Ich hasse es, wenn ich Recht habe. Ich hasse es, wenn meine schlimmsten Befürchtungen eintreten. Ich hasse es, wenn die Entwicklung genau diese Richtung annimmt, die ich geahnt habe. Ich hasse es, dem VfB dabei zuzusehen, wie er ein Spiel verliert und damit den schönen Vorsprung, den man hatte, geradewegs wieder hergegeben hat. Ich hasse es, mit dem Gefühl allein gelassen zu sein, dass sich unsere Aufstiegshoffnungen fürs erste in Luft aufgelöst haben. Dass noch immer neun Spiele Zeit sind, dieses Polster wieder draufzupacken und das einzige zu tun, was uns weiterhilft – Spiele zu gewinnen – ist mir bewusst. Es kann klappen. Und genau das ist das Problem: es kann nämlich genauso gut noch schief gehen. Ich hasse diesen Gedanken, das könnt ihr mir glauben.

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Eine eiskalte und furchteinflößende Aura umgab mich, als ich noch lange nach Abpfiff auf den kalten Stufen des Stadions. Ich war die Letzte, die übrig geblieben war. Zwölf Ordner standen an den Block-Eingängen und entdeckten mich, wie ich noch da saß, den Blick ins Nichts richtete und starr vor Frust auf dem Boden saß. Keiner von ihnen wollte sich zutrauen, mich zum Gehen zu bewegen, sie standen alle nur da und wussten nicht, was sie tun sollten. Schließlich erbarmte sich einer und begleitet von einem Gesicht, als würde ich ihn auffressen wollen, stand ich Minuten später schließlich auf.

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Noch nie hatten mich unsere Freunde Gerd und Ingrid so erlebt. Nicht einmal in Wolfsburg, als alles vorbei war. Und auch nicht in so mancher finsterer Stunde, in denen der VfB eine erbärmliche Leistung dargeboten, die Punkte liegen und uns Fans geschockt und frustriert zurück gelassen hatte. Alles, was ich in den letzten Wochen und Monaten wollte, war einfach nur der direkte Wiederaufstieg. In diesem Moment fühlte es sich trist und unwirklich an, für mich war klar, dass man hier und heute den Aufstieg verspielt hatte. Natürlich ist er das nicht. Aber vielleicht waren es jene Momente, in denen ich auf den Stufen saß, die mich klar werden ließen, dass es vielleicht nicht klappt. Und das tut weh.

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Eine Frage der Zeit

Die Uhr tickt. Neben mir habe ich mir eine Uhr aufgestellt, auf der anderen Seite der Tastatur steht eine Tasse Husten- und Bronchial-Tee. Vielleicht bin ich das alles bisher völlig falsch angegangen. Wie oft habe ich mir selbst keine Grenzen gesetzt, das erlebte Spiel des VfB schriftlich zu verarbeiten, quälte mich stundenlang selbst mit dem Hinunterschreiben der Emotionen in epischem Ausmaße, nur um mir selber sagen zu können, dass ich euch Anteil nehmen ließ. Dass ich mir damit selbst keinen Gefallen tu, merke ich manchmal erst zu spät.

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Zu später Stunde am Samstagabend sickerte so manche Erkenntnis durch, als ich die Bilder Bilder sein ließ und jeden vermeintlichen Zeitdruck vergaß, mit Gerd, Ingrid und Felix in Weinstadt-Beutelsbach in der Pizzeria saß und wir anstießen auf zwölf tolle gemeinsame Stunden, abzüglich der anderthalb Stunden des Spiels, für das wir nach Franken aufgebrochen waren. Ohne diese abendlichen Stunden wäre ich geneigt zu sagen, dass dieser Tag unterm Strich bescheiden war. Aber das wäre alle anderen gegenüber nicht fair. Denn nur der VfB war hier bescheiden. Und das ist noch denkbar höflich ausgedrückt.

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Dass mich ein beklemmendes Gefühl der Angst zu einem jeden Spiel begleitet, ist nun wahrlich nichts Neues, diese Furcht vor der Niederlage, vor dem Reißen einer Serie oder gleich ganz vor dem Verspielen des Aufstiegs, der noch vor zwei Wochen so nah und realistisch schien. Uns allen war klar, dass wir wieder ein Spiel verlieren mussten, doch kommt es dann, sind wir auch nicht in der Lage, das hinzunehmen. Warum? Weil so viel mehr daran hängt als einfach nur verlorene Punkte, es geht um den Aufstieg, die Wiedergutmachung und das Berichtigen eines Fehlers, der sich seit fast zehn Jahren schleichend angedeutet hatte.

