Ihr alle, die ihr da draußen seid und diese Zeilen lest. Ihr alle, die ihr dem Brustring gewogen seid und euer Herz für diesen Verein gegeben habt. Ihr alle, die ihr mit mir in der Kurve gestanden seid und genau wisst, wie ich empfinde. In diesen Tagen eint uns alle das gleiche Gefühl: jene schmale Gradwanderung zwischen hoffnungsvoller Euphorie und vorsichtiger Skepsis, diese bizarre Mischung, Hoffnung geschöpft zu haben, obwohl man das nicht wollte.

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Der VfB hat gewonnen. Gegen den Tabellenführer. Und zwingt mich dazu, ganz neue Sichtweisen zu entwickeln, nämlich die, was ist, wenn das alles doch keine so schlechte Idee war? Was, wenn das Chaos rund um den zurückgetretenen Jos Luhukay die einzige Möglichkeit war, neue Wege zu beschreiten, seien sie auch so ungewöhnlich, mutig und riskant? Was, wenn das alles doch zu irgendetwas gut war? Unheimlich viele Gedanken wabern durch meinen Kopf, hin- und hergerissen zwischen zwei Seiten. Lähmt mich der Gedanke an das, was möglich sein könnte und lässt mich vergessen, was vorher war?

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Ein kleines Teufelchen sitzt mir auf der Schulter, schüttelt mit dem Kopf und flüstert mir unentwegt zu: „Wart es doch einfach erst einmal ab“. Wart ab, bis diese Spielzeit fortgeschritten ist. Wart ab, bis das tatsächliche Können der Mannschaft zu Tage getreten ist. Wart ab, bis die Zeit reif ist, eine vorsichtige Prognose zu warten. Seltsam, wie ich bei vermeintlich positiven Entwicklungen zögere und an anderen Tagen kein gutes Haar an meinem doch eigentlich so sehr geliebten Verein lasse. Was über Jahre verloren ging, geht nicht in wenigen Spielen wiederherzustellen. Vertrauen muss her. Auf allen Seiten.

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Bewegte Zeiten

Eine turbulente Woche liegt hinter uns. Der als Aufstiegsgarant gehandelte Jos Luhukay tritt zurück und steckte nach der Niederlage gegen Heidenheim in einem unausweichlich wirkenden Sumpf des Chaos. Zweifel wurden laut, dass es bei einer einzigen Zweitligasaison bleiben würde, nicht, weil man das Spiel verloren hatte, vielmehr, weil dieser Verein einfach nicht zur Ruhe kommen will. Es folge ein knapper, aber dafür umso lauter bejubelter Sieg in Kaiserslautern unter Interimstrainer Olaf Janßen und am Dienstagnachmittag sollte das Spiel gegen die Tabellenführer aus Braunschweig eine erste Standortbestimmung sein. Mir schwante Böses. Doch das ist ja auch nichts Neues.

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Die gezeigten Leistungen von den Spielen gegen Heidenheim und Kaiserslautern würden nicht ausreichen für die Braunschweiger, die derzeit mit fünf Siegen in der 2. Liga vorneweg marschieren. Wie sollte man da also gewinnen? Wie sollte man einer Mannschaft beikommen, die bisher erstaunlich ruhig agiert, die homogen ist und sich eines b(od)e(n)ständigen Trainers erfreuen kann? Die Zeiten waren für die Blau-Gelben auch nicht immer einfach, doch in dieser Saison haben sie einen guten Start erwischt, sie zeichnete aus, was dem VfB bisher fehlte: Konstanz.

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Wie sehr ich mich doch nach Ruhe in diesem Verein sehne. Entspannte Zeiten, ein leidenschaftliches und versöhntes Publikum, eine kämpfende Mannschaft, solide Leistungen und ein Trainer an der Seitenlinie, der Gespür für all das mitbringt und länger als ein Dreivierteljahr sein Amt begleiten darf. Wie wäre das schön, nicht wahr? Ich möchte wieder Spaß am Fußball haben, möchte mir sicher sein, dass mein Verein nicht binnen vier Wochen wieder in völliger Unruhe versinkt und möchte am Ende des Tages sagen können, dass ich den handelnden Personen vertraue. Doch ich bin gehemmt – wie viele von euch auch.

