“Wie ich noch hoffen soll, ist mir schleierhaft. Wie der VfB es noch schaffen soll, ist mir schleierhaft. Wie die Fans wohl mit den nächsten Wochen umgehen, ist mir schleierhaft. Es sind noch drei Spiele und damit die rechnerische Möglichkeit von neun Punkten und dem direkten Klassenerhalt. Die Köpfe hängen schwer, während alle anderen mentalen und sportlichen Erfolg verbuchen, hadern wir mit uns selbst.” – Jene Worte stammen vom Auswärtsspiel auf Schalke, an genau diesem Spieltag vor genau einem Jahr. An dem Tag, als man genau am gleichen Punkt war, gefühlt bereits abgestiegen war und es viel schlimmer nicht mehr kommen konnte.

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Es folgten drei Siege und der direkte Klassenerhalt. Wo keine Hoffnung mehr war, erwuchs sie an jedem Spieltag aufs Neue. Nichts gab es, was uns damals viel Zuversicht geben konnte, wo ich also jetzt der Unterschied? Sehe ich den diesjährigen Abstiegskampf als schlimmer, schmerzhafter und aussichtsloser als letztes Jahr, weil ich weiß, wie es ausgegangen ist? Oder weil damals trotz der schlechteren Tabellensituation mehr für uns sprach, nämlich eine halbwegs intakte Mannschaft, Kampfgeist und ein machbares Restprogramm? Wieder einmal sitze ich hier und weiß ich nicht, wie der VfB das noch hinbiegen soll.

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Vor einem Jahr sah es düster aus, mit 27 Punkten rangierten wir auf dem letzten Platz, vier Punkte Abstand ans rettende Ufer schienen unerreichbar zu sein. Viel zu verlieren hatte man nicht mehr, so nahm sich die Fanszene ein Herz, rief die bedingungslose Unterstützung bis zur rechnerischen Entscheidung aus und schrie den Support so laut heraus, wie man es schon seit ewigen Zeiten nicht mehr vernommen hatte. Wo mancher mit dem Kopf schüttelt und meint, das Gejammer habe sich vor einem Jahr ganz ähnlich angehört, fragen sich andere, was einen denn glauben lässt, es sollte in dieser Saison leichter sein als letzte.

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Sorgen, nichts als Sorgen

So sehr ich auch in den letzten Wochen und Monaten den mahnenden Zeigefinger erhob, nicht einmal ich konnte ahnen, wie übel es in den letzten Zügen dieser Spielzeit noch werden würde. Auf einem gesicherten Tabellenplatz im Mittelfeld sollte der VfB stehen, damit es gegen Mainz und auch Wolfsburg um nichts mehr geht als um ein wenig Kosmetik, die uns die schlimme Hinrunde zumindest zum Teil vergessen lässt. Doch als die Chance gekommen war, schaute der VfB nur dabei zu, versteinerte, winkte hinterher und realisierte erst zu spät, dass man hätte auf den Zug aufspringen müssen, als man noch die Möglichkeit dazu hatte.

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Habe ich mit Punkten gegen den Tabellenzweiten gerechnet? Nein, nicht zwangsläufig. Bin ich trotzdem enttäuscht? Dafür gibt es keine Worte, angesichts des während der Partie immer deutlicher werdendem Lustlosigkeit, frei von jedem Kampf und Willen, das Ruder doch noch umzureißen. Dass man sich dabei zumindest eine Halbzeit lang mit den gegebeben Mitteln recht gut gewehrt hatte, wurde allerspätestens mit dem dritten Tor zunichte gemacht.

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Was also ist es, was mich am Tag danach die meiste Überwindung kostet, diese Zeilen zu schreiben? Die Emotionslosigkeit einer Mannschaft, die alles vergessen hat, was sie noch vor gut zwei Monaten auf beeindruckende Art und Weise ausgezeichnet hatte? Das fatale Restprogramm, das auf den ersten Blick zwar machbar, aber auf den zweiten Blick wie ein Sargnagel wirken kann? Oder sind es nicht doch vielmehr die Fans, die sich mit dem dritten Gegentor nach nur 56 Minuten in eine Hülle des Schweigens hüllten, die Fahnen einrollten und der Mannschaft mit einem schallenden Pfeifkonzert auf eine indiskutable Leistung antworteten?

