Nichts halbes, nichts Ganzes. Dieses seltsame, unbestimmte und leicht unbehagliche Gefühl, nicht zu wissen, was man davon halten soll. War das jetzt gut, weil man zumindest einen Punkt gegen einen starken Gegner geholt hat? Oder war das jetzt ärgerlich, weil wir die Punkte so dringend brauchen und diese zwei Punkte am Ende vielleicht fehlen könnten? Ich weiß es auch nicht. Es hätte durchaus dümmer laufen können, wenn wir in der hektischen Schlussphase doch noch das Gegentor bekommen. Aber was wäre hier los gewesen, wenn das Glück am Ende auf unserer Seite gestanden hätte? So bleibt ein durchwachsenes Spiel, bei dem es schwer fällt, eine Tendenz für die nächsten Wochen abzuleiten. Nach der Länderspielpause muss der VfB nach Frankfurt. Gnade uns Gott.

Am besten mit gar nichts rechnen, mit der Strategie bin ich zuletzt ganz gut gefahren. Wenn man erst einmal gelernt hat, davon auszugehen, dass der VfB sowieso verliert, macht es das Ertragen des vermeintlich Unvermeidlichen leichter. Schon gegen Hannover hatte ich ein schlechtes Gefühl und wurde sträflichst Lügen gelehrt, nun gegen Hoffenheim begleitete mich das selbe seltsame Bauchgefühl auf dem altbekannten Weg zum Neckarstadion. Nach den letzten trüben Tagen im Ländle traute sich die Sonne ein wenig hervor und schenkte uns ein paar Sonnenstunden zum Samstagnachmittag.

Die Kraichgauer sind zu Gast – seit einiger Zeit kein Gegner mehr auf Augenhöhe, dafür umso mehr wenn es um das Thema Fankultur und Tradition geht, das sollte auch eine eindrucksvolle Choreo unter Beweis stellen. Die Cannstatter Kanne – welch tolles Symbol, stellvertretend für die Geschichte, die man beim VfB bereits hinter sich gebracht hat. Auch wenn keiner so richtig aussprechen mag, dass die Zukunft des VfB nicht so rosig aussieht, wie man uns in den letzten Jahren weis machen wollte. Wie angenehm es doch wäre, wenn es eine gesamte Saison lang mal nicht mehr oder weniger lang ums blanke Überleben geht, das hätte doch durchaus etwas für sich. Viel zu langweilig für den VfB, so scheint es jedenfalls.

Ein Torjubel mit Diskussionsstoff

Das Wiedersehen mit meinem langjährigen Kumpel Eric zerschlug sich leider dank des spieltagsüblichen Staus, in dem er steckte, so stand ich nun also in der Kurve zwischen zusammengerollten roten Folientafeln und weißen Schwenkfahnen und beobachtete, wie sich das Stadion füllte. Zum Einlaufen der Mannschaften gingen alle Tafeln nach oben und zwischendurch konnte ich einen kleinen Blick auf die Anzeigetafel über der Cannstatter Kurve werfen, die das Bild der Choreo wiedergab. Wir sind stolz auf unsere Tradition. Besonders in Zeiten, in denen der sportliche Erfolg nicht im Ansatz existent oder gar absehbar ist.

Der Mannschaft wäre unrecht getan, wenn man behaupten würde, sie hätten sich nicht reingehangen oder wären gar lustlos über den Platz geschlichen. Aber selbst das reicht gegen eine Mannschaft, die um die internationalen Plätze mitspielt, nur schwerlich zum Erfolg. Das Zufallsprodukt von Andreas Beck hätte zweifelsohne gut getan, stattdessen trafen die Gäste kurz vor der Pause zum 0:1. Es war still im Stadion, nicht einmal der halb gefüllten Gästeblock war laut genug, dass es gar jeder mitbekam, der zufällig im Umlauf vor den Blöcken war.

Lauter wurde es erst dann, als sich Felix Zwayer mehr und mehr den Unmut der Zuschauer zuzog. Bewerten wollte ich das nicht, oft schaukelt sich die Wut auf den Unparteiischen hoch, hier und jetzt fühlte es sich dennoch etwas einseitig an. Nach dem Seitenwechsel drückten die Gäste, dem 0:2 näher als wir dem Ausgleich. Das interessierte Steven Zuber, die Leihgabe aus Hoffenheim, allerdings wenig. Nach toller Vorarbeit von Ozan Kabak stand er genau richtig. Ausgleich! Aus dem Nichts geradezu, wirklich damit rechnen konnte keiner. Und auch daraus, dass er sich für den VfB freute, machte er keinen Hehl, rannte Richtung Gästeblock und vollzog seinen Torjubel.

Offenes Visier

Wäre die Situation genau anders herum gewesen, ich hätte mich wahrscheinlich ebenso aufgeregt und unflätige Worte benutzt. Aber so bleibt nur ein Schmunzeln und der Wunsch, man möge ihn über den Sommer hinaus einfach hierbehalten. Ich denke nicht, dass er in Hoffenheim nun noch gerne gesehen ist. Wie oft verkneift sich ein ehemaliger Spieler oder Leihspieler den Torjubel gegen ehemalige Teamkollegen, wie erfrischend dann ein Torjubel sein kann, zeigte uns der Schweizer. Und ja, ich muss zugeben, ganz kalt gelassen hat mich das Tor nicht. Kein überschwängliches Geschrei, aber eine kurze Umarmung für meine Freundin Jasi war auf jedem Fall drin.

Es wurde immer unruhiger, auf dem Feld und auch auf den Rängen. Immer lauter schallte der Support der Kurve in Richtung Mannschaft, immer heftiger wurde der Druck der Gäste. Wie lange das noch gut gehen sollte, konnte man nur vermuten. Irgendwie bis zum Ende durchhalten und am Ende noch irgendwie das eine verdammte Tor machen. Santiago Ascacibar war verdammt nah dran, der Ball verfehlte sein Ziel aber nur denkbar knapp. Sein erstes Tor hätte er kaum zu einem besseren Zeitpunkt machen können, doch so pfiff Felix Zwayer nach 94 Minuten die Partie ab und hinterließ auf allen Seiten viele fragende Gesichter.

Für Hoffenheim zu wenig fürs internationale Geschäft. Für uns zu wenig für den Klassenerhalt. Warmen Applaus gab es trotzdem. Im Vergleich zu den Wochen davor scheint sich die Mannschaft ein wenig gefangen zu haben, mental, spielerisch, defensiv. Noch ist der Weg weit, aber die Saison ist nicht ewig lang. Es liegt an Markus Weinzierl, das Beste aus den nächsten zwei Wochen zu holen, wenngleich das Fehlen wichtiger Spieler nicht gerade hilfreich ist. Während das nächste Spiel in Frankfurt wenig spannend werden dürfte, wird es das darauffolgende Heimspiel gegen Nürnberg mit Sicherheit. Und ich? Ich brauch erstmal Urlaub.

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