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Hannes Wolf und sein Ochsensturm

Die Vorstellung gefiel mir irgendwie, sie hatte so etwas mutiges, furchtloses und fast schon verhöhnendes. Die Idee, Daniel Ginczek und Simon Terodde beide von Beginn an zu bringen, den sogenannten „Ochsensturm“, es gefiel mir und ließ mich für die paar Minuten im Gästeblock vergessen, dass ich so viel Angst davor hatte, es könnte schief gehen – so wie ich immer Angst davor habe, es könnte schief gehen. Beide zusammen in einer guten Form, gegen einen Gegner, der vielen von uns im Hinspiel von höheren Sphären träumen ließ, das war wirklich spannend. Über 24 Stunden sind nicht nur wir klüger, sondern hoffentlich und in erster Linie auch Hannes Wolf, der seine taktische Aufstellung in Frage stellen sollte.

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Das Heimspiel gegen Bochum hatte Spuren hinterlassen, insbesondere die erste Halbzeit ließ uns ratlos zurück und stellte unmissverständlich die Frage, ob wirklich jeder in der Mannschaft am selben Strang zieht. Das Remis gegen Braunschweig zähle ich dabei nicht einmal mit, wenngleich die Art und Weise, wie es zum Ausgleich durch den Elfmeter kam, selten dämlich war. Gegen Braunschweig nicht zu verlieren, fühlte sich wie ein Sieg an, gegen Bochum nicht zu gewinnen, dagegen wie eine Niederlage. Wir mussten nur eines, um die ersten aufgekratzten Gemüter (inklusive meinem!) wieder zu beruhigen: ein Sieg in Fürth, für das Selbstvertrauen, für die Länderspielpause, für die Fans, für das Polster, für den Aufstieg. Es kam alles anders.

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Alles andere als ein Auswärtssieg wäre indiskutabel – und sorgte dennoch für größere Diskussionen als in den letzten Wochen. Abermals ist die Fanszene gespalte und ich polarisiere weiterhin wie eh und je, mit allen negativen Begleiterscheinungen, was nicht bedeutet, dass mich das kalt lässt. Ich habe keine Erklärung für das, was in Fürth passierte, abermals in der ersten Halbzeit, abermals nahezu lächerlich, abermals gegen einen Gegner, vor dem man nicht viel zu befürchten hatte außer der Tatsache, sich gegen den Tabellenführer voll reinzuhängen. Das ist der Punkt. Denn die unseren tun das vermeintlich nicht, ein Umstand, der uns im Mai um den Aufstieg bringen kann.

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Vergebene Liebesmüh

Niemand hat eine genaue Zahl, wieviele nach Fürth aufgebrochen waren, das offizielle Kontingent von gut 2.000 Auswärtstickets war rasch verbraucht und die Quelle über den gastgebenden Verein wurde angezapft, letztlich pendelte die Zahl der VfB-Fans vor Ort zwischen 5.000 und 7.000 Zuschauern. Einen ähnlichen Umstand erreichte man nur in Sandhausen, wo man das Auswärtsspiel kurzerhand zum erfolgreichen Heimspiel umfunktionierte. Lange ist es her, das Spiel im Hardtwaldstadion und aus dem Wunsch, dass es am Ende schon irgendwie reicht, wurden in den letzten Monaten konkrete Ziele, Hoffnungen, Träume. Nur dass der VfB bis mindestens Montag noch Tabellenführer ist, nicht einmal das kann uns in diesem Moment viel trösten.

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Wieviele es auch waren, die meisten von ihnen waren offensichtlich zuversichtlich, dass das Polster auf Hannover und Union weiter wächst. Man konnte beobachten, wie der VfB die Massen ausgerechnet bei schlechteren Spielansetzungen zu mobilisieren, das mag auch dem bisherigen Erfolg und einer gewissen unausgesprochenen Euphorie liegen. Doch was bringt das alles schon, wenn es am Ende nicht reicht? Vielmehr sollte sich der Verein selbst die Frage stellen, was er erwarten würde, wenn der direkte Wiederaufstieg nicht gelingt. Ob die Fans auch ein zweites Mal in Scharen nach Sandhausen, Aue und Heidenheim strömen oder auch eine weitere Spielzeit voller Montagsspiele in weit entfernten Städten auf sich zu nehmen? Ich melde jedenfalls berechtigte Zweifel an.

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Die Stimmung war prächtig und ausgelassen, das Commando Cannstatt zelebriert dieser Tage seinen 20. Geburtstag, Hannes Wolf und die Mannschaft genießen derzeit unser Vertrauen und eigentlich könnte es fast nichts Schöneres geben, als der Mannschaft ein weiteres Mal beim Auswärtssieg zuzujubeln. Dieser Plan war zu schön, um wahr zu werden. Wer erinnert sich nicht auch so gerne wie ich an das Hinspiel, als Carlos Mané nach nur vier Minuten zum Doppelpacker wurde? Es war beinahe grotesk, dass er wieder so einsam und allein auf den Fürther Keeper zurannte. Vielleicht wäre der Plan aufgegangen und die wundersame Geschichte hätte sich wiederholt, wenn Carlos Mané getroffen hätte. Vielleicht.

