Mit leeren Blicken starrte ich auf das Spielfeld hinaus, wie bereits zuvor in dieser Saison, wie bereits zuvor in der letzten Saison, wie bereits zuvor in der Saison vor der letzten Saison. Die tollen Zeiten sind vorbei. Es blieb ruhig in Bad Cannstatt. Jedenfalls fürs Erste. Wirklich überraschend kam es für die wenigsten von uns. Wir wussten, wie groß die Verunsicherung der Mannschaft schon zu diesem Zeitpunkt der Saison ist, es fehlt an Toren, und meist auch, an der Gier nach eben solchen.

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Was zu Buche steht ist nun die personifizierte Harmlosigkeit und jene Situation, die ich nach dem Pokal-Aus in Bochum schon befürchtet hatte: der VfB wird zum liebsten Punktelieferant der Liga. Die Unzufriedenheit schwelt seit einigen Jahren in weiten Teilen der Anhängerschaft, nicht nur der aktive Kern, jegliche Couleur vom Jugendlichen in der Kurve bis hin zum Bruddler auf der Haupttribüne, ein jeder weiß, dass es so nicht weiter gehen kann. Dass sich der Frust eines Tages entladen wird, ist unvermeidlich.

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Im Vorfeld des Spiels hatte es einen offenen Brief gegeben, den die Ultras vom Commando Cannstatt am Donnerstag auf Ihrer Webseite veröffentlichten, in dem sie alle traurigen Wahrheiten angesprochen hatten. Eine schwere Kost, die mir damit im Magen lag, und die Erinnerung an jenen Dezemberabend im Jahre 2009, als hunderte wütende Fans vor der Haupttribüne ihrem Ärger Luft machten, es kostete am nächsten Morgen den Kopf des damaligen Trainers Markus Babbel, einer von vielen, die mangels Erfolge ihren Platz räumen mussten.

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Erinnerungen an 2009

Beinahe fünf Jahre ist es her, als ich auf der Mercedesstraße zwischen diversen Pferdehaufen stand, schockiert und traumatisiert, was ich hier erleben musste. Nie wieder wollte ich so etwas miterleben, nie wieder… Lange dauerte es nicht, bis erneut die Ergebnisse ausgeblieben waren und erneuter Unmut zu köcheln begann. Wir Fans sind seit jeher der unumstößliche Rückhalt, der sich auch nicht abwendet, wenn es schlecht läuft. Wir, die immer singen, auch wenn die Niederlage unabwendbar ist und auch dann hunderte Kilometer auswärts fahren, wenn wir am nächsten Tag zur Arbeit müssen.

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Über alle nervlichen Strapazen hinaus leben wir für unseren Verein, nur, um uns im verflixten siebten Jahr nach der letzten deutschen Meisterschaft anhören zu müssen, die Misere sei ja unsere Schuld. Der Graben, der sich zwischen Mannschaft und Fans in den letzten Jahren aufgetan hat, wird größer und größer. Es sind schwere Zeiten für den VfB, und während jene Spieler mit höheren Ambitionen bald das Weite suchen, bleiben wir zurück, und stellen Jahre später fest, dass sich alle Fehler wiederholen, immer und immer wieder.

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Im fünften Dauerkarten-Jahr muss ich nun resümieren, dass auch der einstigen Furchtlosigkeit, mit der ich jedem Heimspiel beiwohnte, mittlerweile nur noch Angst vor der erneuten Erniedrigung geworden ist. Nie hatte ich damals ernsthaft geglaubt, es gäbe keinerlei Chance, das Spiel zu gewinnen. Heute ist das genau anders herum. Es gibt keine Gegner mehr, die von Haus aus schlagbar sind, denn viel zu oft hatte einen die Mannschaft eines besseren belehrt, Niederlagen gegen Abstiegskandidaten und Aufsteiger wurden teilweise haushoch verloren.

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Nichts mehr, wie es war

Beinahe nichts ist mehr, wie es einmal war. Nur das Stadion steht noch am selben Fleck. Es änderte sich meine Anreise zu den Heimspielen, mein Umfeld, die Kurve, der Vorstand, die Mannschaft und die Trainer. Während sich die Qualität der von mir angefertigten Stadionfotos im Laufe der Zeit verbesserte, stagnierte dafür die Entwicklung des Vereins. Viel ist von der einstigen Faszination, die der Verein auf mich machte, nicht mehr übrig.