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Wie ein Damoklesschwert

Woran soll man sich jetzt nur festhalten und sich daran aufrichten? Viel gibt es nicht, was für uns spricht, außer unserem Tabellenplatz oberhalb des Striches und des zumindest von den Namen her besseren Kaders. Wer weiß, vielleicht werde ich im Sommer mit einem leicht gequälten Lächeln auf diese Tage im April zurückblicken und sagen, dass es der VfB auch ein weiteres Mal geschafft hatte und dass all meine Sorgen unbegründet waren. Wieder einmal. Ich würde Erleichterung verspüren, sagen, wie eng es am Ende war und dass ich so etwas nie wieder erleben möchte. Wieder einmal.

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Man könnte fast meinen, der VfB wäre dazu verdammt, die Fehler aus der Vergangenheit so lange zu wiederholen, bis er eines Tages tatsächlich den bitteren Gang in die zweite Liga antreten muss. Nach all den letzten Jahren dürfte es die wenigsten überraschen, wenn es eben am letzten Spieltag nicht mehr zu drei Vereinen reicht, die sich schlicht und ergreifend noch dümmer angestellt haben als der VfB. Doch wo sind die Lehren daraus, die man nach jedem knappen Klassenerhalt gezogen haben mag, wie man uns Fans weis machen wollte?

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Was bleibt, ist jenes dumpfe Gefühl der Ungewissheit, das Damoklesschwert, das über dem VfB schwebt. Ob es der VfB eines Tages schafft, den ewigen Kreislauf des Abstiegskampfs zu durchbrechen und tatsächlich wieder in geordnete Bahnen zu gelangen, das werden wir wohl oder übel abwarten müssen. Wer jedoch noch im letzten Sommer dachte, es würde sich alles zum Guten wenden, sah sich schnell getäuscht. Und da zähle ich mich genauso mit dazu.

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Höchste Anspannung

Zum Wochenende legte der Frühling eine abrupte Pause ein, statt 17 Grad und Sonnenschein mussten wir uns mit einstelligen Celsiuswerten und Nieselregen begnügen. Vielleicht gar nicht so schlecht, zeigte der VfB doch bisher bei schlechtem Wetter die bessere Leistungen. Obwohl, man kann sich natürlich auch alles schönreden, nicht wahr? Der frische Wind wehte uns um die Nasen, als wir uns durch die Menschenmassen hindurch zum Stadion schlängelten.

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Viele Schwarz-Gelbe säumten unseren Weg, nichts anderes war zu erwarten bei im Schnitt gut 6.000 Dortmunder Fans bei den Partien in Stuttgart, heute waren es dem Vernehmen nach gut 5.000 gewesen, abzüglich derer, die am Cannstatter Bahnhof in Gewahrsam genommen worden sind. Merklich angespannt war die Stimmung am Stadion, aufgekratzt wie immer, wenn die Borussen zu Gast sind. Höchste Aufmerksamkeit auf alles, was um einen herum passiert, es wog mehr als die Anspannung wegen des Spiels an sich.

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Da stand ich nun vor den Toren des Stadions, beobachtete die Menschen um mich herum, sah ihnen in die Augen und lauschte den angespannten Gesprächen um mich herum. Viel Optimismus zum sportlichen Ausgang der Partie vernahm ich nicht, doch weit entfernt von jener allgemeinen Hoffnungslosigkeit, die für mich ganz persönlich schon eher ein Problem darstellt. Hinein also ins Stadion, vorbei an den Sicherheitskontrollen, vorbei an den Plakaten, die zum aufopferungsvollen Support aufgerufen hatten.

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Noch in eigener Hand

Mit dem Rücken zum Spielfeld plauderte ich mit meinen Freundinnen Isabell und Mareike, über das anstehende Spiel, die Pein von Augsburg und über den mehr als düsteren Ausblick auf die letzten paar Spiele, die hoffentlich ein weiteres Mal für den VfB den Klassenerhalt bedeuten würden. Die Kurve füllte sich, wie auch die anderen Tribünen, man sichtete auf der Haupttribüne mehr Schwarz-Gelbe, als einem lieb sein konnte.

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Falls die Borussia mal einen schlechten Tag erwischt, kann hier durchaus ein Punkt drin sein. Das Problem war nur: im Umkehrschluss bedürfe das eines guten Tages vom VfB. Und da ging die Wahrscheinlichkeit tendenziell gegen Null, woher soll auch das Selbstvertrauen kommen nach dieser überaus schändlichen Darbietung gegen Augsburg? Ein beklemmendes Gefühl, zu wissen, dass man zum Ende der Saison höchstwahrscheinlich wieder einmal von Anderen abhängig ist. Noch hat es der VfB selbst in der Hand. Mit Betonung auf „noch“.

