Eigentlich hätte ich mit den Schultern zucken müssen und sagen müssen “Was solls”. Eigentlich hätte ich mich dem süßen Gedanken hingeben müssen, zu 99% aufgestiegen zu sein. Eigentlich war diese Niederlage gar nicht weiter schlimm. Eigentlich. Was übrig blieb, fühlte sich keineswegs nach dem beinahe sicheren Aufstieg an. Am Ende war da dieses unbehagliche, eigenartige Gefühl der Enttäuschung, das uns über all die Jahre bis hin zum Abstieg begleitet hatte, dieser Frust, dass die Mannschaft so viel mehr könnte, wenn sie nur wollte.

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Mit einem leidenschaftlichen Willen hätte man so manche desolate Phase und auch den bitteren Abstieg verhindern können. Wir stehen nun (trotzdem) vor den größten Feierlichkeiten seit zehn Jahren. Und doch fühlt es sich so falsch an. Es ist mein verdammtes Recht, mich aufzuregen. Ich habe an bisher jedem einzelnen Pflichtspiel in dieser Saison im Stadion gestanden, habe alles gegeben, habe Urlaub, Zeit und Geld geopfert, um – wie viele andere tausend und zehntausend VfBler auch – keinen Zweifel daran zu lassen, wieviel mir und uns dieser Verein bedeutet.

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Was haben wir nicht alles gegeben in dieser Spielzeit, sind mit zehntausenden auswärts gefahren, haben Choreos auf die Beine gestellt und jedem Einzelnen im Stadion eine Gänsehaut bereitet, nur für diese eine, nicht unwesentliche Gegenleistung: dass die Mannschaft in jeder Minute alles gibt, was sie geben kann. Einige Male ist ihnen das in dieser Saison nicht gelungen, in Dresden, in Würzburg, in Fürth. Sie haben uns gezeigt, dass sie verstanden haben, dass sie wissen, worum es geht, für die Mannschaft, für den Verein, für die Fans, für die Region. Da standen wir nun, gute zehntausend Stuttgarter im vorentscheidenden Spiel gegen den direkten Konkurrenten. Wir gaben alles. Und wir bekamen: nichts.

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Auf dass es hier endet

Es will mir einfach nicht in den Kopf hinein. Einige Tage sind nun schon vergangen, seit ich mit dem Gesicht zur Faust geballt das Stadion in Hannover verlassen hatte. Man sollte meinen, ich habe es verdaut und konzentriere mich nun voll auf das eine letzte Spiel gegen Würzburg. Mit dem Teufel müsse es zugehen, um hier noch am Aufstieg zu scheitern, hatten sie gesagt. Bekanntermaßen hatte man aber auch schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen. Ich will nicht sagen, dass es am Sonntag schief geht. Nunmehr bin ich mir sicher, dass es am Sonntag etwas zu feiern gibt. Ich stelle mir nur die eine Frage: warum nicht schon in Hannover?

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Tagelang, nein, wochenlang konnte ich an nichts anderes denken. Immer wieder drifteten meine Gedanken ab nach Hannover, in den Gästeblock am jenen 14. Mai des Jahres 2017, zu dem Moment, indem Simon Terodde in der 92. Minute den Ball zum 2:1 über die Linie drückt, der Schiedsrichter daraufhin direkt abpfeift und die gesamte Bank, samt aller gesperrten, verletzten und nicht nominierten Spieler zum völlig eskalierenden Gästeblock rennt. Ich wollte, dass es hier endet. Ich wollte, dass man uns die Rückkehr ins Oberhaus nicht mehr nehmen kann. Ich wollte es so sehr, dass ich vielleicht kurz vergessen hatte, dass es noch immer mein VfB ist. Der VfB, der in den entscheidenden Momenten schon viel zu oft den Faden verlor.

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„Dann steigen wir eben daheim auf, ist eh viel schöner!“ vernahm man daraufhin allerorten. Wer weiß, vielleicht hatte ich tief in mir drin schon gewusst, wieviel schöner es wäre, den Aufstieg zuhause mit allen Freunden und Bekannten zu feiern, ohne eine lange Heimfahrt antreten zu müssen, und vor allem, ohne am nächsten Morgen einen unverschiebbaren Kundentermin im Büro zu haben. Ich hätte nicht wirklich gewusst, was wir tun sollten, würde der große Moment schon in Niedersachsen seinen Lauf nehmen. Mitgenommen hätte ich dieses Erlebnis gerne trotzdem, nach so unheimlich emotionalen Auswärtsspielen in dieser Spielzeit hätte sich diese als Höhepunkt eingereiht. Doch es kam anders.