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Ende mit Schrecken oder Schrecken ohne Ende?

Viel habe ich geschrieben, darüber, keine Lust mehr zu haben, es an manchen Tagen ein Stück weit zu bereuen, die ewigen Enttäuschungen leid zu sein. Und noch heute stehe ich da, jedes Mal mit erhobener Faust und dem Finger auf dem Auslöser meiner Kamera. Das macht mein Leben aus. Hier zu sein, mit geschätzten Freunden und treuen Wegbegleitern, in der Cannstatter Kurve, daheim und auch auswärts. Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, ein Auge für euch zu sein, euch zu zeigen, wie leidenschaftlich der Fußball sein kann, in den ich mich einst verliebt hatte.

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Wäre es nicht bedauernswert, wenn diese Liebe irgendwann nicht mehr ausreicht? Auf der Suche nach Freude harre ich der Dinge. Hin und wieder glaubte ich, ein Ende der Leidenszeit für uns VfB-Fans wäre in Sicht, befreit brachen wir zu neuen Ufern auf, mit stolzgeschwellter Brust, pochenden Herzen und mit mutigem Blick – nur um festzustellen, dass es eine weitere Sackgasse war. Läuft es ein paar Spiele recht annehmbar beim VfB, wird man schnell misstrauisch. Man traut dem Frieden nicht, man traut sich selbst nicht, denn ein Teil von uns sehnt sich unaufhörlich nach dem, was wir schon viele Jahre nicht mehr erleben durften: ruhige Zeiten.

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Mit dem Rücktritt von Jos Luhukay dachte ich, dass dieser Frieden erneut in weite Ferne gerückt ist, doch ob er das wirklich ist, werden wir in wenigen Wochen erneut beurteilen müssen. Fürs erste gilt es, den Schwung auszunutzen, denn vier Siege in sechs Spielen gab es zuletzt in der Saison 2004/2005, die man als Tabellenfünfter und der Teilnahme am internationalen Geschäft abschloss, lange bevor ich meinen Weg zum Fußball und damit zum VfB Stuttgart fand. Erst ein Jahr später sollte ich erkennen, dass Freude am Fußball ansteckend sein kann. Bis heute bleibt mir diese Zeit, die alles verändert hat, unvergessen.

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Die schwere Bürde eines Absteigers

„Verdammte Anstoßzeiten“ brabbelte ich vor mich hin, als ich mich am Dienstagmorgen todmüde aus dem Bett quälte. Zum ersten Mal in meinem Leben musste ich mir für ein Heimspiel einen halben Urlaubstag nehmen, die hanebüchene Anstoßzeit von 17:30 Uhr hätte ich andernfalls von Renningen aus keineswegs schaffen können. Das Problem hatten auch viele andere, die früher vom Geschäft aufbrechen, Urlaub opfern oder schlichtweg auf das Spiel verzichten mussten. Offiziell waren an diesem Nachmittag 36.800 Zuschauer im Stadion, dabei wurden jedoch alle Dauerkarten mitgezählt, von denen längst nicht alle den Weg nach Bad Cannstatt auf sich genommen hatten.

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Ich habe schon traurigere Anblicke von leeren Rängen gesehen. Gut dreieinhalb Jahre ist es her, da spielte der VfB zuhause gegen den belgischen KRC Genk, Europapokal am Valentinstag, dem Tag der Liebe. Den VfB liebten an diesem kalten Donnerstag nur 15.200 Zuschauer, an weniger Zuschauer kann ich mich persönlich nicht erinnern – jedenfalls nicht, seit ich zum VfB ins Stadion gehe. Vielleicht haben mich die letzten Wochen mit teilweise ausverkauftem Haus, über 7.000 in Sandhausen und über 10.000 in Kaiserslautern verwöhnt gemacht.