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Seit gut 12 Stunden sitze ich nun hier, winde und quäle mich geradezu. Der Plan war gewesen, früh aufzustehen, schnell zu schreiben und dann spätestens vor der Partie der Frankfurter gegen Mainz fertig zu sein. Ich wusste, dass mich ein Sieg der Frankfurter weiter im Schreiben bremsen würde, doch hat mich das etwa besser motiviert, meine Finger über die Tasten fliegen zu lassen? Nein, im Gegenteil, der Frust lenkte mich ab, trieb mich in die sozialen Netzwerke und ließ mich mehr und mehr in Trauer versinken. Es sieht düster aus.

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Letzte Ausfahrt Relegation?

Eigentlich will ich gar nicht über das Spiel schreiben. Bei jedem Versuch, die Highlights des Spiels noch einmal anzusehen, verharre ich, gerate mit meinen Gedanken ins Abseits und tue alles, nur nichts Konstruktives zur Fertigstellung dieses Spielberichts. Beinahe so wie bei unliebsamen Hausausgaben, von denen man weiß, dass man sie machen muss, sie aber nicht macht bis zur letzten Nacht vor der Abgabe. Genau so fühlt es sich an, nun hierzusitzen und über etwas schreiben zu „müssen“, von dem man wünschte, es hätte den Frust nicht noch weiter geschürt.

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Als ich am Donnerstag mit Freunden und Bekannten beim Twitter-Stammtisch in Carls Brauhaus am Schlossplatz saß, brachte ich ein Tabellentippspiel mit, jeder sollte seine Tipps für die letzten vier Spieltage eintragen und die Tabelle am letzten Spieltag tippen. Die meisten sahen schwarz für das Spiel des VfB gegen die starken Borussen, 1:4 hatte mein Tipp gelautet, eine Mischung aus naheliegendem Realismus und einer Portion Abstiegsangst. Am Ende sagten drei den Relegationsplatz voraus, darunter auch ich.

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Mit ein wenig Unbehagen beobachtete ich, wie die Mannschaften um kurz vor halb vier den Rasen betreten hatten. Mein Blick wanderte zur Anzeigetafel über der Untertürkheimer Kurve, beim besten Willen konnte ich mir nicht vorstellen, dass es lange 0:0 stehen würde. Doch wer weiß das schon so genau? In den letzten Heimspielen gegen Dortmund wehrte sich der VfB auch immer tapfer und verlor dennoch, mehr als einmal in den letzten Jahren überaus grausam und schmerzhaft. Letzte Saison resultierte es in einer Aussprache vor der Kurve, hochemotionale Szenen, die wohl am Ende den Ausschlag zum gemeinsamen Klassenerhalt gegeben haben.

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Nicht einmal gegen eine C-Elf

Nicht einmal der Ausfall von Pierre-Emerick Aubameyang konnte mir viel Zuversicht geben, dass vielleicht doch etwas geht gegen die ersatzgeschwächte Dortmunder Mannschaft. Um etwas zu holen, bedarf es Mut, Kampfgeist und Cleverness – damit prahlte unsere Mannschaft zuletzt nicht unbedingt, im Gegenteil. Was uns einst stark machte, brach auseinander und legt nun schonungslos dar, was in den letzten Jahren alles falsch gemacht wurde.

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Vielleicht hätte es noch schlimmer kommen können, wenn Marco Reus freistehend vor Przemyslaw Tyton ins Tor getroffen hätte statt knapp vorbei, wir werden es nie erfahren. Nach „locker angehen“ sah es nicht aus, und während sich die Kurve Mühe gab, das Beste für die Mannschaft herauszuholen, wollte der Support trotz allem nicht richtig in die Gänge kommen. Es ist fast so, als seien Teile der Kurve der bedingungslosen Unterstützung überdrüssig, gerade in den Randblöcken schwindet die Beteiligung am aktiven Support mehr und mehr.

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Es gab Zeiten, da war das anders, beispielsweise in den letzten beiden Heimspielen der vergangenen Saison, als man gegen Hamburg und Mainz alles gab. Kann man sich in dieser Spielzeit noch einmal darauf besinnen? Um es gemeinsam zu schaffen, bedürfe es allerdings eines verbindlichen Versprechens zwischen Mannschaft und Fans. Klar ist, dass man es nur gemeinsam schafft, doch wie will man Gemeinsamkeit schaffen, wenn der Graben zwischen beiden Seiten schon viel zu weit aufgerissen ist?