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Bis zum Anschlag

Schon seit Wochen hingen die beiden Tickets an der Pinnwand im Flur, immer wieder beim Vorbeigehen erhaschte ich einen Blick, seufzte innerlich und dachte daran, wie wunderbar es wäre, alles beim letzten Auswärtsspiel zu entscheiden. Die Wochen vergingen, der VfB punktete durchweg, genau wie die Konkurrenz, deren prophezeite Schwächephasen nie so recht eintreten wollten. Ausrutschen war verboten und so wurde Hannover zu der einen Partie erklärt, die man unter keinen Umständen verlieren durfte, wenn man bis zum Schluss alles in der eigenen Hand haben will. Eigentlich dachte ich, das wäre der Mannschaft schon so von Hannes Wolf eingetrichtert worden. Eigentlich hatten aber auch manch andere geglaubt, es schon vor Wochen entschieden zu haben.

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Mehr als fünf Mal öffnete ich den kleinen Geldbeutel in meinem Bauchtäschle, um sicherzugehen, die beiden Tickets auch wirklich hineingesteckt zu haben. Mehr als 24 Stunden vor dem Anpfiff der Partie machten wir uns auf den Weg in Richtung Hannover, sonst eines der eher unliebsameren Auswärtsspiele, doch an diesem Wochenende das womöglich emotionalste und meistgefeiertste. Das weiße Heimtrikot hatte ich eingesteckt, ebenso wie den roten Schal, zu dem die aktive Fanszene aufgerufen hatte. Alle Kameras waren vorbereitet, alle Vorbereitungen getroffen, das einzige, was ich nicht kontrollieren konnte, war die emotionale Achterbahn, immer wieder zwischen hoffnungsvoll freudig und irrational ängstlich.

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Am späten Nachmittag erreichten wir die Großstadt an der Leine, checkten in unserem bereits im September 2015 besuchten Hotel im Stadtteil Kleefeld ein und verbrachten die Zeit am Maschteich und Maschsee, bevor es uns für ein spätes Abendessen in den Pub „The Harp“ verschlagen hat, mehr aus der Not heraus an einem Tisch mit einem waschechten und vollständig dialektfreiem Hannover-Fan, der interessiert unseren Geschichten lauschte und wir uns bei alkoholischen Getränken auf einen Bielefeld-Sieg und ein friedliches Unentschieden einigten. Einen Sieg hätte ich umso lieber genommen, und bereits am nächsten Tag stellte ich fest, wie gerne ich ein Remis genommen hätte.

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Alle in Weiß nach Hannover

Schon während unseres leckeren Frühstücks drifteten meine Gedanken immer wieder in Richtung Stadion, an dessem leeren Vorplatz wir noch am Vorabend vorbeischlenderten. Die Worte „Was wäre, wenn… heute schon alles vorbei sein könnte?“ ließen mich zwischen Marmeladenbrötchen und Rührei nicht los und als wir am späten Vormittag das Hotel verließen und uns auf die letzte Fahrt in Richtung Stadion machten, schlug mir das Herz bis zum Hals. Die letzten Minuten vor dem Spiel verbrachten wir erneut im Biergarten „Kaiserschänke“, für uns keinesfalls Neuland, doch der Anblick von gefühlt 90% im Brustringtrikot war dann doch mal etwas Neues. Kein Wunder, bei wenigen hundert Metern Entfernung zum Gästeeingang.

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Schon die Ankunft des Mannschaftsbusses und die damit verbundenen Anfeuerungsrufe in Richtung der getönten Scheiben, hinter denen man ohnehin nichts erkennen konnte, sorgte für große Emotionen. Wir waren bereit, es hier und heute enden zu lassen, auf dass wir es am allerletzten Spieltag gegen zum Siegen verdammte Würzburger ausnahmsweise wirklich locker angehen lassen können. Angespannt bis zum geht nicht mehr stieg ich die Stufen hoch, zum sechsten Mal, seit ich 2007 begann, auswärts zu fahren. Doch kein einziges Mal fühlte es sich so an wie an diesem Tag im Mai.

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Immer wieder mangelt es mir an Vertrauen in die Fähigkeiten meiner Mannschaft, doch ich wollte glauben, dass ihnen klar war, worum es hier geht. Noch ein bis drei Punkte und alles wäre geschafft, der Betriebsunfall vom letzten Jahr wäre ausgemerzt und wir würden zurückkehren in die Bundesliga. In meinem Kopf hörte sich das alles wunderbar an – die Rechnung habe ich leider nur ohne die Spieler gemacht. Richtig, niemand hat erwartet, sie würden jedes Spiel gewinnen. Aber wir haben erwartet, dass sie alles geben, wenn der Tag gekommen ist.

