir werden abwarten müssen, was passiert. Trotz aller Vorsicht ließ ich mich gerne darauf ein, als mich zwei gute Freunde fragten, ob ich sie nach Bern zum Testspiel begleiten wollte. Sofort sagte ich zu – nur Felix musste leider darauf verzichten, der Junggesellenabschied eines Freundes hatte Vorrang.

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Bei sommerlichen Temperaturen um die 30 Grad schlenderten wir durch die beeindruckenden Straßen der Schweizer Hauptstadt mit ihrem pompösen Münster und den vielen spitzen Dächern an der Aareschlaufe mit seinem türkisblauem Wasser. Positiv beeindruckt verbrachten wir den Mittag in der Innenstadt, bevor wir uns aufmachten zum Stade de Suisse, unscheinbar eingebettet in ein Einkaufszentrum. Nicht wenige haben in all den Jahren wohl vor den Türen des Stadions gestanden und fragten sich, wo es denn wäre. Zwischen C&A, New Yorker und vielen anderen Geschäften wird auch Fußball gespielt.

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Schon vor fast fünf Jahren hätte es die Möglichkeit gegeben, das Stadion zu besuchen, das selbst auferlegte halbe Jahr Auswärtsentzug nach meinem Umzug von Leipzig nach Stuttgart verhinderten, das dichte Schneetreiben beim Europapokalspiel im Dezember 2010 live mitzuerleben. Bei wesentlich besserem Wetter waren wir Drei nun hier, ungeachtet der Tatsache, dass es um nichts geht. Im Rahmen ihres eigenen Saisonopenings luden die Berner zum Testspiel bei entspannter Atmosphäre.

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Nach Maxim kam die Sintflut

Gut 32.000 Zuschauer passen in die Spielstätte im Berner Stadtteil Wankdorf, laut Aussagen der Gastgeber waren über 6.000 Zuschauer gekommen, darunter ein paar hundert Stuttgarter. Im Oberrang nahe des Gästeblocks machten wir es uns bequem, ein schattiges Plätzchen mit guter Sicht aufs Spielfeld und den Gästeblock rechts unter uns, gefüllt mit ein paar hoffnungsvollen und teilweise sichtlich abgefüllten VfB-Fans, die sich anfänglich ein Gesangsduell mit den Berner Fans geben wollten. Vollkommen entspannt, mit den Beinen auf der Mauer abgelegt, wollte ich es gelassen angehen und mich nicht aufregen, egal was passiert. Hat wunderbar geklappt. Nicht.

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Es sah gut aus, wie Alexandru Maxim nach gerade einmal fünf Minuten zum 0:1 einnetzte, in seiner wunderschönen und unnachahmlichen Art und Weise, fast so, als wollte er sagen „Schaut her, was er an mir habt!“. Uns Fans muss er das nicht sagen. Man kann nur hoffen, er bleibt uns erhalten. Viel zu lachen gab es im weiteren Verlauf des Spiels allerdings nicht. 85 Minuten, einer Halbzeitpause, zwei Trinkpausen und vier Gegentore später sah man sich geläutert.

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Vier zu Eins. Schon hart. Dass es sich nur um ein Testspiel und nicht um ein Bundesligaspiel handelt, ist mir dabei natürlich bewusst, doch sah ich noch viele Punkte, an denen Alexander Zorniger und sein Team noch arbeiten müssen. Falsche Laufwege, schlechte Abstimmung und ein teilweise indiskutables Abwehrverhalten machten es den Schweizern leicht, die Tore zu machen. Mehr als auf die Arbeit des Trainers vertrauen bleibt uns ohnehin nicht übrig.

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Nicht überbewerten – oder doch?

Vielleicht sollte ich das ganze nun nicht überbewerten. Am 8. August beginnt unsere Saison mit dem Pokalspiel bei Holstein Kiel, das Felix und ich wegen der Hochzeit eines Freundes leider nicht besuchen können, bis dahin ist noch Zeit, an einigen Stellschrauben zu drehen. Ob die Zeit ausreicht, wird sich noch zeigen, ein Pokal-Aus in der ersten Runde würde schnell die Zweifler und Bruddler auf den Plan rufen, zu denen ich ja ehrlicherweise auch gehöre. Eine Spielzeit ohne die größte aller Sorgen, es wäre wahrlich ein Segen.

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Noch bevor unser Parkticket abgelaufen war, machten wir uns auf den Weg zurück nach Hause und machten noch einen Abstecher zum Rheinfall in Schaffhausen, wo man die Touristen als geldbringende Maschinerie erkannt hat und man ohne den Erwerb eines kostenpflichten Tickets nicht das geringste vom Rheinfall hat. So wurde der Rheinfall zum Reinfall, unverrichteter Dinge ging es zurück nach Hause.

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Trotz des Ergebnisses war ein entspannter Tag in der Schweiz bei sonnigem, vielleicht sogar zu sonnigem Wetter. Wenn es der VfB schafft, die richtigen Rückschlüsse zu ziehen und weitgehend schadlos in die neue Spielzeit zu starten, so könnte sich vielleicht sogar einmal so etwas wie Spaß einstellen in Bad Cannstatt. Das wäre doch einmal etwas neues nach dem, was wir zuletzt erlebt haben. Das Neckarstadion muss wieder zur Festung werden. Die Heimspiele gegen Hamburg und Mainz haben gezeigt, wie das geht. Mehr davon!

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