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Engagierte erste Minuten

Es wäre gelogen, zu sagen, der VfB wäre von der ersten Minute an ohne jede Chance gewesen. Sie mühten sich, rannten, kämpften, mehr als gegen Augsburg eine Woche zuvor. Dass sie dem physischen Druck des Tabellenzweiten nicht gewachsen waren, wurde dennoch schnell deutlich, unter den Augen des ausverkauften Neckarstadions legte sich der BVB den VfB Stück für Stück zurecht, genau so, wie sie es gerne gehabt hätten.

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Sie nutzten ihre eigenen Chancen nicht und mussten dann aber doch den Rückstand hinnehmen. Viel zu simpel ausgekontert, und warum Federico Barba bei seinem Bundesligadebüt noch den Fuß zurückzog, weiß ich auch nicht. Wirklich überrascht war ich nicht, doch war die Hoffnung noch da, sie würden aufwachen, sich stärker zur Wehr setzen, früher auf den Ballführenden draufgehen und eben all das rausholen, was sie vor zwei Monaten noch ausgezeichnet hatte.

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Wir warteten. Und warteten. Und warteten. So lange, bis schon am Ende des ersten Durchgangs die Kräfte schwanden und wir zusehen mussten, wie sie zunehmend leichte Beute wurden. Shinji Kagawas Tor nach 21 Minuten hatte Spuren hinterlassen und während zahlreiche Dortmunder Fans auf den Tribünen aufgesprungen waren, schwiegen in den Randblöcken mehr und mehr Zuschauer, gezeichnet von Enttäuschung und dem verletzten Vertrauen in die Fähigkeiten eines VfB, der für viele doch eigentlich schon im sicheren Fahrwasser war.

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Mit dem Rücken zur Wand

Die Kritik an allen Mannschaftsteilen auf und neben dem Platz wird stetig lauter, darunter auch in Richtung unseres Keepers, der uns womöglich noch vor Schlimmeren bewahrt hat. Ein paar Dinger hatte er bravourös herausgeholt, doch wenn du das Spiel am Ende trotzdem (hoch) verlierst, wie will sich da jemand an die eine oder andere Glanztat erinnern? Nicht frei von Hoffnung auf den überraschenden Ausgleich, doch als ich hier in der Kurve stand, fühlte es sich nicht an wie vor einem Jahr, als ein einzigartiges Gemeinsamkeitsgefühl uns alle laut herausschreien ließ, bis zum letzten Atemzug.

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Sie haben uns müde gemacht, die Jahre im Abstiegskampf. Wer in fünf Jahren vier Mal gegen den Abstieg spielt, der muss sich nicht wundern, wenn es eines Tages nicht mehr ausreicht, auf die Patzer der anderen zu hoffen. Wer sich auf andere verlässt, der ist oft selbst verlassen, das hätte die Mannschaft doch wissen müssen. Warum also blutleere Auftritte gegen Augsburg und teilweise auch gegen Darmstadt und Ingolstadt? Machbare Punkte ließ man leichtfertig liegen und steht nun hier und heute da und weiß nicht wirklich, wie das alles nur passieren konnte.

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Das Lächeln ist mir vergangen seit dem gestrigen Nachmittag. Nichts vermochte meine Laune aufzuhellen, kein nettes Wort von Felix, keine aufbauenden Nachrichten von Freunden, keine Trost spendenden Beiträge in den sozialen Netzwerken. Es fühlt sich fast so, als sei man bereits abgestiegen, dabei hat man noch drei mehr oder weniger machbare Spiele vor der Brust. Doch die Hoffnung schwindet immens, genau wie das Vertrauen in die Mannschaft, die jeden Matchball bisher vergeben hat.

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Aus und vorbei

Eine gehörige Halbzeitansprache, vielleicht geht ja dann noch was? Nicht einmal mit dem einen Gegentor in die Pause zu gehen, war uns vergönnt, einen Abklatscher von Przemyslaw Tyton netzte Christian Pulisic zum 0:2 ein. Diese lähmende Stille in der Kurve, die jubelnden Dortmunder vor der Nase und das Wissen, dass das wohl heute eher nichts mehr wird, und wenn doch, wäre dafür ein Wunder nötig. Das selbe Wunder, das uns noch vor dem Abstieg retten soll? Ich weiß es nicht.

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Zu groß war die Hypothek, die der VfB da in die Pause nehmen musste, um mich herum glaubten wohl nur noch die Allerwenigsten an einen halbwegs positiven Ausgang dieser grausamen Partie. Die Gemüter hingen schwer, zumindest dort, wo ich in der Kurve stand. Doch auch in den Innenblöcken der Kurve verstummten die letzten Stimmen spätestens zehn Minuten nach Wiederanpfiff, als der völlig ungedeckt freistehende Henrikh Mkhitaryan einen weiteren Abpraller zum 0:3 verwerten konnte.