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Stuttgart lässt die Fetzen fliegen

An uns sollte es nicht liegen. Kaum hatte ich einen Blick in den steil angelegten Gästeblock geworfen, fielen mir an jedem Wellenbrecher die festgeklebten Plastiktütchen auf, jedes einzelne gefüllt mit zwei Luftballons, einer Konfettirolle und einem Zettel, auf dem geschrieben stand: „Fetzen fliegen lassen für die 1. Liga“. Wann immer ich an Konfettirollen denke, denke ich auch an das Pokalspiel in Bochum vor fast drei Jahren, als der damals noch dort unter Vertrag stehende Simon Terodde beide Tore gegen uns schoss und wir in der ersten Runde ausgeschieden waren. Ein böses Omen? Nein, nicht heute. Heute sollte es vorbei sein und der Aufstieg zur sicheren Sache erklärt werden. Der VfB hatte es in der eigenen Hand. Das alleine machte mir viel eher Sorgen.

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Mit übermäßiger Spannung erwartet, der Augenblick war endlich da: der Countdown endete und unzählige weiße und rote Papierschnipsel flogen uns um die Ohren, ein herrliches Bild, stand man nun mittendrin oder weiter außerhalb. Es war angerichtet für ein Topspiel, für unser Topspiel. Am Ende des Tages würden wir sagen, man habe die Partie verdient verloren. Noch vor der Partie meinte jemand zu mir (ich vergaß leider, wer es war), in den ersten zehn Minuten würde man gut erkennen können, wie gut der VfB drauf wäre, oder eben nicht. Ich wollte es nicht wahr haben nach einer guten Viertelstunde Abtasten, das Spiel kippte langsam in Richtung der Gastgeber. Ich wollte das nicht.

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Ein Unentschieden würde reichen, solange Braunschweig in Bielefeld verliert. Das wusste hier jeder, der sich in den letzten Tagen mit allen möglichen Rechenspielen und Tabellenkonstellationen befasst hatte. Unklar war jedoch, ob Hannover 96 die Zwischenergebnisse dieses durchaus für beide Vereine relevanten Spiels über die Anzeigetafel zeigen würde. Mit dem ersten Torschuss der Hannoveraner meldete sich der Ergebnisdienst mit den Worten „Tor in Bielefeld“. Bange Blicke von allen Seiten, mehr oder minder mit der Erwartung, das 0:1 vermeldet zu bekommen.

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Da ist es passiert

Man traute den Augen kam, als es da hieß, Bielefeld führte gegen unserer beider Konkurrent Braunschweig. Schon skurril, wenn das ganze Stadion, inklusive des Gästeblocks erleichtert aufschreit. Dabei würde es vermutlich nicht bleiben, dachte ich. Dachten Viele. Wer hätte schon ahnen können, was sich 100 Kilometer entfernt zu unser aller Gunsten abspielen würde? Die Bielefelder führten bereits mit 2:0, als das Zuspiel von Alexandru Maxim nach 36 Minuten zu ungenau in den Lauf von Simon Terodde kam. Wer weiß, vielleicht hätte es das eine Tor sein können, an das wir uns noch lange erinnern würden. Es sollte nicht sein in diesem Moment, es sollte nicht sein an diesem Tag.

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Erst in der Winterpause kam Ebenezer Ofori, der wendige Ghanaer zum VfB, machte mit einem schnellen Spielaufbau und guten Pässen schnell auf sich aufmerksam, hat aber immer wieder Probleme in den Zweikämpfen. Noch gegen Union Berlin und Erzgebirge Aue stockte mir jeweils kurz der Atem, nachdem er im Mittelfeld auf einmal zwei Gegenspieler um sich herum hatte oder gar den Ball gleich ganz verlor. Was in diesen letztlich erfolgreichen Spielen ohne Folgen blieb, wurde uns im wichtigsten aller Spiele zum Verhängnis.

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Zu langsam schaltete die Abwehr und als Felix Klaus’ Tor vom Innenpfosten hinter Mitch Langerak ins Netz trudelte, erschütterte das eine Geräusch mein Knochenmark, von dem ich hoffte, es nur bei Bielefelds Toren gegen deren größten Rivalen hören zu müssen. Da war es passiert, Hannover führte. In Null Komma Nichts rauschte meine Laune in den Keller, reagierte sich kurz ab und erinnerte sich schließlich an jene schicksalhafte Momente in Nürnberg, als der VfB nach einem 0:2 noch mit 3:2 gewann und keinen Zweifel daran ließ, um jeden Preis aufsteigen zu wollen. Noch war nichts verloren.