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Viele Braunschweiger waren es nicht, anders als im letzten Dezember, als sie zum Pokalspiel angereist waren. Verdenken kann ich es ihnen nicht, diese Anstoßzeiten sind für jeden denkbar ungünstig. Etwas gutes hatte der Anpfiff am Nachmittag dann aber doch: je früher ich daheim sein würde, desto mehr Zeit bliebe mir am Abend für die Aufbereitung der vielen Bilder. Hier und heute galt es also, sich bestmöglich zu verkaufen und im Idealfall den Anschluss an Braunschweig nicht aus den Augen zu verlieren.

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Bruddeln hilft

Viel erwarten wollte ich davon nicht, zu glücklich und knapp war es dafür auf dem Betzenberg. Die letzten Jahre sollten mir aber doch eigentlich gezeigt haben, dass diese Mannschaft für Überraschungen gut ist – positiv wie negativ. Die Reihen füllten sich nur langsam, der Oberrang der Gegentribüne blieb jedoch geschlossen, ebenso wie der Oberrang und ein Teil des Unterrangs in der Untertürkheimer Kurve. Zumindest auf die Kurve war wieder Verlass, zwar wurde es an den Seitenblöcken merklich dünner, doch was uns an Schlagzahl fehlt, wollten wir mit Leidenschaft und Lautstärke wieder wett machen. Soviel zur Theorie.

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Vor 36.800 Zuschauern liefen sie also ein, wobei es zum Anpfiff noch weit weniger gewesen sein dürften als beim Abpfiff. Große Sorgen musste ich mir in den ersten Minuten noch nicht machen, wirklich viel zugelassen hatte der VfB zunächst nicht, wenngleich er auch nicht von Beginn an gleich besser spielte als erwartet. So schlecht sah das bisher gar nicht aus, doch nach hinten offenbarten sich weiterhin katastrophale Mängel. Alexandru Maxim trat zum Eckball an, kaum beachtet von mir, zu beschäftigt war ich damit, mich über Toni Sunjic zu ärgern – der just in diesem Augenblick den Eckball über die Torlinie buchsierte.

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Huch?! Was war denn hier los? Nach 18 Minuten führte der VfB bereits, nicht mehr als eine Momentaufnahme und alles andere als ein Anlass für verfrühte Freuden, aber so wirklich erwartet hatten das die allerwenigsten. Einen kurzen Moment ballte ich die Faust, lächelte milde aufs Spielfeld hinaus, doch sobald ich mich bei dem Gedanken daran erwischte, wie schön es wäre, hier gegen Braunschweig zu gew… nein. Nein, erst einmal abwarten. Sie haben zu viele Punkte schon ohne jede Not hergeschenkt, haben späte Ausgleichstreffer erdulden müssen oder stellen nach dem Führungstor gleich ganz jegliche Arbeit ein. Alles schon gesehen.

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Schlimme Erinnerungen ans letzte Ligaspiel

So viel Zeit galt es noch zu überstehen, bis wir wissen würden, ob wir die drei Punkte und den aktuellen Platz zwei in der Zweitligatabelle behalten dürfen, da ist Vorsicht angebracht. Überbewerten wollte ich das frühe Tor auf keinem Fall, aber in diesen Momenten konnte ich etwas sehen, was jeder VfB-Fan, der das Spiel verfolgte, mit anschauen konnte: Takuma Asano und Hajime Hosogai, zwei, die sich offensichtlich gesucht und gefunden haben. Wenn sie das, was sie hier zeigten, so beibehalten können, man könnte noch so viel Freude mit den beiden Japanern haben.

