Kaum etwas hat in den letzten Wochen so polarisiert wie die Ansetzung unseres Auswärtsspiels. Eigentlich sollte ich heute Abend in Bremen sein, im Gästeblock, da, wo ich hingehöre, um meine Mannschaft im wohl wichtigsten Spiel der Saison zu unterstützen. Stattdessen bin ich in Stuttgart geblieben – wie viele andere meiner Freunde, Bekannte und Weggefährten auch. Sie alle sitzen in diesem Moment im Büro, zuhause auf der Couch, auf der Terasse oder dem Balkon, mit flauem Gefühl im Magen und dem Gedanken, man solle jetzt eigentlich in Bremen sein.

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Drei Minuten haben uns gefehlt. Drei Minuten hätte Borussia Dortmund im Europapokalspiel gegen Liverpool noch durchhalten müssen und unser Auswärtsspiel in Bremen hätte an einem sonnigen Samstag stattgefunden. In der ersten Minute der vierminüten Nachspielzeit passierte es dann, Liverpool drehte das Spiel, warf Dortmund aus dem Pokal und ließ nicht nur die eigenen schwarz-gelben Fans in einem Schock zurück, sondern auch jene Brustringträger, die sich der Konsequenz dieses Ausscheidens ganz genau bewusst gewesen sind.

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Somit blieb es bei der Ansetzung am Montagabend. An diesem Montagabend. In gut zwei Stunden beginnt die Partie im Weserstadion, die den 32. Spieltag komplett machen wird. Ein befremdliches Gefühl, denn tausende jener Fans, die in diesen Minuten den Gästeblock betreten würden, bleiben fern. Unfreiwillig und mit gebrochenem Herzen. Mir geht es nicht anders wie vielen Anderen, die schweren Herzens ihre Reise nach Bremen ad acta legen mussten.

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Mobil gegen Montagsspiele

Dass dieser Zeitpunkt alles andere als gut ist, ist uns bewusst. Doch sollen wir uns das jetzt ankreiden lassen? Würde es nicht im Umkehrschluss heißen, es hätte mit voller Unterstützung in Ingolstadt, Darmstadt oder Augsburg besser geklappt? Ob und inwieweit die Mannschaft tatsächlich von unserer Unterstützung beflügelt wird, kann keiner von uns so recht sagen. Ändern können wir es nicht, wir können nur hoffen, dass die Mannschaft nachvollziehen kann, dass der Boykott nichts mit den nachlassenden Leistungen der letzten Wochen zu tun hat, sondern unsere Form des Protestes ist: wir lassen nicht alles mit uns machen!

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Als vor gut einem Monat entschieden wurde, dem Spiel fernzubleiben, sofern es an besagtem Montag stattfindet, versetzte es mir einen Schlag in die Magengrube. Wirklich anzufreunden vermochte ich mich mit diesem Boykott nicht, schade es doch in erster Linie der Mannschaft und ruiniert meine 34er-Saison. Lange habe ich gehadert, es wäre mir ja freigestellt gewesen, die Reise zumindest alleine auf mich zu nehmen. So groß die Versuchung war, die Mannschaft trotz allem im hohen Norden zu unterstützen, dennoch blieb ich heute daheim.

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Um unserem Protest Ausdruck zu verleihen, rief die Fanszene unsere Vereins zur gemeinsamen Demonstration am 1. Mai auf, der Treffpunkt am Cannstatter Bahnhof wurde auf 13 Uhr mittags festgesetzt. Wieviele wohl kommen würden? Enden sollte der Marsch am Trainingsgelände, wo die Mannschaft beim Abschlusstraining lautstark und farbenfroh von jenen verabschiedet werden sollte, die in dieser Saison schon tausende Kilometer für den VfB auf sich genommen hatten und sich trotzdem entschieden, schweren Herzens daheim zu bleiben. Auch Felix und ich gehörten dazu.

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Erst protestiert, dann supportet

Es hatte etwas von der alljährlichen Karawane, traditionell vorm ersten Heimspiel einer jeder Saison, zu tausenden zieht man durch die Straßen und eröffnet damit die Heimsaison. Da standen wir nun, wir Fanfotografen, in Reih und Glied mit dem Gesicht zur sich aufbauenden Masse gewandt. Schritt für Schritt in Richtung Stadion, Foto für Foto, begleitet von unzähligen Liedern, die die hanebüchene Ansetzung am Montagabend thematisierten.

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Angekommen am Stadion stürmte man geradezu das Trainingsgelände, bezog Stellung neben dem Rasen auf den Stufen, die bei den Trainingsterminen sonst nur von wenigen Schaulustigen und einigen Stammkiebitzen besucht sind. Der Mannschaft den letzten Impuls für das immens wichtige Spiel in Bremen mitgeben, dass war unser Bestreben. Wenn wir schon selbst nicht nach Bremen fahren, um sie im Weserstadion zu unterstützen, dann lassen wir sie wenigstens wissen, dass wir hinter ihnen stehen.

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Gänsehaut. Es waren emotionale Momente, als das wohl bestbesuchte Training der Saison stattfand. Kein Tag wie jeder andere, doch besondere Situationen erfordern eben besondere Maßnahmen. Die Vorsänger der Kurve ergriffen das Mikrofon, richteten aufbauende und motivierende Worte an die Mannschaft und den Trainerstab, begleitet vom tosenden Support jener, die sonst in jedem Spiel hinter der Mannschaft stehen. Wir kehrten heim im Gefühl, den letzten Impuls gegeben zu haben, würde dies nichts helfen, wäre es ohnehin zu spät.

Nachtrag vom Mai 2016: Es war zu spät. Am Tag danach verlor der VfB mit 2:6 in Bremen und musste zwei Wochen später den Gang in die zweite Liga antreten.

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