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Feuer frei für den Ochsensturm

Dieses Halbzeitergebnis galt es trotzdem erst einmal wegzustecken. So euphorisch, losgelöst und kämpferisch die Stimmung vor der Partie war, ich fühlte die Anspannung, noch mehr als beim letzten Heimspiel gegen Aue. Wir wussten, um was es geht, doch erste Zweifel wurden wach, ob dies die Mannschaft ebenso spürte. Stand jetzt würde es wohl kaum reichen für den sicheren Aufstieg, nicht solange beide Partien noch 45 Minuten übrig hatten, in denen bekanntlich so unglaublich viel passieren kann. Ich schwieg die meiste Zeit und versuchte gegen den dunklen Gedanken anzukämpfen, dass wir nicht nur das Spiel sicher verlieren würden, sondern auch unsere exzellente Aufstiegsposition herschenken würden.

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Ein einziges Tor hatte es gebraucht, Hoffnungen fürs erste zunichte zu machen, und ein einziges Tor würde es brauchen, um mich himmelhochjauchzend in die Arme meiner Freunde fallen zu lassen. Frust und Freude waren eng beieinander, daran würde sich bis zum Ende der Nachspielzeit wohl auch nichts ändern. Um unsere Offensive braucht man sich im Grunde keine Sorgen zu machen, wenn Simon Terodde alleine nicht sticht, dann stellt man ihm eben Daniel Ginczek zur Seite, auf kurz oder lang eine nicht mehr zu verteidigende Konstellation der permanten Torgefahr, auch liebevoll „Ochsensturm“ genannt. Sie beide sollten es nun richten.

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Wir wissen ganz genau, wozu diese Mannschaft im Stande ist. Sie haben uns gezeigt, was sie können und dass sie zu Großem imstande sind, doch was sie in Hannover zeigten, hatte rein gar nichts mit dem VfB zu tun, der uns schon so viel freudige Stunden bereitet hatte. Je länger die zweite Halbzeit dauerte, desto mulmiger wurde mir. Nicht, weil das eine Tor nicht fallen wollte, sondern vielmehr, weil sie offenbar kein Bestreben dazu hatten, es zu erzielen. Ich will der Mannschaft nicht gänzlich absprechen, dass ihnen die Wichtigkeit im Ansatz bewusst war, aber ich stelle ihnen die Frage, warum sie viel zu passiv agiert hatten, als führe man fünf Minuten vor dem Ende bereits mit drei Toren Vorsprung.

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Unerwartete Schützenhilfe

Etwas derart Skurriles habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Ich hatte noch nie gesehen, wie bei der Übertragung der Zwischenergebnisse aus den anderen Stadien alle Fans zeitgleich jubeln, so gut spielte es beiden in die Karten, dass der dritte Nebenbuhler aus Braunschweig von der Arminia dermaßen nach allen Regeln der Kunst demontiert wurde. Viel passierte in Hannover nicht, dass man dennoch die Zwischenergebnisse feierte wie ein eigenes Tor, fühlte sich höchst seltsam an. Doch das alleine würde uns an diesem Sonntag kaum etwas nutzen, wenn es dem VfB nicht gelingt, wenigstens ein einziges Tor zu machen.

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Die Zeit rannte uns weg und beschrien von knapp zehntausend Stuttgartern war sie auf einmal da, die größte Chance des Spiels, die wohl beste Gelegenheit für das eine Tor, das uns zum sicheren Aufsteiger macht. Zwischenzeitlich führte Bielefeld uneinholbar mit 6:0, der VfB brauchte nichts weiteres zu tun, als das Tor zu machen. Alles ging so schnell, der davon eilende Simon Terodde, der Fall, der Pfiff, die rote Karte. Ein paar Zentimeter mehr, es hätte den Strafstoß und damit den wahrscheinlichen Aufstieg gegeben, nur drei Minuten vor dem Ende der offiziellen Spielzeit.

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Alexandru Maxim legte sich den Ball zurecht. „Mach es, Alex, wie gegen Union“ murmelte ich leise vor mir hin, während mein Herz fast zu zerspringen drohte. Das könnte er sein, der wichtigste Freistoß der Saison, der alle unsere Aufstiegssorgen hinter uns lassen könnte. Manch einer konnte nicht hinsehen und drehte sich um, nur um dort in die verzweifelten Gesichter von Tausenden zu blicken. Vor meinem inneren Auge konnte ich sehen, wie der Ball links oben ins Netz einschlug und wollte nichts mehr als in dieser Sekunde weinend auf die Knie zu gehen.