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Geht da was gegen den Tabellenführer? Das Stadion reagierte, sing lauter und eifriger, hüpfte und klatschte, zwar noch weit entfernt von der Stimmung gegen St. Pauli, doch lauter als wir es in manchem tristen Erstligajahr vor zwei Drittel Zuschauern erlebt haben. Und auch die Mannschaft machte das gut, schien die richtigen Mittel zu finden gegen die anrennenden Braunschweiger, doch wer weiß, was noch alles passieren kann. Gebannt wandte ich mich immer wieder der Kurve zu, die bisher nicht darauf schließen lässt, dass der geliebte Verein abgestiegen war. Auch wir begreifen es als Chance: Lasst uns stärker zurückkommen als je zuvor!

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Bisher bestätigte sich nicht der dunkle Verdacht, den ich vor dem Spiel hegte, denn die Erinnerung an das Heimspiel vor zweieinhalb Jahren ist noch da. Damals musste man kurz vor Abpfiff das 2:2 hinzunehmen, es war die letzte Chance für Thomas Schneider gewesen, sich zu bewähren, am nächsten Tag wurde er entlassen. Bevor man diese Entscheidung traf, forderte die Kurve die Verantwortlichen auf, sich zu stellen. Das Stadion war längst leer, als sich der Vorstand zeigte, beschwichtigen wollte, auch die damaligen Führungsspieler stellten sich. Nur knapp entging man dem Abstieg, noch knapper im Jahr danach, bevor es im Jahr danach für alles zu spät war.

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Acht zu Eins

Vor einigen Tagen hatte die Statistik des Grauens bei Twitter um sich gegriffen. Einer von meinen Freunden aus dem VfB-Netzwerk der Social Media Plattform, machte sich die Mühe, alle Trainer aufzuzählen, die der VfB seit diesem Tag beschäftigt hatte und wieviele Trainer Eintracht Braunschweig beschäftigt hatte. Zumindest hier schlugen wir die Niedersachsen deutlich mit 8:1: Thomas Schneider, Huub Stevens, Armin Veh, nochmal Huub Stevens, Alexander Zorniger, Jürgen Kramny, Jos Luhukay und Olaf Janßen. Auf der anderen Seite: Torsten Lieberknecht, damals wie heute.

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Zwar offenbarten sich nachwievor die Mängel im Spielaufbau und die Konzentrationsschwächen bei gegnerischen Angriffen, doch eine deutliche Steigerung zu den vergangenen Spielen war klar erkennbar. Hier habe ich schon so viele Emotionen miterlebt, die wilden Emotionen eines gedrehten Spiels, die markerschütternde Erleichterung eines Sieges in letzter Minute, die pochenden Herzen wenn die ganze Kurve im Takt hüpft, den zerreißenden Schmerz bitterster Niederlagen, gellende Wut bis hin zur zerstörerischen Ironie. Ich weiß also: wird die Mannschaft mit Applaus in die Kabine verabschiedet, kann das durchaus etwas bedeuten.

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Viele Freunde und Bekannte drückten sich zur Halbzeitpause an mir vorbei nach draußen, manche von ihnen mit weit aufgerissenen Augen und den Worten „Ziemlich gut bisher“, andere von ihnen mit einem Lächeln samt wohlwollendem Nicken. Jeder bekam von mir die gleiche Antwort, das beschwichtigende Ausbreiten der Handflächen, das zaghafte Wippen des Kopfes und ein geleiertes „Najaaaaaaa, abwarten!“. Noch war eine ganze Halbzeit zu spielen, um unseren Herzen den Dolchstoß hineinzujagen, hatte der VfB schon deutlich weniger gebraucht.

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Sturm und Drang

Hätte ich doch nur meine verdammte Klappe gehalten. Habe ich es beschrien, als ich laut aussprach, was ich für den zweiten Durchgang des Spiels befürchten würde? Dass Torsten Lieberknecht seiner Mannschaft einen Einlauf verpasst und sie stärker aus der Kabine kommen, während der VfB ganz gerne mal einschläft, wenn er in Führung liegt und sich seiner Sache zu sicher ist? Prompt rannten sie an und scheiterten ein paar Mal in Folge knapp am fehlenden Zielwasser oder eben an Mitch Langarek, der uns am Ende des Tages noch zum Helden reifen würde.