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„Ich verliebte mich in den Fußball, wie ich mich auch später in Frauen verlieben sollte – plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zu verschwenden, die damit verbunden sein würden“ – mein liebstes Zitat aus Nick Hornbys Fever Pitch. Wir alle kennen dieses Gefühl noch vom ersten Tag im Neckarstadion. Liebe und Leidenschaft – doch zuletzt mehr jene Liebe, die Leiden schafft. Niemand hat gesagt, es würde einfach werden, doch hatten wir einst auch geglaubt, es gäbe nur eine einzige „Übergangssaison“.

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Alles, was uns jetzt noch übrig bleibt, ist: die Ruhe zu bewahren. Niemand weiß so recht, was diese noch so junge Spielzeit für uns bereit hält, und ob es dem VfB gelingt, der nicht ganz unerwarteten Tabellensituation am unteren Ende zu entkommen. Es ist zu früh, alles schwarz zu sehen, doch hält sich der Glaube, dass es schon bald besser wird, in Grenzen. Wie solle man denn Spiele gewinnen, wenn aus Einzelspielern keine Mannschaft wird, das Tor aus den besten Gelegenheiten einfach nicht getroffen wird und wenn schlussendlich den Fans die (Teil-)Schuld gegeben wird?

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Gewitter mit Ansage

Samstag Nachmittag, 15:30 Uhr, perfekte Fußball-Uhrzeit. Die Lust daran ist mir schon vor einiger Zeit vergangen, abgesehen von ein paar ganz seltenen Momenten, in denen ich es wagte, mich nach dem positiven Ausgang einer Partie tatsächlich einmal zu freuen. Lange scheint es her, der letzte Sieg war nun schon fünf Monate und einen Tag her, mitten im Abstiegskampf freute man sich über ein richtungsweisendes 3:1 gegen Schalke. Seither warteten wir, insbesondere auf die Aufarbeitung der Geschehnisse in der Sommerpause. Passiert ist nichts.

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Ein Gewitter war für den späten Nachmittag und frühen Abend angesagt. Voller Sorgen zog ich meine wetterfesten Stiefel an, obwohl die Sonne draußen schien, auf nasse Schuhe und Socken hatte ich allenfalls keine Lust. Ob es tatsächlich ein Gewitter geben würde, müsse man abwarten. Weit mehr Sorgen als Regen, Blitz und Donner machte mir, was 17:20 Uhr passieren würde. Die Sturmwolken hängen bereits seit Monaten über der Stadt, vorübergezogen sind sie seit letztem Mai nicht wirklich.

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Die Sonne knallte uns ins Gesicht, als wir den Gang zum Stadion antraten. Vorfreude empfand ich nicht, nur die Hoffnung, dass es ruhig bleiben würde. Lange geht das nicht mehr gut, sollte es der Mannschaft nicht gelingen, den Schalter umzulegen. Am Stadion angekommen drehte es sich weitgehend um das eine Thema, wie hoch der VfB wohl heute verlieren würde. Die meisten waren mit einem unguten Bauchgefühl am Neckarstadion eingetroffen, und jeder von ihnen hoffte, Unrecht zu haben.

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An uns soll es nicht liegen

Das neue StoCCarda, herausgegeben von den Verfassern des offenen Briefes, sollte heute erscheinen. Noch war nichts zu sehen von den Pappkisten, die immer so verheißungsvoll unter den Arm geklemmt werden und zahlreiche fliegende Verkäufer das neue Exemplar in die Höhe halten. Ich war bereits auf dem Weg zum Block, als ich die ersten Seiten kurz durchblättern konnte, ich wollte es erst danach erwerben, denn wohin damit, während des Spiels?