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Aus und vorbei. Vor anderthalb Jahren holte man nach einem 0:3-Pausenstand gegen Leverkusen noch ein 3:3, doch von dieser Mentalität war diese Mannschaft meilenweit entfernt. Spätestens jetzt fiel die Mannschaft in sich zusammen und glaubte nicht mehr daran, hier noch entscheidend eingreifen zu können, eine Lustlosigkeit, die sich auch in der Stimmung des Stadions wiederspiegelte. Die Fahnen hörten auf zu wehen, obwohl es in einem unserer Lieder heißt, sie würden immer wehen, solange wir in der Kurve stehen.

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Das Schweigen der Lämmer

Als wäre das alles nicht schon niederschmetternd genug gewesen, die hämischen Gesänge eines dezimierten Gästeanhangs gaben uns den Rest: „2. Liga, Stuttgart ist dabei“, laut und deutlich hörbar aus der anderen Ecke des Stadions, da hatte es nicht mal die Ultras gebraucht. Ein voll und ganz gebrauchter Tag und wie sich im zweiten Sonntagsspiel zeigen sollte, nahezu das gesamte Wochenende. Nicht, dass man wirklich mit einer Sensation rechnen konnte, der die Bayern damit vorzeitig zum Deutschen Meister gemacht hätte, nein, es war ein weiteres Mal die Art und Weise.

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So schwieg die Kurve und verharrte in Frust, angesichts des Spielstands, angesichts der deprimierenden Ausgangslage, angesichts der mehr als trüben Aussichten für die letzten drei Spiele. Es zog sich eine Ewigkeit hin und wenn Przemyslaw Tyton nicht noch den einen oder anderen Ball abgewehrt hätte, es wäre nur noch demütigender geworden. Das alleine ist aber mit Sicherheit kein Trost für eine im zweiten Durchgang chancenlose und mutlose Darbietung.

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Manche meinen, man könne ihnen keinen Vorwurf machen, sie könnten es eben nicht besser. Vor zwei Monaten erst zeigten sich uns aber: sie können es besser. Viel besser. Das Pfeifkonzert nach Abpfiff war schallend, ein letzter Weckruf, bevor womöglich alles den Bach hinunter geht. Bis zur Strafraumgrenze, keinen Schritt weiter. Erinnerungen wurden wach, als an gleicher Stelle hochemotionale Szenen stattgefunden hatten. So auch dieses Mal, nur sehr viel frustrierender als einst. Die Stimmung war endgültig gekippt.

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In Bremen zum Siegen verdammt

Fassungslos stand ich da und wusste nicht, wie mir geschah. Mit einem Kloß im Hals musste ich tatenlos mit ansehen und anhören, welche Gesten der emotionslosen Mannschaft entgegenschlugen und welchen akustischen Hass sie auf ihrem Weg in die Kabine mitnehmen mussten. Sie hatten es selbst verbockt. Ein sinnbildliches Pfeifkonzert für die letzten Wochen, nicht einmal nur wegen dieses Spiels alleine. Ohne jede Not ließ man sich wieder hinten reindrücken. Wer will uns da die Reaktion verdenken?

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Schon lange bevor Schiedsrichter Daniel Siebert dem Leiden ein Ende gesetzt hatte, machten sich zahlreiche VfB-Fans bereits auf dem Weg nach Hause. Nicht etwa nur alleine auf Haupt- und Gegentribüne, auch in der Kurve klafften bereits große Löcher. Wie tief waren wir bereits gesunken, wenn schon die Treuesten der Treuen das Weite suchen? Lange stand ich noch da, bis der Ordnungsdienst mich weniger freundlich zum Verlassen des Blocks drängte. Ein Teil von mir wollte schnell weg, der andere Teil wusste aber nicht, wohin. Der VfB steckte in einem Loch fest, das immer größer wurde und droht, uns zu verschlucken.

Vor den Toren des Stadions sah ich in die enttäuschten Augen meiner Freunde, in frustrierte Gesichter und vernahm nichts anderes als Worte der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Es bleibt dabei, der VfB hätte es noch immer in der eigenen Hand. Ob uns diese Tatsache Mut machen soll, steht auf einem anderen Blatt. Wir Fans wissen, dass der VfB nun ohne einen Großteil seiner Fans in Bremen zum Siegen verdammt ist. Das Problem ist nur: Weiß das der VfB auch?

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