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Eine Viertelstunde liefen sie nur hinterher, ließen den Gästen beängstigend große Räume und schienen damit die nicht unverdiente Führung wieder aus der Hand geben zu wollen. Es sind Dinge, die ich einfach nicht verstehen kann – wenn du nicht stabil genug bist, ein einziges Tor über die komplette Zeit zu retten, warum lässt du so etwas dann zu, oder warum traust du dich nicht, das zweite Tor zu machen? Wir alle haben uns das schon einmal gefragt, nicht wahr?

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Je öfter die Blau-Gelben unterwegs in Richtung Mitch Langerak waren, desto sicherer war ich mir, dass sie für ihr Anrennen belohnt werden würden, weil der VfB eben doch der VfB ist. Wie eine Vision vor meinem inneren Auge sah ich schon, wie sie das Spiel noch herschenken würden, statt mich an der Tatsache zu erfreuen, dass es noch nicht geschehen war. Noch führten wir Gastgeber, für mich allenfalls eine Frage der Zeit. „Rafft euch!“ schrie ich immer wieder hinaus, mitten in das Ohr des Mannes, der vor mir stand und schließlich entnervt (oder taub, oder beides) ein paar Schritte zur Seite machte. Dabei war er gar nicht gemeint, das schwöre ich.

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Ein Kämpferherz belohnt sich selbst

„Sie täten gut daran, jetzt das zweite Tor zu machen, bevor es zu spät ist“ sagte ich und erntete von meinen Nebenstehern wohlwollendes Kopfnicken. Eine Stunde war vorüber, als Interimstrainer Olaf Janßen zum ersten Mal in diesem Spiel wechselte. Für Berkay Özcan war der Arbeitstag vorbei, eine solide Darbietung des Jungspundes. Für ihn kam Kevin Großkreutz, der die letzte halbe Stunde noch einmal alles geben wollte, ein Kämpfer vor dem Herrn, sei er auch spielerisch ein wenig limitiert. Schon jetzt ist er längst zu einem der Publikumslieblinge gereift, oder anders, er scheint sich den Platz mit Alexandru Maxim zu teilen.

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Einer, dem man das Herz auf der Zunge nachsieht und dem man jedes Wort glaubt, wenn er von wahrer Leidenschaft spricht. Vier Minuten später gab er das Vertrauen, das Olaf Janßen in ihn hatte, zurück. Für kaum jemanden freut es mich so sehr wie für Kevin Großkreutz, der eine lange Leidenszeit mit Rückschlägen hinter sich hatten, dessen unbändiger Wille ihm am Ende der vergangenen Saison zum Verhängnis wurde und dem ich so sehr gewünscht hatte, dass er das eine Tor, das er ins falsche Netz gelegt hatte, wieder vergessen macht.

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Nach 64 Minuten traf er zum 2:0, nach einem weiteren Sturmlauf von Takuma Asano auf der rechten Seite landete der Ball über Umwege bei dem ehemaligen Dortmunder, der schon einige Meter zuvor wild mit der Hand gewunken hatte. Ein kurzer Haken, ein Schlenzer und es war vollbracht. Nun freute auch ich mich etwas stärker als beim ersten Tor, hatte ich nun schon deutlich mehr das Gefühl, mit einem Lächeln heimzulaufen. Es war noch nicht vorbei.

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Neue Helden braucht das Tor

Olaf Janßen wird gewusst haben, dass er nochmal reagieren muss und frischer Wind der Partie gut tun würde. Den bisher Besten nahm er vom Feld, den fleißigen Takuma Asano, der vorne wie hinten und links wie rechts zu finden war, dabei ist er erst seit wenigen Wochen im Verein. Gänsehaut machte sich breit, als er das Feld verließ. Kein altgedienter Haudegen, kein jahrelanger Publikumsliebling, nein, ein Neuzugang ließ die Haupttribüne von ihren Sitzen erheben. Stehende Ovationen für Takuma Asano. Wann hat es sowas denn zuletzt im Neckarstadion gegeben?