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Unliebsame Stille

Und dann war diese Stille. Die Stille, kurz bevor sein Schuh gegen den Ball trat. Die Stille, als der Ball sich in Richtung Tor bewegte. Die Stille, als er am Tor vorbeizischte und uns allen klar war, dass es vielleicht nichts werden würde mit dem sicheren Aufstieg in Hannover. Tief hatte er sein Gesicht in seine Hände vergraben, unzählige Fans taten es ihm gleich. Und obwohl eine leise Stimme in mir noch rief, dass schon so manches Sieg- oder Anschlusstor erst in der Nachspielzeit gefallen war, so war mir doch irgendwie klar geworden, dass es heute nicht sein sollte.

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Vielleicht, weil die Mannschaft nicht energisch genug war. Vielleicht, weil Hannover einfach cleverer war. Vielleicht aber auch, weil es erst zuhause entschieden werden sollte. Wer weiß das schon so genau? So laut der Jubel der Hannoveraner Fans im Moment des Abpfiffs war, so ernüchternd, kopfschüttelnd und frustrierend war so manche Reaktion im Gästeblock. Es nützte nichts, wir konnten es nicht ändern. Ich konnte es nicht ändern. Der VfB hat verloren, das eine Spiel, das er nicht verlieren durfte.

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Ich war vollkommen bedient und konnte nicht verstehen, wie die meisten um mich herum der Mannschaft applaudieren konnte, als sie in unsere Richtung lief. Es waren fast schon versöhnliche Bilder, die ich hier zu Gesicht bekam, in die Höhe gestreckte Schals, Applaus, ein gemeinsames Hüpfen, als hätte man es bereits geschafft. Die skurrilen Begebenheiten in Bielefeld sorgten nun dafür, dass Braunschweigs Torverhältnis auf uns nunmehr zehn Tore zählte und nur eine höchst unwahrscheinliche Konstellation am kommenden Sonntag uns doch noch auf den Relegationsplatz fallen lassen würde. Für viele war das Grund genug, sich nicht zu grämen. Nicht aber für mich.

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Bis zum letzten Atemzug

Von all den positiven Worten wollte ich nichts hören. Ich war mächtig angefressen ob der Darbietung meiner Mannschaft, die gefühlt nicht alles gegeben hatte. Bis zum Schluss ließen sie diese Gier vermissen, mit der sie schon so manches Spiel gedreht haben und schon so viele Punkte geholt haben, dass es bis zum letzten Spieltag uns selbst obliegt, als Tabellenführer und Zweitligameister aufzusteigen. Sie haben versagt, wo sie nicht hätten versagen dürfen, das alleine frustrierte mich so sehr, dass es mich noch mehr ärgerte, dass es mich frustrierte. „Ach komm, da brennt doch jetzt nichts mehr an“ hörte ich auf dem Weg zum Parkplatz immer wieder, hören wollte ich es nicht.

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Ich wollte hier und heute aufsteigen, nichts anderes. Keine Ahnung, was danach passiert wäre. Keine Ahnung, wann wir denn nach Stuttgart zurückgekehrt wären. Keine Ahnung, in welchem körperlichen und mentalen Zustand ich am nächsten Morgen meinen Kunden im Büro hätte begrüßen können. Das alles hätte in Kauf genommen für jene Momente des Glücks, für die der VfB nicht mutig genug war. Auch lässt es mich mit Sorge in eine ungewisse Zukunft blicken, nach allen ausgetauschten Managern, Trainern und Spielern bleibt nur noch der Verdacht nahe, es sei der rote Faden, im entscheidenden Moment nicht da zu sein.

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Tage sind vergangen, was bleibt, ist die Enttäuschung über die verpasste Vorentscheidung. Doch nicht gänzlich ohne Hoffnung, konzentriert sich doch nun alles auf den kommenden Sonntag und den höchstwahrscheinlichen Aufstieg. Viele sagen, es sei egal, ob als Erster oder Zweiter. Ich hätte dann aber doch schon gerne das volle Programm: Ein überzeugender letzter Heimsieg, große Emotionen, die Zweitligameisterschaft, der Torschützenkönig, ein neuer Zuschauerrekord, ein Platzsturm um 17:20 Uhr und eine fette Party mit allen Freunden und Bekannten. Das ist uns der Verein schuldig. Auch, wenn es nicht in Hannover passierte, ich freue mich unbeschreiblich auf diesen Augenblick. Doch ein kleiner Restzweifel wird da immer bleiben, offensichtlich nicht ganz ohne Grund.

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