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Stufe für Stufe die Treppe zum Block hinunter, nun mit mehr Sorgen als Hoffnung. Ich bezog Stellung an meinem Stammplatz, erblickte gleich zwei bekannte Gesichter von meinem Dreh mit dem SWR zwei Wochen zuvor – ob das so wirklich Zufall war, nachdem ich den beiden gezeigt hatte, wo mein Platz ist? Ich weiß es nicht. Die Kurve füllte sich, ganz so schlimm war es bisher in Stuttgart noch nicht gekommen, das die Cannstatter Kurve klaffende Lücken aufgewiesen hatte.

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Viele Fahnen, Doppelhalter und Schals hatten die Fans mitgebracht, ein buntes Intro zeugt trotz aller Unzufriedenheit davon, dass wir da sind, und da sein wollen, doch müssen wir deswegen trotzdem alles klaglos hinnehmen? Wohl kaum. Würde man es nicht wissen, könnte man kaum annehmen, in welch präkerer Lage sich der Verein befindet und dass der große Bruch zwischen Mannschaft und Fans droht.

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Gerne noch einmal 6:2

Für viele mittlerweile eine Ansammlung an Einzelspielern, ohne Wir-Gefühl, ohne Zusammenhalt, ohne „Einer für alle, alle für einen“. Wie das anderenorts funktioniert, sieht man an den Krisensituationen einiger anderer Klubs. Dass wir daran so schnell nichts ändern können, verdanken wir der mangelhaften Personalpolitik der letzten sieben Jahre seit der Meisterschaft. Was im Winter passieren wird, bleibt abzuwarten, es ist nicht auszuschließen, dass es zahlreiche Bewegungen geben wird. Da stand ich nun, für das Wetter viel zu warm angezogen, und hoffte, es würde bald vorbei sein.

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In der vergangenen Saison hatten die wenigsten mit dem damaligen Ergebnis gerechnet, dem Aus in der Qualifikation zur Europa League folgte ein 6:2 an dieser Stelle, etwas mehr als ein Jahr ist das nun her. Es sollte der Beginn einer neuen Ära mit dem jungen Coach Thomas Schneider. Und doch kam es anders, als man dachte. Zwei Siegen folgten viele Unentschieden, bis die Niederlagen sich häuften und wir wieder am selben Punkt angekommen waren, wie so oft in den letzten Jahren: neuer Trainer, neues Glück?

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Laut und leidenschaftlich, statt mürrisch und hasserfüllt. An uns sollte es nicht liegen. Die Botschaft schien angekommen zu sein, zumindest in den ersten paar wenigen Spielminuten. Was war denn das, spielte hier der VfB tatsächlich bemüht nach vorne? Das haben wir ja schon nicht mehr gesehen seit… ja, wann eigentlich? Das Bemühen konnte man ihnen nicht absprechen in der Anfangsphase, wie schnell das neu gewonnene Selbstvertrauen durch einen zarten Luftzug umknickt, haben wir oft zu spüren bekommen.

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Bemüht, aber glücklos

Wenige Minuten gespielt, die ersten Chancen, und die Kurve sang so laut wie schon lange nicht mehr, der Oberrang stieg mit ein und riss auch die Seiten der Haupt- und Gegentribüne mit. Gänsehaut, als würde man nicht auf dem vorletzten Tabellenplatz stehen. Nur die Hamburger stehen noch hinter uns, aber die spielten parallel gegen die Bayern – höchst unwahrscheinlich also, selbst bei einer Niederlage dann sogar Letzter zu werden.

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Viel fehlte nicht beim Kopfball von Martin Harnik, gerade noch mit der Hand dran konnte Oliver Baumann, der vom SC Freiburg kam, die VfB-Führung verhindern. Noch einmal zusätzlicher Schub für die Kurve, die so dringend einen Sieg erleben wollte, niemandem ist ernsthaft daran gelegen, dass das Umfeld unruhig ist. Nichts deutete in der ersten Viertelstunde darauf hin, was uns bald erwarten würde.

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Es gab einen Freistoß für die Gäste, die mit einem 1.200 Mann starken Anhang angereist waren. Der Ex-VfBler Sebastian Rudy stand bereit. Weite Distanz, und ein wenig geblendet von der bemühten Darstellung bisher, gab dies keinen wirklichen Grund für Beunruhigung. Da flog der Ball in Richtung strafraum, einer stieg hoch und auf einmal jubelte der Gästeblock. Alles ging ganz schnell. Wer war für Anthony Modeste zuständig, Daniel Schwaab? Viel zu weit weg vom Bann ließ man den Franzosen gewähren.