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Frischen Wind brauchte auch die Kurve, die sich merklich gegen die vielen leeren Plätze stemmen musste, und so sangen wir, lauter als zuvor, schließlich gab es ja allen Grund dazu. Möge unsere Stimmung sich auf die Mannschaft übertragen, ihnen den Rückenwind geben und dafür sorgen, dass nun nichts mehr anbrennt. Leider ging dieser Plan nur bedingt auf, ein paar Mal kamen sie dann doch noch. Mit einem 2:0 ließ sich das schon ein wenig entspannter anschauen, doch wirkliche Ruhe vermochte ich nicht zu verspüren.

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Mein verstohlener Blick auf die Uhr, wann immer ich Angst davor habe, dass uns für große Heldentaten die Zeit davon läuft. Die Zeit war schließlich gekommen, noch nicht für den Abpfiff, aber für den Heldentaten des Mitch Langerak. Ich vermag mir nicht auszumalen, was passiert wäre, wenn er nicht zwei Mal zur Stelle gewesen wäre, als Braunschweig kurz vor Schluss zwei Großchancen hatte und uns der Australier die Punkte gerettet hatte. Die Wahrscheinlichkeit, bei einem Anschlusstor noch ein zweites oder gar ein drittes hinnehmen zu müssen, wäre zu dieser Zeit recht hoch gewesen.

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Der Blick geht nach vorn

Drei Minuten gab Christian Dingert obendrauf. Mit ihm stand ich ohnehin auf Kriegsfuß, ich habe ihm niemals nachsehen können, dass er vor gut sechs Jahren vor heimischer Kulisse gegen Köln einen unberechtigten Elfmeter pfiff. Wie kommen manche Menschen eigentlich darauf, ich sei nachtragend…? Die drei Minuten zogen sich ohne jeden Zweifel wie ein Kaugummi daher, endlos schien die Zeit bis zum Abpfiff zu sein. Pfeif ab! Pfeif ab! Pfeif ab! In meiner rechten Hand hielt ich meine Kamera weit in die Luft gestreckt, in Richtung Kurve, die ihrer Freude im Moment des Abpfiffs Luft machen würde und dies aus tat.

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Es war geschafft. Der vierte Sieg im sechsten Spiel. Keine so arg schlechte Bilanz, und ja, ich werde es zugeben: ich habe es so nicht erwartet. Aber konnte man das denn? Vieles hat vermutlich zu tun mit dem Auswärtssieg in Kaiserslautern, verbunden mit der Tatsache, dass so viele Leute mitgefahren waren und alles gegeben hatten, eine positive Stimmung nahmen wir mit ins Heimspiel, von denen die Mannschaft und das vorübergehende Trainerteam eventuell auch noch zehrte. Die wenigsten dürften traurig sein, dass die Ära Jos Luhukay nur von kurzer Dauer war, doch wie sollte es weitergehen?

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Kurz nach dem Abpfiff wurde aus einem Gerücht, das noch keine 48 Stunden alt war, eine offizielle Bestätigung auf der VfB-Webseite: Hannes Wolf wird neuer Trainer. Jung, unverbraucht, talentiert, offen, authentisch, kompetent. Ein Risiko, ohne jede Frage. Aber wären Markus Gisdol und André Breitenreiter nicht ebenso hohe Risiken gewesen? Was, wenn genau das der richtige Mann ist, mit dem wir aufsteigen und auf in vier Jahren noch an der Seitenlinie unsere innere Ruhe gefunden haben? Was, wenn nun doch alles gut wird? Die Hoffnung, ist da, ohne jede Frage, doch auch die Zweifel, nach vielen gescheiterten Versuchen sei uns diese auch zugestanden. Alles Glück dieser Welt für dich, Hannes Wolf. Du wirst es brauchen.

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