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Indiskutabel

Es gibt solche Spiele, in denen du einen echten Sonntagsschuss kassierst. Das haben viele unserer Gegner bereits miterleben müssen, zuletzt die Heidenheimer mit dem frisch gekürten, aber angesichts der Niederlage fast schon völlig wertfreien Tor des Monats Februar. Ich dachte eigentlich, das Team hätte vom Heimspiel gegen Bochum gelernt, hätte gelernt, dass es eben nicht reicht, nur halbe Kraft zu fahren und sich arrogant zurückzulehnen. Die Quittung kam nach neun Minuten, schlampig verteidigt, da stand es schon 1:0 für die Gastgeber. Irgendwie hatte ich das alles anders geplant, ungeachtet meiner Befürchtungen, von denen ich sowieso nie möchte, dass sie wahr werden.

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An der Leistung gibt es rein gar nichts zu entschuldigen, dass wir abermals und zum dritten Mal in Folge einen offensichtlich völlig überforderten Unparteiischen zugelost bekamen, tat da natürlich einiges mit dazu. Es heißt, am Ende einer Saison gleicht sich das alles schon noch irgendwie aus, das ist im Moment des größten Frusts allerdings nur schwer zu akzeptieren. Wir konnten fluchen, schreien und schimpfen wie wir nur wollten, wir konnten rein gar nichts dagegen tun, weder gegen die erneut zweifelhafte Zweikampfbewertung, noch gegen die Abseitsentscheidung, die unseren Ausgleich bedeutet hätte. Von wegen „Im Zweifel zugunsten des Angreifers“, die Fahne war oben und jede Freude um mich herum wurde zur vergebenen Liebesmüh.

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Dass Hannes Wolf reagieren musste, war mehr als klar geworden. Nichts wollte zusammenpassen, weder der mit großen Erwartungen aufgestellte Ochsensturm, noch die Dreierkette, von der wir nur hoffen können, dass der Coach sie alsbald für alle Zeiten beerdigt. Für Daniel Ginczek und Jean Zimmer (der eine fiese Zehenverletzung davon trug, den Schneid aber nicht hatte, sich auswechseln zu lassen) kamen Josip Brekalo und Anto Grgic, doch auch das brachte nichts als ein paar vergebene Chancen. Sie spielten besser und drängten auf den Ausgleich, doch vor tausenden mitgereisten Fans, die alles dafür taten, die Mannschaft anzupeitschen, hätten sie vermutlich noch weitere Stunden spielen können, ohne ein Tor zu erzielen.

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Was bleibt, ist der Frust

Ich kenne dieses Gefühl zu gut: wann immer der VfB in Rückstand geraten ist, geht mir nahezu jegliche Fähigkeit ab, das positive zu denken, dass der Ausgleich und gar noch Siegtreffer schon früher oder später noch fallen würde – dabei spielt es keine Rolle, ob der Rückstand in der vierten Minute oder in vier Minuten vor dem Ende der offiziellen Spielzeit fällt. Zum Glück belehrte mich der VfB schon oft eines Besseren, jedoch leider nicht immer. Heute war wieder so ein Tag, nach Wochen der Freude, der Zuversicht, nun dieser bittere Nackenschlag als es nach drei Minuten Nachspielzeit vorbei war. Es hatte nicht sollen sein. Es hätte trotzdem sein sollen.

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Ohne es zu wollen, war es genau das, was ich befürchtet hatte. Die Tatsache, nicht aus den Fehlern gelernt und mehr für das Spiel getan zu haben, stimmt mich nicht nur ausnahmslos traurig, sondern macht mich auch wütend. Will die Mannschaft den Aufstieg vielleicht doch nicht so, wie wir Fans ihn wollen? Ratlose Gesichter und eindeutige Gestik wartete auf die Mannschaft, als diese sich nach 90 weitgehend frustrierenden Minuten den mitgereisten Fans stellte. Was hätte ich darum gegeben, ein weiteres Mal „Wenn du mich fragst, wer Meister wird“ zu singen und mit einem Lächeln den Block verlassen zu können. So setzte ich mich auf die Stufen und schwieg.

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Ohne ein Wort zu sagen dackelte ich unserer kleinen Gruppe hinterher, als wir uns auf den Weg zum IKEA-Parkplatz machten, auf dem wir in den Morgen stunden geparkt hatten und uns ein köstlichens gemeinsames Frühstück gönnten. Über eine Stunde später machten wir uns auf den Weg in die Heimat, irgendwo zwischen Frustration und erzwungener Zuversicht. Vieles habe ich mir an diesem Tag anhören müssen, was ich so nicht wollte, ich habe eine Niederlage sehen müssen, die ich nicht wollte. Und nun endet nach exakt 12.352 Zeichen, zwei Stunden und drei Seiten meinen Spielbericht. Mehr hat diese unsägliche Darbietung auch nicht verdient.

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