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Same shit as everytime

Und schon waren wir im selben Schlamassel wie so oft. Ein Moment der Unkonzentriertheit und der Nachlässigkeit und alles, was man bisher mühevoll erreicht hatte, war innerhalb von Sekundenbruchteilen hinfällig. Eine Viertelstunde ganz gut gespielt, und mit dem ersten Torschuss der Hoffenheimer lag man nun zurück. Man könnte über so viel Ironie fast schon lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Und während die Hoffenheimer noch an der Seitenlinie vor der Coachingzone tanzten, versuchte die Kurve sich zu schütteln.

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Jetzt bloß nicht durchdrehen und alles hinschmeißen, in Rekordgeschwindigkeit wurde der Gesang wieder aufgenommen, als wäre nichts passiert. Für den einen oder anderen im Stadion vielleicht eine merkwürdige Reaktion angesichts der erneuten Misere, doch womöglich das einzig richtige Mittel, um der Mannschaft noch den Rückhalt zu geben, den sie nach den ersten 15 Minuten verdient hat, und wohl auch, um eine frühzeitige Eskalation zu vermeiden.

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Wieder musste der VfB einem Tor hinterher rennen. Es kam, wie befürchtet, das Gegentor war reines Gift und ließ die Anfangsbemühungen wieder nachlassen. Zwar behielt man das optische Übergewicht, konnte die zwingenden Chancen aber seltener erarbeiten. Daniel Didavi wurde zum Lichtblick, als er drei Hoffenheimer austanzte, seine tolle Flanke aber von Florian Klein weit über das Tor gedroschen wurde. Ein schönes Tor wäre das gewesen, volley mit Vollspann.

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Auf der Suche nach Glück

Doch wenn dir das Glück fehlt, vergibst du die Chancen eben. Es kommt nicht von irgendwoher, dass nach drei Spieltagen erst ein Tor zu Buche steht, und das noch nicht einmal ein Stürmertor. Seit Alexandru Maxims tollen Treffer in Gladbach warten wir. Und warten. Und warten. Sie gaben sich Mühe, aber sie trafen einfach das Tor nicht, so auch Moritz Leitner, der nur das obere Tornetz traf.

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An guten Möglichkeiten mangelte es im ersten Durchgang nicht, das musste man schon resümieren, als sich Halbzeit Eins dem Ende neigte. Drei Tore hätten herausspringen können. Traurige Gewissheit: Hoffenheim führte. Das änderte sich auch nicht bis zur Pause, in der die Mannschaft mit dezentem Applaus verabschiedet wurde, doch auch einige Pfiffe blieben nicht aus.

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Die Möglichkeiten, vor der Kurve mit einem Tor einen Ausbruch der Emotionen zu erzeugen, hatte man nicht genutzt, nun spielten sie in Richtung Cannstatter Kurve. Ein weiteres Mal sang, klatschte und hüpfte man, doch im Gegensatz zu den ersten Minuten beschränkte sich der intensive Support ein weiteres Mal nur auf den Mittelblock. Darum herum sammeln sich bedauerlicherweise oft jene, die an ernsthaftem Support kein Interesse haben, sondern nur an den moderaten Dauerkartenpreisen im Stehplatzbereich.

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Wieviele Chancen braucht ihr denn noch?

Die Minuten vergingen und aus einem anfänglich spannenden Spiel wurde eine Partie mit vielen Fehlern. Die Minuten vergingen und je länger es dauerte, bis der VfB hier zum Ausgleich kommen würde, desto ungeduldiger wird das Publikum, das alte leidliche Thema am Cannstatter Wasen. Wirklich viel wollten die Hoffenheimer gar nicht, sie waren in Führung gegangen und hatten darüber hinaus offensichtlich keinerlei Ideen, einen drauf zu setzen. Sind wir schon wirklich da angekommen, in dem der VfB bereits als geschlagen gilt, sobald er auch nur ein einziges Tor kassiert? Wo bleibt da die vielbeschworene Moral?

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Immer wieder wurden in der Cannstatter Kurve Spruchbänder hochgehalten, deren Inhalt mir erst durch die Bilder und Videos zugetragen wurde. Zielpersonen, wie könnte es auch anders sein, Fredi Bobic als Verantwortlicher für die Kaderplanung und Bernd Wahler, nunmehr mittlerweile als Schönwetterpräsident deklariert. Viele hatten gehofft, er würde die großen Ansagen, die er machte, in die Tat umzusetzen. Auch hier warten wir auf Ergebnisse, lediglich die Kampagne „Furchtlos und treu“ steht zu Buche. Belächelt und umformuliert als „furchtbar und scheu“ (und weitere Beispiele).

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Herrgott nochmal, wieviele Chancen braucht ihr denn noch? Freistöße in guter Distanz werden auf Kniehöhe hinein gegeben, Kopfbälle werden über das Tor gesetzt und ein direkt vor dem leeren Tor stehender Timo Werner ist derart überrascht, er hätte doch nur noch seinen Fuß hinhalten müssen. Ein Pünktchen gegen den ungeliebten Retortenklub würde in der aktuellen Phase jeder mit Kusshand nehmen, bevor man gänzlich ohne dasteht.

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Wachsende Unruhe

Die Unruhe machte sich langsam breit, würde nicht bald der Ausgleich passieren, sähe es wohl düster aus. Das konnte ich in den Augen meiner Mitmenschen sehen und an den ausufernden Reaktionen für jede verpasste Chance. Mittlerweile standen Konstantin Rausch, Alexandru Maxim und Filip Kostic auf dem Platz, die Zeichen waren klar: geballte Offensive, zumindest gemessen an deren Zuständigkeiten, für Tore zu sorgen. Ein Tor muss her, egal wie.

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Schon wieder die Hoffenheimer. Ein völlig verunglückter Rückpass, direkt in den Lauf des Gegenspielers. Das Unglück sahen wir unvermeidlich kommen, gleich steht es 0:2, dachten wir. Zuerst scheitere Anthony Modeste mit einem missglückten Seitfallzieher, schließlich schoss Kevin Volland den am Boden liegenden Franzosen an den Rücken, kam kurze Zeit später im Strafraum zu Fall. Oh Gott, nein, nein, nein, es gab keinen Elfmeter, weiter geht’s. Kommt schon, wir brauchen dieses eine verdammte Tor!

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Der Konter lief über Filip Kostic, „Schieeeeß!“ brüllte kollektiv fast das ganze Stadion, doch er zögerte zu lange und vergab die nächste von vielen guten Möglichkeiten in dieser Partie, Sekunden später vergab auch Alexandru Maxim aus der Position, in der er in Gladbach den Führungstreffer erzielt hatte. Das Toreschießen scheint der VfB mittlerweile verlernt zu haben, anders lässt sich dieses Pech und Unvermögen vor dem gegnerischen Kasten nicht erklären.

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Zwei Chancen, zwei Tore

In den letzten Zügen des Spiels versuchte sich die Kurve noch einmal zusammen zu reißen, noch einmal alles geben, um den Ball ins Tor zu tragen. Doch stattdessen der nächste Ballverlust und die nächste Unachtsamkeit in der Abwehr, Tarik Elyounoussi vollstreckte nahezu unbehelligt zum 0:2, sechs Minuten vor dem Ende der offiziellen Spielzeit. Schockstarre. Noch einmal kam die Cannstatter Kurve nicht zurück. Und während die ersten Massenwanderungen im Stadion sich in Bewegung setzten, forderte man lauthals den Kopf von Fredi Bobic.

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Es war die wohl letzte Chance, den Saisonstart noch in eine gütliche Bahn zu lenken, und auch die letzte Möglichkeit, das Band zu den Fans nicht abreißen zu lassen. „Bobic, wir ham’ die Schnauze voll!“, und viele der ohnehin nur 44.000 Zuschauer verließen den Ort des Grauens. Zwei Torchancen für die Gäste, zwei Tore. Dutzende Torchancen für den VfB, null Tore. Die Wut der treuen Anhänger durchaus verständlich.

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Toll, die nächste Niederlage. Ist ja nicht so, als hätten wir sonst keinerlei Probleme. Wo jeder andere Verein gelassen in die Zukunft blicken würde und nicht den Teufel an die Wand malen würde, ist die Angst im Ländle groß. Eine Horrorsaison fügt sich nahtlos in die nächste ein. Ob es einzig und allein der Knoten ist, der platzen muss? Was platzt, ist allmählich der Geduldsfaden der Anhängerschaft.

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Lautstarkes Echo

Abpfiff. Die Reaktion auf den Rängen war zu erwarten, laute Pfiffe und erneute Rufe gegen den Manager. Lange verweilte die Mannschaft am Mittelkreis. Wie auch in Bochum und gegen Köln werden sie gewusst haben, was sie erwartet. Das Bemühen war da, die Umsetzung mangelhaft. In den letzten Jahren bekamen sie fürs Bemühen oft noch vorsichtigen Applaus und wohlwollende Worte, dass das Maß voll ist, entlud sich in einem gewaltigen Pfeifkonzert.

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Gut 40 Meter vor der Cannstatter Kurve war Schluss – mehr trauten sie sich nicht. Hätte es hier einen Führungsspieler, der voran geht, gebraucht, in die Kurve zu gehen und das Gespräch zu suchen? Oder machte das hier schon überhaupt keinen Sinn mehr? Wut und Hass, Frust und Enttäuschung, Gift und Galle für einen friedlichen Saisonverlauf. Daniel Schwaab, der vergangene Saison bei einer Niederlage schon eher das Gespräch mit den Fans gesucht hat und vorangegangen war, winkte wütend ab und kehrte uns den Rücken.

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Passend zu seiner Aussage beim Heimspiel gegen Köln, die Fans tragen durch frühes Pfeifen eine Teilschuld, hat der eigentlich sympathische und bodenständige Breisgauer auch bei den letzten seinen Kredit verspielt. Auf der verzweifelten Suche nach Etwas, was diesen Verein und seine Fans wieder gütlich zusammenführen könnte, überlege ich lange, und komme dann doch zum Schluss, dass nur eines helfen kann: die Rückkehr zum Erfolg. Die Mannschaft ist bei großen Teilen der Kurve unten durch, durch derartige Gesten und Kommentare trägt dies sicherlich nicht zum Frieden bei.

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Noch blieb es ruhig

Eine Ewigkeit verharrte der treue Kern im Mittelblock der Kurve. Wir warteten. Aber worauf? Vielleicht auf Fredi Bobic, der sich an dem Kader messen lässt? Vielleicht aber auch auf Christian Gentner, der als Kapitän vorausgehen sollte? Oder vielleicht auf Armin Veh, der von vielen als wiedergekehrter Heilsbringer im Ländle begrüßt wurde? Vielleicht aber auch dpch auf ein Wunder, dass dieser Verein offenbar so dringend nötig hat.

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Der ursprüngliche Verdacht, der Frust würde sich im Falle einer Niederlage bereits am vierten Spieltag – oder gefühlt vielmehr am 38. Spieltag – entladen, bewahrheitete sich glücklicherweise nicht. Wie weit wir von dieser Situation entfernt sind, muss nicht ausgesprochen werden. Es wird der Tag kommen, an dem Konsequenzen gefordert werden. Wann und in welcher Form das passiert, werden womöglich die nächsten sieben bis vierzehn Tage zeigen. Heute blieb das Gewitter aus, auch in meteorologischer Hinsicht.

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Uns erwartet nun ein Spiel, bei dem sich jeder wünschen würde, daheim zu bleiben. Man könne die Punkte doch gleich mit der Post nach Dortmund schicken, so die Meinung vieler. Trotz allem machen wir uns am Mittwoch Vormittag auf den Weg, der Urlaubstag ist eingereicht, ungeachtet der zu erwartenden Klatsche und der folgenden Schlaflosigkeit. Getrieben von einer unerwiderten und blinden Liebe. Es ist bekanntermaßen ja wirklich schön, wenn der Schmerz eines Tages nachlässt.

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